Männer im Jemen spielen Domino.
reportage

Krieg im Nahen Osten Warum mehr Jemeniten die Huthi unterstützen

Stand: 23.01.2024 17:04 Uhr

Im Süden des Jemen stehen viele den Huthi eher feindlich gegenüber. Doch deren Angriffe im Roten Meer sehen sie häufig positiv. Bringt der Konflikt das bürgerkriegsgeplagte Land zusammen?

Die Sonne steht tief. Es ist Nachmittag in der jemenitischen Stadt Shibam, 16 Uhr. Das Licht lässt die beige-weißen Hochhäuser erstrahlen. Majestätisch ragen dicht an dicht gebaute Wolkenkratzer aus Lehm gen Himmel. Im Schatten der spektakulären Skyline spielen Kinder Fußball im Sand. Die Szenerie wirkt friedlich - der Krieg, der seit neun Jahren im Jemen andauert, scheint für einen Moment ganz weit weg zu sein.

Vor dem Stadttor weht eine große Fahne im Wind: rot-weiß-schwarz, dazu ein hellblaues Dreieck mit einem roten Stern. Es ist die südjemenitische Flagge. Ein Zeichen, dass sich einige militante Gruppierungen, die in Shibam das Sagen haben, gerne abspalten würden vom Norden des Landes, dem Gebiet, das die aufständischen Huthi kontrollieren.

Mohammed Faisal

Mohammed Faisal klagt, dass keine Touristen mehr nach Shibam kämen.

Shibam liegt im Hadramaut, eine Region, in der die Menschen den Huthi seit Jahren eher feindselig gegenüberstehen. Doch in diesen Tagen überdenken einige ihre Haltung, auch Mohammed Faisal. Er ist Touristenführer und stöhnt. Wegen des Krieges besuchten kaum noch ausländische Touristen die engen Gassen des UNESCO-Weltkulturerbes, klagt er: "Die Lage ist verheerend, die Familien leiden seit Beginn des Krieges extrem. Und es mangelt an Geld, um unsere Häuser zu renovieren."

Imam predigt Durchhalten an die Huthi

500 Kilometer weiter westlich liegt die Altstadt von Sanaa, ebenfalls Weltkulturerbe. Seit 2014 herrschen dort die Huthi. Hassan Abdallah sitzt in einer kleinen Moschee der Hauptstadt. Er ist Anhänger der Huthi und zählt sich zu den Zaiditen, einer schiitischen Gruppierung mit eigener theologischer Lehre. Die Besucher der Moschee respektieren Abdallah, nennen ihn Scheich.

Hassan Abdallah

Hassan Abdallah ist ein erklärter Unterstützer der Huthi.

Ein Prediger schwört die Huthi-Anhänger ein, nicht zurückzustecken - trotz der Luftschläge des US-Militärs und ihrer Verbündeten. Nach dem Gebet äußert sich auch Abdallah forsch. "Die US-Angriffe werden uns nicht beeinträchtigen. Wir sind widerstandsfähig und haben (im Krieg gegen Saudi-Arabien, Anmerkung der Redaktion) neun Jahre lang Luftschläge überstanden. Sie haben uns noch stärker gemacht."

Seit dem 7. Oktober - dem Tag des Überfalls der palästinensischen Hamas-Terroristen auf Israel - geht Abdallah immer freitags nach dem Gebet demonstrieren. Wie jeder Huthi, der als aufrechter Unterstützer seiner Gruppierung wahrgenommen werden will, muss auch Abdallah auf die Straße. Zehntausende Huthi-Anhänger solidarisieren sich mit den Menschen in Gaza und skandieren gegen Israel und die USA. Die Botschaft, die die Huthi aus der Bergregion im Norden des Jemen in die Welt senden wollen: "Wir lassen uns nicht einschüchtern, auch nicht von Großmächten."

Karte: Jemen, Israel und das Rote Meer

Prestigegewinn im arabischen Raum

Seit knapp zwei Wochen fliegen wieder Bomben auf den Jemen. Die von den USA angeführte Militärkoalition im Roten Meer zielt auf Stellungen der Huthi. Diese wiederum machen keinerlei Anstalten, ihre Attacken auf Handelsschiffe rund um die Meerenge Bab-El-Mandab einzustellen. Von den USA werden die Huthi deshalb nun wieder als Terrororganisation gelistet, im arabischen Raum haben sie dagegen als militanter Gegner des engsten Verbündeten Israels, den USA, an Prestige gewonnen.

Eines ihrer Ziele: den Handel rund um den israelischen Hafen Eilat lahmlegen. Ihr Kalkül: sich als Beschützer der palästinensischen Sache feiern lassen. Die Huthi knüpfen den Krieg im Gazastreifen eng an den Konflikt im Roten Meer, erklärt Analyst Hisham Al-Omeisy: "Die Huthi fordern einen Waffenstillstand in Gaza als Bedingung, um mit ihren Attacken im Roten Meer aufzuhören. Vorübergehend könnten sie etwas zurückhaltender agieren, dauerhaft werden sie aber eine Gefahr bleiben."

Sympathie mit Palästinensern

In Shibam ist die Sonne mittlerweile untergegangen. Mohammed Faisal, der Touristenführer, spielt seit Stunden mit seinen Freunden Domino in einem Straßencafé. Sie diskutieren über Politik, Faisal klopft auf das Dominobrett und meint, der Jemen sei ein Spielbrett ausländischer Mächte. Die Männer um ihn herum nicken.

Im aktuellen Konflikt gegen die USA sympathisieren sie nun sogar mit den Huthi, ihren alten Feinden. Die palästinensische Sache sei größer, meint Faisal: "Wir haben das gleiche Blut. Wir sympathisieren mit ihnen, es ist kein Angriff auf ein Land, sondern auf die gesamte arabische-islamische Welt."

Dass der Nahostkonflikt die Kriegsparteien im Jemen jedoch wirklich zusammenschweißt, daran glaubt kaum jemand. Die Huthi hätten andere Interessen als die Menschen in Shibam, nur für den Moment stehe man gemeinsam auf Seiten der Palästinenser, so der Tenor der Dominospieler. So friedlich die Szenerie um sie am Abend scheint - von einem wirklichem Frieden im Jemen ist das Land weiter weit enfernt.

Auch Gegner der Huthi im Jemen für Angriff auf Handelsschiffe zum Schaden Israels

Ramin Sina, ARD Kairo, tagesthemen, 22.01.2024 21:45 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 22. Januar 2024 um 21:45 Uhr.