Folgen des Klimawandels "Größte Naturkatastrophe in Deutschland"
Hitzetote, Dürren, Waldbrände, Ernteausfälle: Der Klimawandel hat unmittelbare Folgen auch für Deutschland, warnt das Umweltbundesamt. Auch die UN machen Druck: Die Staaten hinken beim Klimaschutz hinterher.
Die Deutschen bekommen die Folgen des Klimawandels immer deutlicher zu spüren - bei der Gesundheit, beim Wetter und in der Wirtschaft. Zu diesem Ergebnis kommt der aktuelle Monitoring-Bericht, den das Umweltbundesamt in Zusammenarbeit mit rund 30 Bundes- und Landesbehörden sowie mit Universitäten und Fachverbänden erarbeitet hat.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze nannte die Ergebnisse des Berichts "alarmierend": "Die Folgen des Klimawandels treten immer deutlicher zu Tage."
Allem voran führt der Klimawandel laut Studie zu einer anhaltenden Erhöhung der durchschnittlichen Temperatur in Deutschland. Im Zeitraum von 1881 bis 2018 sei sie um 1,5 Grad Celsius angestiegen, allein in den vergangenen fünf Jahren um 0,3 Grad Celsius. Auch die Anzahl der sogenannten heißen Tage, an denen die Temperatur über 30 Grad Celsius ansteigt, hat zugenommen: Waren es 1951 noch drei Tage pro Jahr, gibt es mittlerweile im Durchschnitt zehn solcher Tage jährlich.
Mehr Todesfälle durch Hitze
Die Folgen wirken sich auf die Gesundheit der Bevölkerung aus. So nimmt bei hohen Temperaturen etwa der Pollenflug zu, was Allergikern und Asthmatikern schadet. Drastischer jedoch ist die Schlussfolgerung der Studie, dass mehr Hitzetage die Sterblichkeitsrate ansteigen lassen: Demnach sind im Jahr 2003 rund 7500 Menschen mehr gestorben als ohne Hitzeperiode zu erwarten gewesen wäre. In den Jahren 2006 und 2015 gab es jeweils 6000 zusätzliche Todesfälle.
Doch die höhere Lufttemperatur erhöht auch das Risiko von Extremwetter. Die durchschnittliche Oberflächentemperatur der Nordsee nimmt zu - die Folgen: Es drohen häufiger Sturmfluten und die Küstenerosion nimmt zu. Auch extreme Wetterlagen wie Starkregen oder Hitzeperioden könnten künftig öfter vorkommen, schließt sich die Präsidentin des Umweltbundesamtes, Maria Krautzberger, den Prognosen des Monitoring-Berichts an. Wetterlagen, die ebenfalls Todesfälle mit sich bringen könnten.
"Es geht nicht nur um Gletscher und Eisbären"
Wirtschaftlich gesehen bringt der Klimawandel finanzielle Einbußen mit sich: Ernteausfälle drohen ebenso wie schwere Waldbrände. Niedrige Wasserstände, wie im vergangenen Jahr beispielsweise bei Elbe und Rhein, führen zu eingeschränktem Schiffsverkehr und Warentransport, außerdem drohen Probleme bei der Trinkwasserversorgung.
"Beim Klimaschutz geht es eben nicht nur um Gletscher und Eisbären, es geht auch um unsere Lebensgrundlagen hier in Deutschland", fasste Ministerin Schulze die Ergebnisse des Berichts zusammen und forderte konkrete Auswirkungen auf den Alltag. Bei Infrastruktur- oder Bauprojekten etwa müsste der Schutz vor extremen Wetterlagen und Hitzeperioden bedacht werden.
"Das ist die größte Naturkatastrophe in Deutschland, die wir in den letzten 50 Jahren hatten", hieß es von Präsidentin Krautzberger. Auch sie forderte eine bessere Vorsorge gegen den Klimawandel, beispielsweise durch ein von Bund und Ländern getragenes Sonderprogramm Klimavorsorge.
Besser gegen den Klimawandel wappnen, mehr für den Umweltschutz tun - diese Ziele hat sich auch die Große Koalition gesetzt. Erst vor rund anderthalb Wochen beschloss das Bundeskabinett das Klimapaket, das unter anderem mehr Elektromobilität und weniger CO2-Ausstoß fördern soll. Doch trotz der Beschlüsse hinkt Deutschland seinen Klimazielen hinterher. Bis zum kommenden Jahr hatte die Bundesrepublik ihren CO2-Ausstoß im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent senken wollen. Doch derzeit liegt die Prognose bei gerade einmal rund 30 Prozent.
UN-Staaten hinken Klimazielen hinterher
Doch Deutschland ist nicht das einzige Land mit Aufholbedarf, wie das UN-Umweltprogramm UNEP in einer aktuellen Studie kritisiert. Alle Staaten, die sich 2015 dem Pariser Klimaabkommen verpflichtet hatten, müssten ihre Bemühungen gegen den Klimawandel deutlich verstärken.
Kurzer Rückblick: 2015 kamen in Paris Vertreter aus mehr als 200 Ländern zusammen und vereinbarten das Klimaabkommen. Der Kernpunkt des Abkommens, dass im November 2016 in Kraft trat, bildete ein gesetztes Limit der Erderwärmung um 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter.
Doch laut der UNEP-Studie droht die Durchschnittstemperatur bis zum Ende dieses Jahrhunderts gegenüber vorindustrieller Zeit um bis zu 3,9 Grad anzusteigen - gut zwei Grad mehr als im Abkommen vereinbart.
Mehr Treibhausgase statt Reduzierung
Der Hauptgrund liegt aus Sicht der UN in dem nach wie vor zu hohen CO2-Ausstoß, hauptsächlich in den G20-Staaten. Die klimaschädlichen Emissionen müssten zwischen 2020 und 2030 jährlich um 7,6 Prozent sinken, um die Erderwärmung wie angestrebt einzugrenzen. Doch stattdessen seien die Treibhausgasemissionen im ablaufenden Jahrzehnt bislang jährlich um 1,5 Prozent angestiegen. Vergangenes Jahr sei gar ein "Rekordhoch" von 55,3 Gigatonnen CO2-Äquivalent erreicht worden.
Um den Klimawandel effektiver zu bekämpfen, müssten nun alle handeln, forderten die UN - jede Stadt, jede Region, jedes Unternehmen und jeder Mensch. Die Bevölkerung ihren "ökologischen Fußabdruck" durch Veränderungen im Alltag den Anforderungen des Klimawandels anpassen. Und die Staaten müssten aufgrund "unser gemeinsames Versagen, frühzeitig und entschlossen gegen den Klimawandel vorzugehen", "drastische Kürzungen der Emissionen" durchsetzen.
Ab Anfang Dezember beraten die UN-Mitglieder auf der Klimakonferenz in Madrid über Wege für einen besseren Klimaschutz.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version hieß es, dass das 2015 in Paris vereinbarte Ziel, die Erderwärumg auf 1,5 Grad zu begrenzen, um ein Grad von der Berechnung der Unep-Studie abweicht. Das ist falsch, die Differenz beträgt mehr als zwei Grad.