Nach Wahlsieg in Argentinien Milei kündigt Privatisierung von Staatsbetrieben an
Einen Tag nach seinem Wahlsieg hat Argentiniens künftiger Präsident Milei erste Privatisierungen angekündigt - darunter die des öffentlichen Rundfunks. Doch ganz so einfach wird das nicht.
Bei der Stichwahl am Sonntag hat der 53-jährige Politikneuling Javier Milei 55,6 Prozent der Wählerstimmen erreicht. Er lag damit überraschend klar vor seinem Konkurrenten, dem jetzigen Wirtschaftsminister Sergio Massa. Tausende Anhänger Mileis feierten den Wahlsieg in den Straßen der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires. "Heute beginnt der Wiederaufbau Argentiniens. Heute beginnt das Ende des Niedergangs", sagte Milei bei seiner Siegesrede in seinem Wahlkampf-Hauptquartier in Buenos Aires.
"Wir werden das Modell der Freiheit anwenden, um wieder eine Weltmacht zu werden", kündigte der ultraliberale Ökonom und selbsternannte Anarchokapitalist an. Als künftige Herausforderungen für seine Regierung nannte der 53-Jährige "Inflation, Stagnation, das Fehlen echter Arbeitsplätze, Unsicherheit, Armut und Elend". Die Probleme könnten nur gelöst werden, wenn "wir uns wieder die Ideen der Freiheit zu eigen machen".
Privatisierung des öffentlichen Rundfunks und von Staatsbetrieben
Als erste Maßnahme kündigte Milei die Privatisierung von Staatsbetrieben und dem öffentlichen Rundfunk an. "Alles, was in den Händen des privaten Sektors sein kann, wird in den Händen des privaten Sektors sein", sagte der Politiker einem argentinischen Radiosender. Unter anderem will er den staatlichen Energiekonzern YPF, das öffentliche Fernsehen und Radio sowie die amtliche Nachrichtenagentur Télam privatisieren.
Am 10. Dezember wird Milei offiziell sein Amt als argentinischer Präsident antreten, die Amtszeit dauert vier Jahre. Er wird den Posten vom seit 2019 amtierenden mitte-links-gerichteten Staatschef Alberto Fernández übernehmen.
Wahlkampf in sozialen Netzwerken
Milei hatte im Wahlkampf vor allem mit populistischen Parolen für Furore gesorgt. So erklärte der 53-Jährige mit den wilden Haaren und auffälligen Koteletten, er wolle die Zentralbank abschaffen, die öffentlichen Ausgaben "mit der Kettensäge" kürzen und den argentinischen Peso durch den Dollar ersetzen. Argentiniens neugewählter Präsident ist zudem gegen Abtreibung und Sexualkundeunterricht und leugnet den menschengemachten Klimawandel.
Einen Großteil seines Wahlkampfs hatte Milei in den sozialen Netzwerken geführt und mit seinen Themen auch die junge Wählerschaft erreicht. Die Wahlbeteiligung bei der Stichwahl lag bei 76 Prozent. Mileis Konkurrent Massa war für das mitte-links-gerichtete Regierungslager angetreten, das die argentinische Politik seit Jahrzehnten dominierte. Im ersten Wahlgang vor knapp einem Monat hatte er noch sieben Prozentpunkte Vorsprung auf Milei.
Argentiniens neugewählter Präsident Milei ist gegen Abtreibung, Sexualkundeunterricht und leugnet den menschengemachten Klimawandel.
Glückwünsche und eine Forderung nach Entschuldigung
Der linke Präsident von Argentiniens Nachbarland Brasilien, Lula Inácio Lula da Silva, wünschte im Onlinedienst X (vormals Twitter) der neuen argentinischen Regierung "viel Glück und Erfolg". Lula da Silva nannte Milei nicht mit Namen. Das könnte daran liegen, dass er von ihm in der Vergangenheit als "wütenden Kommunisten" beschimpft worden war. Brasiliens Minister für Soziale Kommunikation, Paulo Pimenta, forderte Milei auf, sich bei Lula da Silva zu entschuldigen. Danach werden man über gemeinsame Gespräche nachdenken.
