Nach Militärputsch in Niger General ernennt sich zu neuem Machthaber
Am Donnerstag stellte sich das nigrische Militär auf die Seite der Putschisten - jetzt hat sich der Chef der Präsidentengarde als neuer Machthaber präsentiert. Ob General Tchiani den Rückhalt der gesamten Armee hat, ist aber unklar.
Der Chef der Präsidentengarde im Niger, General Omar Tchiani, hat sich selbst zum Präsidenten des Nationalen Rats und damit zum neuen Machthaber des Landes ernannt. Tchiani äußerte sich im nationalen Fernsehen - zwei Tage, nachdem Offiziere der Präsidentengarde, einer Eliteeinheit des Militärs, den demokratisch gewählten Präsidenten Mohamed Bazoum in seinem Palast festgesetzt und für entmachtet erklärt hatten.
Das Land müsse seinen Kurs ändern, um einen allmählichen und unvermeidlichen Untergang zu verhindern. Deshalb hätten er und andere beschlossen zu intervenieren, so Tchiani. Er ist General des Heeres und wurde von Bazoums Vorgänger Mahamadou Issoufou nach dessen Amtsübernahme 2011 an die Spitze der Präsidentengarde befördert. Ob Tchiani den Rückhalt der gesamten Armee hat, ist noch unklar.
Verfassung ausgesetzt - staatliche Institutionen aufgelöst
Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass sich der abgesetzte Präsident Bazoum in seinem Haus aufhält. Die Chefin des UN-Entwicklungsprogramms UNDP, Nicole Kouassi, sagte, "Er scheint in seinem Haus zu sein, und es scheint ihm gut zu gehen." Zum Militär habe ihr Büro bislang keinen Kontakt gehabt.
Die Streitkräfte Nigers hatten sich am Donnerstag auf die Seite der rebellierenden Militärs gestellt. Die Putschisten warnten ausländische Staaten davor, militärisch einzugreifen und erklärten die Verfassung für ausgesetzt. Die Institutionen des Staates seien aufgelöst, sagte Oberst Amadou Abdramane im Fernsehen.
Scharfe Kritik an den Putschisten
International gab es scharfe Kritik an den Putschisten. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sicherte ihrem nigrischen Amtskollegen Hassoumi Massoudou am Donnerstag telefonisch die "volle Unterstützung" Deutschlands für die demokratische Entwicklung in dem westafrikanischen Land zu.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell rief die Putschisten erneut zur sofortigen Freilassung des Präsidenten auf und drohte mit einem dauerhaften Stopp der Hilfszahlungen. "Die EU verurteilt den Putsch im Niger auf das Schärfste."
Auch die russische Regierung rief die Putschisten auf, Bazoum freizulassen. "Es ist nötig, die verfassungsmäßige Ordnung im Niger wiederherzustellen", sagte Außenminister Sergej Lawrow am Donnerstag im Fernsehen. "Wir sind der Auffassung, dass der Putsch verfassungswidrig ist und wir beziehen dazu immer eine prinzipienfeste und klare Position."
Bazoum wichtiger Verbündeter des Westens
Bazoum ist ein wichtiger Verbündeter des Westens im Kampf gegen islamische Extremisten. Russland baut seinerseits seinen Einfluss in Afrika aus, unter anderem über die Wagner-Söldnertruppe, die etwa in Mali aktiv ist, wo sie im Gegenzug für Bodenschätze für Sicherheit sorgt. Auch in Burkina Faso fasst Wagner langsam Fuß.
Nach Militärputschen in Mali und Burkina Faso seit 2020 war der Niger das letzte der drei Nachbarländer in der Sahelzone, das von einer demokratisch gewählten Regierung geführt wurde.
Erst Ende 2022 hatte die EU eine Militärmission in Niger beschlossen, um den Terrorismus in der Region zu bekämpfen. Der Niger ist in den vergangenen Jahren in den Mittelpunkt der westlichen Bemühungen gerückt, dem gewaltsamen Vormarsch der Dschihadisten in Westafrika und auch dem wachsenden militärischen Einfluss Russlands entgegenzuwirken. Auch rund 100 deutsche Soldaten sind in dem Land, die auf einem Lufttransportstützpunkt in Niamey arbeiten.
Pistorius: "Keine Gefahr für Bundeswehrsoldaten"
Die Bundesregierung hat laut Verteidigungsminister Boris Pistorius noch kein klares Bild, was der Militärputsch für die rund 100 dort stationieren Soldaten der Bundeswehr bedeutet. Dem "Spiegel" sagte der SPD-Politiker, die Lage sei dynamisch, "so ist zum Beispiel noch nicht klar, wie sich die Führung in der Zukunft zum Engagement der westlichen Partner aufstellen wird".
Derzeit arbeite die Bundesregierung unter Hochdruck daran, die Lage zu klären. In Gesprächen mit der nigrischen Seite werde man verdeutlichen, dass sich unsere Kräfte aus den inner-nigrischen Angelegenheiten heraushalten. Oberste Priorität habe die Sicherheit der Bundeswehrangehörigen. Derzeit bestehe aber offenbar keine akute Gefahr für die am Flughafen in Niamey stationierten Soldaten. Dies sei das Ergebnis eines Gesprächs mit dem Leiter des Lufttransportstützpunktes.
"Totalversagen der Ampelkoalition"
Unionsfraktionsvize Johann Wadephul warf der Bundesregierung ein außenpolitisches "Totalversagen" vor. Der "Stuttgarter Zeitung" sagte der CDU-Politiker, der "letzte Pfeiler der deutschen und europäischen Sahel-Politik" scheine mit dem Staatsstreich weggebrochen zu sein. Die Ampelkoalition laufe den Entwicklungen in der Region konzeptlos hinterher.