Süßstoffe Leuchtspur in Umwelt und Trinkwasser
Zuckerersatzstoffe in Getränken und Lebensmitteln versprechen einen süßen Geschmack ohne Kalorien. Doch viele können nur schlecht im Abwasser abgebaut werden - und gelangen so in die Umwelt und unser Trinkwasser.
Cola, Puddings, Kaugummi - Süßstoffe gibt es überall. Immer wieder gibt es Zweifel, ob das so gut für die Gesundheit ist. So warnte die Weltgesundheitsorganisation WHO im vergangenen Jahr davor, sie bei Diäten einzusetzen. Dass Süßstoffe aber auch schlecht für die Umwelt sein könnten, ist vermutlich weniger Menschen bewusst.
Der Wasserversorger und Betreiber der Stadtentwässerung "Hamburg Wasser" sieht die Stoffe beispielsweise kritisch. 2018 und 2022 hat das Unternehmen Kampagnen gefahren, um für einen Verzicht auf Süßstoffe zu werben. Vor allem auf solche, die nicht biologisch abbaubar sind.
Denn so, wie Süßstoffe für den Menschen keine Kalorien haben, weil wir sie in unserem Körper nicht abbauen können, können viele dieser Stoffe auch nicht von Mikroorganismen zersetzt werden.
Süßstoffe landen wieder im Trinkwasser
Das betrifft dann wiederum auch uns Menschen, erklärt der Umweltwissenschaftler Thilo Hofmann von der Universität Wien. "Jetzt beginnt ein interessanter Kreislauf. In vielen Städten in Deutschland, aber auch weltweit, wird Flusswasser verwendet, um es in den Untergrund zu infiltrieren, dann als Grundwasser wieder zu fördern und in die Trinkwasserleitung einzuspeisen", sagt er.
Das sei zum Beispiel im gesamten Ruhrgebiet und auch in Städten wie Berlin der Fall. Letztendlich kommen so Stoffe, die nicht aus dem Abwasser entfernt werden, auch wieder in unserem Trinkwasser an. Das gilt auch für künstliche Süßungsmittel.
Anreicherung über Generationen
Die Konzentrationen im Trinkwasser und auch im Abwasser sind dabei bisher sehr, sehr gering. Schaden können die Süßstoffe in diesen Mengen weder Menschen noch Tieren, so die aktuelle Studienlage. Umweltwissenschaftler Hofmann ist da allerdings trotzdem kritisch: "Bei vielen Stoffen wird erst mal gesagt: Das ist sicher, das macht nichts. Und später stellt man doch fest, dass sie eine Auswirkung haben", sagt er.
Dazu kommt: Werden die Süßstoffe nicht abgebaut, reichern sie sich an. Und könnten so für zukünftige Generationen doch zum Problem werden. Denn für viele Wasserorganismen sind hohe Konzentrationen von Süßstoffen schädlich.
Darauf versuche die Kampagne von "Hamburg Wasser" hinzuweisen, sagt Ingo Hannemann, Technischer Geschäftsführer: "Das Entscheidende ist, dass diese Stoffe einfach nicht in die Umwelt gehören. Die würden sich dann letzten Endes irgendwann im Ozean anreichern, weil das Wasser der Flüsse, auch der Elbe, irgendwann in der Nordsee landet." Langfristig würde das auch hier zu immer mehr Süßstoffen führen.
Leuchtspur im Wasser
Dass die Stoffe so schlecht von Mikroorganismen abgebaut werden, dokumentiert auch ein Forschungsansatz von Wissenschaftler Hofmann und seinen Kolleginnen und Kollegen. Sie haben in einer Studie den Süßstoff Acesulfam K als sogenannten Tracer eingesetzt. "Ich habe das mal Leuchtspur genannt, weil sie eine Spur von dem Abwasser ins Trinkwasser haben. Sie können also mit so einem Stoff bewerten, wie groß eigentlich der Abwasseranteil in unserem Trinkwasser ist", sagt Hofmann. Süßstoffe können so auch ein Indikator für andere unerwünschte Stoffe, zum Beispiel Rückstände von Medikamenten, sein.
In der Studie stellte sich auch heraus, dass die Süßstoffe im Grundwasser dabei nicht nur direkt aus Lebensmitteln und Getränken stammten. Denn die Substanzen werden auch in der Tiermast eingesetzt. Ferkel beispielsweise bekommen Ersatzmilch mit Süßstoffen, um sie schneller von der Muttermilch zu entwöhnen. "In unserer Studie haben wir einige Grundwassermessstellen in der Nähe von Schweinezuchtbetrieben beobachtet, wo wir ganz extrem erhöhte Konzentrationen und Süßstoffe im Grundwasser nachgewiesen haben", so Hofmann.
Aufruf zum Verzicht
"Hamburg Wasser" plädiert deshalb für ein Umdenken von Konsumentinnen und Konsumenten, aber insbesondere auch der Industrie: "Wenn es doch gut abbaubare Stoffe, zum Beispiel Stevia, gibt, dann könnten die Hersteller ja auch solche Präparate nutzen", sagt Geschäftsführer Hannemann.
Thilo Hofmann von der Universität Wien findet allerdings auch diesen Ansatz nicht weitreichend genug. "Ich würde den Schritt weitergehen und sagen: Auch das ist kein vernünftiger Ersatz. Besser ist es, so weit, wie es geht, Süßstoffe ganz aus der Ernährung herauszunehmen." Besonders für Kinder findet er sie problematisch. Denn so würden Kinder schon an einen besonders süßen Geschmack gewöhnt, ohne dass es einen Vorteil für die Gesundheit gäbe. "Bei Kindern, würde ich fast so weit gehen, sollte man es eigentlich verbieten", sagt Hofmann.