Hintergründe des Konflikts Machtkampf der Rivalen
Seit Tagen dauern die schweren Kämpfe im Sudan an - und ein Ende ist nicht in Sicht. Wer steht sich in dem Konflikt gegenüber? Und welche Folgen hat die Eskalation für die Bevölkerung? Die wichtigsten Fragen im Überblick.
Worum geht es in dem Konflikt?
In dem Konflikt stehen sich die Soldaten der regulären sudanesischen Armee und die paramilitärische Gruppe "Rapid Support Forces" (RSF) gegenüber. Es geht um die Macht im Sicherheitsapparat - und damit letztlich um den Einfluss auf den Sudan insgesamt sowie die Kontrolle von Ressourcen wie Gold. So kontrollieren die Sicherheitskräfte im Sudan große Teile der Wirtschaft.
Laut der Politikwissenschaftlerin Bassma Kodmani haben die Spannungen auch nach dem Sturz des Langzeitherrschers Omar al-Baschir im Jahr 2019 nicht geändert.
Warum ist der Konflikt jetzt eskaliert?
2021 haben Armee und RSF geputscht und eine aus Zivilisten und Militärs zusammengesetzte Übergangsregierung abgesetzt. Seitdem wird das Land von dem sogenannten Übergangsrat kontrolliert. An dessen Spitze steht der Kommandeur der regulären Streitkräfte, General Abdul Fattah al-Burhan. Sein Stellvertreter - und nun auch Widersacher - ist der Oberbefehlshaber der RSF-Paramilitärs, Mohamed Hamdan Daglo, genannt "Hemeti".
In der vergangenen Woche war eine Frist verstrichen, um einen Plan vorzulegen, wie das Land zur Demokratie zurückkehren könnte. Voraussetzung dafür sollte die Integration der RSF in die Strukturen der nationalen Armee sein. Das war laut Medienberichten bis zuletzt einer der großen Streitpunkte bei den Gesprächen.
Wie ist die aktuelle Lage im Sudan?
Seit Samstag liefern sich die Armee und die RSF schwere Kämpfe, die sich laut Medien hauptsächlich auf die Hauptstadt Khartum konzentrieren. Doch auch aus anderen Teilen des Landes werden Kämpfe gemeldet: etwa in der Hafenstadt Port Sudan am Roten Meer und in der Stadt Merowe, die über einen wichtigen Flughafen verfügt. Bislang zeigt sich keine der Konfliktparteien verhandlungsbereit.
Angaben aus der Konfliktregion lassen sich nur schwer von unabhängiger Seite überprüfen, auch die Zahlen zu Todesopfern und Verletzten schwanken. Den Vereinten Nationen zufolge wurden bislang mindestens 185 Menschen getötet und 1800 verletzt. Das Zentralkomitee der sudanesischen Ärzte bezifferte zuvor die Zahl der getöteten Zivilisten auf mindestens 97, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtete. Mehr als 360 Menschen seien verletzt worden. Hinzu kommen demnach wahrscheinlich noch Opfer aus den Reihen der Armee und RSF.
Wer sind die "Rapid Support Forces"?
Die Einheit geht auf die Dschandschawid-Miliz zurück, die im Darfur-Krieg aufseiten der sudanesischen Regierung gegen die Rebellion nicht arabischer Sudanesen gekämpft hatte. Der Miliz, die damals schon unter dem Kommando von Daglo stand, werden schwere Menschenrechtsverbrechen wie ethnische "Säuberungen" vorgeworfen. Die Einheit hat Saudi-Arabien auch Söldner für den Krieg im Jemen gestellt.
Im Jahr 2013 gründete der damalige Machthaber al-Baschir aus ihr die RSF-Spezialeinheit. Damit wollte er sich unter anderem gegen mögliche Konkurrenz aus dem Militärapparat absichern. Der jetzige Befehlshaber Daglo war einst Kamelhändler und stieg in der Dschandschawid-Miliz schnell auf. Inzwischen setzt er seine Truppen auch für seine persönlichen wirtschaftlichen Interessen ein. So eroberten sie im Jahr 2017 die lukrativste Goldmine im Land, was "Hemeti" zu einem der größten Goldhändler und -exporteure gemacht hat.
Was sind die Folgen der Kämpfe für die Bevölkerung?
Die humanitäre Hilfe ist von dem Machtkampf der Generäle beeinträchtigt. Das UN-Welternährungsprogramm (WFP) musste seine Arbeit wegen der Sicherheitslage vorerst stoppen. Dabei haben nach Angaben der Vereinten Nationen etwa 15 Millionen Sudanesinnen und Sudanesen nicht genug zu essen.
Der Konflikt ist zudem ein weiterer Rückschlag für die Demokratiebewegung im Sudan. Seit dem Sturz al-Baschirs kämpft die Zivilgesellschaft gegen die Macht der Generäle und für eine Demokratisierung des Landes. Bei Protesten wurden Dutzende Menschen getötet.
Droht jetzt ein Bürgerkrieg im Sudan?
International und auch im Land wächst die Sorge vor einer weiteren Eskalation. Je länger die Kämpfe anhalten, desto mehr bestehe die Gefahr, dass sie sich zu einem Bürgerkrieg ausweiteten, warnt etwa der Horn-von-Afrika-Direktor der Denkfabrik "Crisis Group", Alan Boswell. Auch der Sudan-Experte Suliman Baldo hält das für möglich. Bereits jetzt werde deutlich, dass beide Generäle lokale Unterstützer hätten, sagte der Direktor des Instituts "Sudan Transparency and Policy Tracker" dem britischen Sender BBC. Wegen der engen Beziehungen könnten ihm zufolge die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien eine wichtige Rolle bei Vermittlungen spielen.