Tunesien Oppositionspolitiker Ghannouchi in Haft
Er gilt als der schärfste Kritiker von Tunesiens Präsident Saied: Nun ist der Chef der islamischen Ennahda-Partei, Ghannouchi, in Haft genommen worden. Damit verschärft sich die politische Krise im Land weiter.
Der führende tunesische Oppositionspolitiker und Vorsitzende der islamischen Ennahda-Partei, Rached Ghannouchi, ist nach seiner Festnahme in Haft genommen worden. Ghannouchis Anwalt sagte einem privaten Radiosender, ein Untersuchungsrichter habe den Haftbefehl erlassen. Demnach sei die Inhaftierung des Chefs der islamistischen Partei nach neun Stunden Verhör wegen angeblicher Anstiftung zum Bürgerkrieg angeordnet worden.
Ghannouchi hatte zuvor gesagt, Tunesien drohe ein Bürgerkrieg, wenn linke oder aus dem politischen Islam im Land hervorgegangene Parteien wie seine Ennahda ausgelöscht werden. Das Innenministerium bestätigte Medien zufolge, dass die Festnahme Ghannouchis mit dieser Äußerung in Verbindung steht.
Ennahda-Partei kritisiert "ungerechte Entscheidung"
In ihrer Stellungnahme bestritt die Ennahda-Partei, zu einem Bürgerkrieg aufgerufen zu haben. Die Oppositionspartei "verurteilt diese ungerechte Entscheidung zutiefst".
Die Inhaftierung des 81-Jährigen solle "das katastrophale Scheitern" der Regierung verschleiern, "die Wirtschafts- und Lebensbedingungen der Bürger zu verbessern", hieß es. Ghannouchi habe gegen die Diktatur und für Freiheit und Demokratie gekämpft.
Mehrere Ennahda-Büros geschlossen
Sicherheitskräfte hatten den bekannten Oppositionspolitiker und weitere Parteimitglieder Anfang der Woche festgenommen. Sie schlossen zudem mehrere Ennahda-Büros.
Präsident Kais Saied hatte in den vergangenen Monaten etliche Kritiker festnehmen lassen, darunter Oppositionelle, Aktivisten und Richter. Ihnen werden etwa Korruption und "Verschwörung gegen die Staatssicherheit" vorgeworfen. Auch mehrere Ennahda-Mitglieder sind betroffen.
Saied führte umstrittene Verfassung ein
Der Präsident sicherte sich in den vergangenen Jahren immer mehr Macht in dem nordafrikanischen Land mit zwölf Millionen Einwohnern. Er löste dafür im Vorjahr auch das Parlament auf, dessen stärkste Kraft die Ennahda war. Die Macht der als moderat geltenden Islamisten wurde dadurch erheblich beschnitten.
Saied ließ später eine neue, deutlich geschwächte Volksvertretung wählen. Der Staatschef führte außerdem eine umstrittene neue Verfassung ein, dank der er auch eigenmächtig Richter ernennen und entlassen darf.