Radioaktiver Abfall Warum die Suche nach Atommüll-Lagern so lange dauert
Bis 2080 werden rund 10.500 Tonnen hochradioaktiver Abfall anfallen, so Experten. Wo der Müll gelagert werden kann, ist noch nicht geklärt. Welche Möglichkeiten werden gerade diskutiert?
Die Schachtanlage Asse II - geplant war sie als "Versuchsendlager" - hier liegen in 13 Kammern rund 126.000 Fässer mit schwach- und mittelradioaktiven Abfällen. Vor etwa 50 Jahren wurden sie hier eingelagert. Ende Mai gab das niedersächsische Umweltministerium bekannt, dass wahrscheinlich "täglich mehrere Kubikmeter Salzlösung in tiefere Bereiche des Grubengebäudes" liefen. Dort lagert der überwiegende Teil der radioaktiven Abfälle.
Eigentlich sollten die Fässer laut einem Beschluss des Bundestages von 2013 längst aus dem Bergwerk geborgen werden, was bisher aber nicht geschah. Auch wenn das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) mitteilte, dass die Flüssigkeit mit dem Atommüll aktuell nicht in Kontakt komme, verdeutlicht das einmal mehr die Gefahren, die bei der Lagerung entstehen können.
Auch im Bundestag war die Suche nach einem Endlager für Atommüll heute Thema. Der Umweltausschuss informierte über den aktuellen Stand.
Wie funktioniert die Endlagersuche für den Atommüll?
Neben der gefährdeten Asse II, bei der die Abfälle geborgen werden müssen, gibt es für mittel bis schwach radioaktive Abfälle bereits Lagerstätten - nämlich das stillgelegte Endlager Morsleben und das noch im Bau befindliche Endlager Konrad. Experten rechnen jedoch damit, dass bis 2080 zum weiteren schwächer radioaktiven Müll vor allem rund 10.500 Tonnen hochradioaktiver Abfall aus Brennelementen anfallen werden. Und dafür steht noch kein Lager bereit. Wie Horst Geckeis vom Institut für Nukleare Entsorgung am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) erklärt, habe sich auch durch den verzögerten Ausstieg aus der Atomkraft an diesen Größenordnungen nichts geändert.
Die Suche nach einem Endlager für diese besonders risikobehafteten Mengen an Atommüll wird vom BASE geleitet. Das BASE prüft die Ergebnisse der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), die die geologischen Untersuchungen durchführt, und stellt der Regierung dann Entscheidungsgrundlagen zur Verfügung.
Dabei gliedert sich die Suche in drei Phasen: In der ersten Phase werden potenzielle Standorte ausgewählt. Oberirdische Vor-Ort-Untersuchungen, zum Beispiel seismische Messungen, finden in der zweiten Phase statt. Die verbleibenden Standorte werden schließlich unter anderem durch Bohrungen unterirdisch genauer bewertet - das schließt die dritte Phase ab. Derzeit befindet sich das Ganze noch in Phase eins. 54 Prozent des Bundesgebiets sind noch in der Auswahl. Erste Arbeitsstände sollen im Herbst 2024 veröffentlicht werden, sagt Sven Petersen von der BGE, der auch die Bürgerbeteiligung in jedem Schritt hervorhebt.
Isoliertes Atommüll-Endlager
Eine Million Jahre soll das am Ende ausgewählte Endlager sicher abgeschirmt überdauern können - aufgrund der sehr langen Halbwertszeiten der Spaltprodukte im Atommüll. Ein Endlager muss daher mehrere Bedingungen erfüllen: So soll es in etwa 300 Metern Tiefe liegen und von einer etwa 100 Meter starken Gesteinsschicht umgeben sein.
Laut Hans Keppler, dem Leiter des Bayerischen Geoinstituts an der Universität Bayreuth, ist das Hauptproblem die Abschirmung von Wasser. Ohne sie könne es zur Kontamination des Grundwassers kommen. Abgesehen davon muss das Gestein Wärme ableiten können, und es muss genügend Abstand zu Wohngebieten vorherrschen.
Geeignete Wirtsgesteine sind dabei unter anderem Salz, Ton und Kristallin, also etwa Granit, wobei jedes Material spezifische Vor- und Nachteile aufweist. Keppler bestätigt das: "Die Franzosen haben ihre Lager jetzt wahrscheinlich in Ton. Schweden hat es in Granit, aber sorgfältig auf Rissbildung geprüft. Die USA haben es ursprünglich in einem relativ jungen Vulkangestein versucht." Man müsse sich das also immer im Detail lokal anschauen.
Alternativen für die Atommüll-Entsorgung
Neben der geologischen Lagerung wurden im Laufe der letzten Jahrzehnte alternative Entsorgungsmethoden diskutiert. Vor 40 Jahren schon hatten US-Wissenschaftler beispielsweise die Idee, den Atommüll ins Zentrum des Sonnensystems zu schießen. Doch das würde Billionen kosten. Zudem birgt ein Fehlstart erhebliche Risiken. KIT-Forscher Geckeis betont, dass die tiefengeologische Lagerung nach wie vor das Höchstmaß an Sicherheit liefere.
Recycling oder Transmutation
Auch Recycling von radioaktivem Abfall ist immer wieder ein Thema. In Frankreich zum Beispiel gibt es entsprechende Anlagen, in La Hague an der Küste der Normandie. "Hier holt man einen großen Teil der Materialien, die noch als Wertstoff betrachtet werden, also Uran und Plutonium, aus diesen Abfällen wieder heraus und nimmt nur die Spaltprodukte, die dann verglast werden, und führt die dann der Endlagerung zu", sagt Geckeis. Bei der Verglasung werden die verbleibenden Spaltstoffe in flüssigem Glas gebunden. Für das Endprodukt, die Glaskokille, ist also auch wieder ein Endlager gefragt. Umweltschutzorganisationen kritisieren diese Wiederaufbereitungsmethoden als irreführend.
Einen Schritt weiter geht die sogenannte Transmutation, die es laut Geckeis weltweit jedoch nur in Ansätzen gibt. Bei der Transmutation in Leistungsreaktoren könnte aus den Restprodukten in Theorie sogar noch Energie gewonnen werden, und zwar während der Wiederaufbereitung. Bereits 2016 jedoch sprach sich die Kommission für die Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe unter anderem aufgrund zu hoher Kosten gegen die Methode aus - und sowieso ist Transmutation vor dem Hintergrund des Atomausstiegs kaum realistisch.
Feststehen wird der Standort für ein Endlager im besten Fall bis 2046. Die Entscheidung könnte sich aber sogar bis 2068 hinziehen.