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Putsch in Niger Soldaten verkünden Machtübernahme der Armee

Stand: 27.07.2023 01:34 Uhr

In Niger hat es offenbar einen Militärputsch gegeben. Präsident Bazoum sei seines Amtes enthoben, sagte eine Gruppe von Soldaten im nationalen Fernsehen. Die Grenzen des Landes seien geschlossen, eine landesweite Ausgangssperre verhängt.

Im westafrikanischen Niger ist es offenbar zu einem Militärputsch gekommen. Präsident Mohamed Bazoum sei seines Amtes enthoben worden, teilte eine Gruppe von Soldaten mit, die am späten Mittwoch im nationalen Fernsehsender RTN auftraten. Stunden zuvor waren Bazoum und seine Frau im Präsidentenpalast festgesetzt worden, wie es aus Regierungskreisen hieß.

Oberst Amadou Abdramane, der bei seiner Fernsehansprache von neun weiteren Beamten in Kampfanzügen flankiert wurde, erklärte, die Verteidigungs- und Sicherheitskräfte hätten beschlossen, dass "dem Regime, das Sie kennen", ein Ende gesetzt werden solle, aufgrund der sich verschlechternden Sicherheitslage "und der schlechten Regierungsführung". Abdramane sprach von einem "Nationalen Rat für die Rettung des Vaterlandes", der die Macht übernommen habe. Offen ist, ob die Soldaten für die ganze Armee sprachen.

Die Luft- und Landesgrenzen seien geschlossen, eine landesweite Ausgangssperre von 22 Uhr bis 5 Uhr verhängt und alle Institutionen der Republik "bis auf Weiteres" suspendiert worden. Die Soldaten warnten vor einer ausländischen Intervention.

Karte: Niger, Mali, Burkina Faso

US-Regierung fordert Bazoums Freilassung

Am Mittwochmorgen hatte die Präsidentengarde, eine Eliteeinheit der Armee, den seit 2021 amtierenden demokratisch gewählten Präsidenten Bazoum in seinem Palast in der Hauptstadt Niamey festgesetzt und den Zugang zum Palast und mehreren Ministerien gesperrt.

Auf dem Twitter-Konto des Präsidentenbüros hieß es, Angehörige der Präsidentengarde hätten sich an einer "antirepublikanischen Demonstration" beteiligt und sich vergeblich um Unterstützung von anderen Sicherheitskräften bemüht. In dem Tweet drohte Bazoum, Nationalgarde und Armee würden eingreifen, sollten die Putschisten nicht aufgeben.

Die US-Regierung legte aber nahe, dass Bazoum in der Hand von Putschisten war: "Besonders fordern wir Elemente der Präsidentengarde auf, Präsident Bazoum freizulassen und von Gewalt abzusehen", sagte der nationale Sicherheitsberater im Weißen Haus, Jake Sullivan.

Am Abend erklärte US-Außenminister Antony Blinken, er habe in einem Telefonat mit Bazoum "die unerschütterliche Unterstützung der Vereinigten Staaten zum Ausdruck gebracht". Blinken betonte auch, "dass die starke Wirtschafts- und Sicherheitspartnerschaft der USA mit Niger von der Fortsetzung der demokratischen Regierungsführung und der Achtung der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte abhängt".

Schüsse auf Demonstranten

In den abendlichen Fernsehnachrichten des staatlichen Rundfunks hatte zuvor ein Moderator berichtet, dass in der Hauptstadt ein Putschversuch im Gange sei und die Lage unübersichtlich sei.

Die Straßen rund um den Präsidentenpalast und Ministerien in der Hauptstadt Niamey waren abgeriegelt. Am Abend marschierten Hunderte Demonstranten durchs Zentrum und skandierten "Kein Putsch". Als Schüsse auf sie abgegeben wurden, flüchteten die Demonstranten, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AP beobachten konnte. Die Schüsse schienen aus dem Präsidentenpalast zu kommen.

Guterres ruft zur Zurückhaltung auf

Die westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas teilte mit, sie verurteile den Versuch einer "gewaltsamen Machtergreifung". Als Ecowas-Gesandter wurde der Präsident von Benin, Patrice Talon, in den Niger entsandt. Man werde alles tun, um die verfassungsmäßige Ordnung wiederherzustellen, sagte Talon. Die Afrikanische Union rief die Bürger Nigers und alle Afrikaner auf, den Putschversuch deutlich zu verurteilen. UN-Generalsekretär António Guterres mahnte alle Seiten zur Zurückhaltung, wie sein Sprecher Stéphane Dujarric mitteilte.

Den Informationen der EU zufolge liefen am Abend Verhandlungen mit den Meuterern. Zudem sollte nach Gesprächen mit anderen Staatschefs der Region eine Delegation aus Nigeria im Niger eintreffen. Nach Angaben von EU-Diplomaten haben Borrell und EU-Ratspräsident Charles Michel am Mittwoch zweimal mit Bazoum gesprochen. Er war demnach bis zuletzt mit seiner Familie in seiner Residenz.

Bazoum war vor zwei Jahren zum Präsidenten gewählt worden. Es war der erste friedliche Machtwechsel in Niger seit der Unabhängigkeit von Frankreich im Jahr 1960. In dem westafrikanischen Staat hatte es in der Vergangenheit vier Staatsstreiche gegeben. Ein Putschversuch wurde kurz vor dem Amtsantritt Bazoums vereitelt.

Ein Umsturz in dem westafrikanischen Land hätte weitreichende Folgen. Das Dreiländereck Mali, Burkina Faso und Niger ist in den vergangenen Jahren zu einer der gefährlichsten Regionen der Welt geworden. Militante islamistische Rebellen breiten sich ausgehend vom Norden Malis seit 2012 in der Region aus. Nach Militärputschen in Mali und Burkina Faso ist der Niger das letzte der drei Nachbarländer in der Sahelzone, das von einer demokratisch gewählten Regierung geführt wird.

EU-Mission mit deutscher Beteiligung

Die Bundeswehr unterhält auf dem Flughafen von Niamey seit zehn Jahren ein Logistik-Drehkreuz für den UN-Blauhelmeinsatz in Mali. Dafür sind aktuell nach Ministeriumsangaben "um die hundert" deutsche Soldaten vor Ort. Der Stützpunkt ist auch für den laufenden Abzug der Bundeswehr aus dem benachbarten Mali wichtig.

Erst Ende vorigen Jahres hatte die EU die Militärmission EUMPM Niger beschlossen, um den Terrorismus in der Region zu bekämpfen und die nigrischen Streitkräfte bei einem Kapazitätsaufbau zu unterstützen. Eine Beteiligung an Kampfeinsätzen ist ausdrücklich ausgeschlossen. Der Bundestag hatte im Frühjahr grünes Licht für die Beteiligung deutscher Soldaten an der Mission gegeben.

Mit Informationen von Dunja Sadaqi, ARD-Studio Rabat

Dunja Sadaqi, ARD Rabat, tagesschau, 27.07.2023 06:07 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 27. Juli 2023 um 07:21 Uhr.