Glückwünsche kamen auch aus den Nachbarländern Chile und Paraguay. US-Außenminister Antony Blinken gratulierte Milei ebenfalls zum Wahlsieg und äußerte seine Zufriedenheit über die "hohe Wahlbeteiligung". Washington werde mit Mileis Regierung an "gemeinsamen Prioritäten" arbeiten.
EU-Ratspräsident Charles Michel schrieb im Onlinedienst X: "Argentinien ist ein enger Partner der Europäischen Union. Ein Sprecher von Bundeskanzler Olaf Scholz sagte in Berlin, die Bundesregierung sei "hoffnungsvoll", auch künftig "in fruchtvollen bilateralen und multilateralen Beziehungen" zu stehen.
Beifall von Trump, Bolsonaro und Musk
Beifall zum Wahlsieg kam auch von den ehemaligen rechtspopulistischen Präsidenten Brasiliens und der USA, Jair Bolsonaro und Donald Trump, mit denen Milei immer wieder verglichen wurde. "Ich bin stolz auf dich", schrieb Trump in seinem Onlinenetzwerk Truth Social und ergänzte: "Du wirst dein Land verändern und aus Argentinien wieder ein großes Land machen."
Bolsonaro erklärte, durch Mileis Sieg leuchte wieder Hoffnung in Südamerika. Elon Musk, Unternehmer und Eigentümer des sozialen Netzwerks X, twitterte: "Der Wohlstand kommt nach Argentinien".
Milei fehlt eine Mehrheit im Parlament
Nach Ansicht der meisten Experten ist indes völlig offen, wie der neue argentinische Präsident sich nach seinem Wahlsieg verhalten wird. Die meisten seiner Wahlkampfversprechen erscheinen demnach als unrealistisch, weil Milei die zur Umsetzung nötige Mehrheit im Parlament fehlt.
Dabei steht Argentinien vor gewaltigen Herausforderungen: Die drittgrößte Volkswirtschaft Lateinamerikas steckt in der schlimmsten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten, die jährliche Inflation liegt derzeit bei 143 Prozent, mehr als ein Drittel der knapp 47 Millionen Menschen leben unter der Armutsgrenze.
Özdemir warnt vor Folgen für Handelsabkommen
Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat in einer Stellungnahme Hoffnungen auf eine gute Zusammenarbeit mit der neuen Regierung geäußert. "Wir freuen uns, fortan eng mit ihm und seiner Regierung zusammenzuarbeiten, um einen starken Plan zum Schutz der makroökonomischen Stabilität und zur Stärkung eines inklusiven Wachstums für alle Argentinier zu entwickeln und umzusetzen", erklärte IWF-Chefin Kristalina Georgiewa.
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir warnte indes vor den Folgen für das geplante EU-Handelsabkommen mit den Mercosur-Staaten. "Das Umfeld wird schwieriger", sagte Özdemir am Rande eines Landwirtschaftsministertreffens in Brüssel. Der Populismus steige in Lateinamerika wie in Europa. Die Argentinien-Wahl zeige, "dass wir uns beeilen müssen", sagte Özdemir weiter. "Wenn wir als Europäische Union uns nicht kümmern um Brasilien, um die Mercosur-Staaten, um den Regenwald dort, dann werden es andere machen, mit einer anderen Agenda", betonte er.
Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell drängte zur Eile. Die Europäer wollten zusammen mit Argentinien "positive Ergebnisse für unsere Gesellschaften erzielen", erklärte der Spanier. Dafür müssten die Verhandlungen über das Mercosur-Abkommen "so schnell wie möglich abgeschlossen" werden, forderte er.