Militärputsch in Niger EU will ECOWAS-Sanktionen unterstützen
Nach dem Sturz der demokratisch gewählten Regierung im Niger stellt sich die EU an die Seite der westafrikanischen Staatengemeinschaft ECOWAS. Der abgesetzte Premier warnte eindringlich vor möglichen Folgen für die Bevölkerung.
Die EU begrüßt die Drohungen und Sanktionen der westafrikanischen Staatengemeinschaft ECOWAS gegen die neuen Machthaber im Niger. "Die Europäische Union unterstützt alle Maßnahmen, die die ECOWAS als Reaktion auf den Staatsstreich ergriffen hat und wird sie rasch und entschlossen fördern", erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell.
Borrell zufolge bleibt der demokratisch gewählte Präsident Mohamed Bazoum das einzige legitime nigrische Staatsoberhaupt. Jede andere Autorität könne nicht anerkannt werden. Bazoum müsse unverzüglich und bedingungslos freigelassen werden und seine Ämter wiederbekommen, forderte der Außenbeauftragte.
Die ECOWAS hatte die Putschisten gestern ebenfalls dazu aufgefordert, Bazoum innerhalb einer Woche wieder in sein Amt einzusetzen - andernfalls drohe Gewalt. Außerdem verhängten die Länder Sanktionen gegen den Niger, unter anderem eine Wirtschaftsblockade. Während einer Dringlichkeitssitzung in der nigerianischen Hauptstadt Abuja drohte ECOWAS zudem die juristische Verfolgung der Militärjunta an.
Die "Economic Community of West African States" (ECOWAS) ist ein Staatenbündnis von 15 westafrikanischen Ländern: Benin, Burkina Faso, Elfenbeinküste, Gambia, Ghana, Guinea, Guinea-Bissau, Kap Verde, Liberia, Mali, Niger, Nigeria, Senegal, Sierra Leone und Togo. Gegründet wurde das Bündnis 1975.
EU droht mit Vergeltungsmaßnahmen
Am vergangenen Mittwoch hatten Offiziere von General Omar Tchianis Eliteeinheit Bazoum festgesetzt und für entmachtet erklärt. Tchiani ernannte sich zum neuen Machthaber. Tausende Befürworter der Putschbewegung protestierten gestern teils gewaltsam vor der französische Botschaft. Sie wurden unter Einsatz von Tränengas auseinandergetrieben.
Die EU drohte danach für den Fall von Angriffen auf diplomatische Einrichtungen und deren Personal mit Vergeltungsmaßnahmen. Verantwortliche würden für ihre Taten verantwortlich gemacht, warnte Borrell. Die Europäische Union verwahre sich gegen jegliche Anschuldigung, sich unrechtmäßig einzumischen. Es gehe darum, dass der bei Wahlen zum Ausdruck gebrachte Wille des nigrischen Volkes respektiert werde.
EU-Chefdiplomat Borrell machte die Putschisten in Niger für Angriffe auf Diplomaten und diplomatische Einrichtungen verantwortlich.
Putschisten werfen Frankreich Einmischung vor
Den Vorwurf der Einmischung hatte die Militärjunta gegenüber der früheren Kolonialmacht Frankreich geäußert. Paris wolle zur Wiedereinsetzung Bazoums militärisch eingreifen, hieß es in einer im Fernsehen verlesenen Erklärung. Die ehemalige Kolonialmacht sei von Ex-Außenminister Hassoumi Massoudou ermächtigt worden, Bazoum zu befreien, erklärte Armeeoberst Amadou Abdramane.
Nach den gestrigen Demonstrationen vor der französischen Botschaft kündigte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron eine "sofortige und unerbittliche Reaktion" seines Landes an, sollten französische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger oder Interessen seines Landes im Niger angegriffen werden.
Niger war vor dem Putsch einer der letzten Verbündeten Frankreichs in der Region und wichtiger Lieferant für Uran, das für die Stromproduktion in den französischen Atomkraftwerken gebraucht wird. Über 30 Prozent des Urans, das Frankreich für seine Atommeiler braucht, bezieht es aus Niger.
Sorge vor Konsequenzen für Bevölkerung
Mit großer Sorge blickte der vom Militär abgesetzte nigrische Premierminister Ouhoumoudou Mahamadou auf die Situation der Bevölkerung in seinem Land: Er warnte vor den möglichen Folgen der verhängten Sanktionen. So könnten die finanziellen Sanktionen der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS zu einer Katastrophe für die Bevölkerung im Niger führen, sagte er dem französischen Nachrichtensender RFI.
Die Schließung der Land- und Luftgrenzen sei ebenfalls extrem problematisch. Das Land hat keinen Zugang zum Meer und ist auf Importe aus den Nachbarländern wie Nigeria angewiesen. Zudem sei der Haushaltsplan der Regierung stark von internationalen Zuschüssen und Zahlungen abhängig, etwa von der Weltbank, sagte Mahamadou. Sollten diese in der zweiten Jahreshälfte wegen möglicher Finanzsanktionen nicht mehr ausgezahlt werden, könne der Niger seinen Haushalt nicht finanzieren.
Deutschland setzt bilaterale Entwicklungszusammenarbeit aus
Die Situation für die Bevölkerung könnte sich zudem zuspitzen: Deutschland will zunächst die zwischenstaatliche Entwicklungshilfe für das westafrikanische Land stoppen. "Wir haben als Entwicklungsministerium (BMZ) bereits letzte Woche alle Zahlungen an die Regierung von Niger eingestellt. Heute Morgen wurde außerdem entschieden, die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit auszusetzen", sagte eine Sprecherin des Entwicklungsministeriums.
Für die Deutschen in Niger habe die Bundesregierung nach dem Militärputsch bisher keine Evakuierungspläne aktiviert. Das Auswärtige Amt gehe davon aus, dass sich eine hohe zweistellige Zahl deutscher Staatsbürgerinnen und Staatsbürger in dem Land aufhalte, die nicht für die Bundeswehr oder das Botschaft arbeiteten, sagte ein Sprecher des Ministeriums. "Die Lageeinschätzung ist derzeit so, dass das noch nicht notwendig ist", sagte er Sprecher zum Thema Evakuierungen. Der Krisenstab der Bundesregierung berate erneut.
Mit Informationen von Jean-Marie Magro, ARD-Studio Nordwestafrika