Monarch-Trauben

Klimawandel Piwi-Rebsorten statt Spätburgunder oder Dornfelder

Stand: 01.09.2024 08:20 Uhr

Nasse Sommer wie dieser sorgen in Weinbergen für massiven Pilzbefall. Einige Betriebe setzen auf Piwi-Reben, widerstandsfähigere Neuzüchtungen. Sie könnten in der Weinwelt künftig eine wichtigere Rolle spielen.

Von Dominik Bartoschek, SWR

Dicht an dicht hängen die Trauben an den Reben. Sie sind dunkelblau gefärbt und schmecken bereits erstaunlich süß, stellt Winzer Martin Koch zufrieden fest. Nur noch wenige Wochen, dann kann er hier in seinem Weinberg im rheinhessischen Hügelland mit der Lese beginnen.

Die Rebsorte, die hier wächst, zählt aber nicht zu den typischen Rotweinsorten des Anbaugebiets, wie Spätburgunder oder Dornfelder. Sondern sie heißt Monarch. Eine von mehreren Piwi-Sorten, die Winzer Martin Koch vom Weingut Abthof in Hahnheim im Landkreis Mainz-Bingen anbaut. "Zukunftsreben" nennt er sie auch. Auf 40 Prozent seiner Rebfläche wachsen sie, damit zählt er zu den Vorreitern der deutschen Piwi-Szene.

In diesem nassen Sommer hat sich das für ihn ausgezahlt. Denn er musste viel seltener mit Traktor und Spritzfass raus in die Weinberge: "Die neuen Zukunftsreben sind wir zwei- oder dreimal gefahren. Bei den klassischen Rebsorten dagegen war es wesentlich öfter nötig, da ist man bei zehnmal, bei zwölfmal."

Martin Koch

Winzer Martin Koch baut bereits Piwi-Sorten an. In diesem Sommer musste er seltener mit dem Traktor und Pflanzenschutzmittel in die Weinberge.

Neue und robustere Rebsorten

Piwis - das steht als Abkürzung für zahlreiche neue Rebsorten, die pilzwiderstandsfähig sind. Sie heißen zum Beispiel Souvignier Gris, Cabernet Blanc oder Sauvignac. Sie sind gezielt so gezüchtet, dass sie natürliche Abwehrkräfte gegen Pilzkrankheiten haben. Das macht sie zwar nicht komplett resistent, aber äußerst robust. Deshalb brauchen sie laut Deutschem Weininstitut (DWI) bis zu 80 Prozent weniger Pflanzenschutzmittel als traditionelle Sorten.

Dieser Unterschied macht sich besonders bemerkbar in einem Sommer wie diesem, in dem ein Regengebiet auf das nächste folgte. Denn Nässe und Wärme bedeuteten ideales Wachstumswetter für Pilzkrankheiten, wie den Falschen und den Echten Mehltau. Von "enormem Pilzdruck im Weinberg" hatte Christian Schwörer, Generalsekretär des Deutschen Weinbauverbandes, kürzlich der dpa berichtet.

Biobetriebe haben nur wenige Mittel gegen Pilzkrankheiten

Betriebe, die traditionelle Rebsorten wie Riesling oder Grauburgunder anbauen, mussten deshalb in den zurückliegenden Wochen immer wieder in die Weinberge fahren, um zu spritzen. Besonders herausfordernd war das für Bio-Betriebe. Denn sie haben nur wenige zugelassene Mittel gegen Pilzkrankheiten zur Verfügung, und weil diese vom Regen leicht abgewaschen werden, mussten sie in kurzen Abständen immer wieder ausgebracht werden.

"Gerade in Süddeutschland, in den Anbaugebieten Württemberg und Baden, mussten Betriebe bis zu 18-mal für den Pflanzenschutz in den Weinberg fahren. Sie mussten wirklich die maximale Aufwandmenge der Pflanzenschutzmittel ausreizen, und hatten trotzdem nicht zu hundert Prozent gesunde Weinberge", berichtet Vincent Hürter vom Bio-Anbauverband Ecovin. "Das ist für die Winzerinnen und Winzer sowohl psychisch als auch physisch sehr belastend, dass sie nach jedem Regen wieder auf den Traktor mussten."

Wie nachhaltiger Weinanbau gelingen kann

Dagegen kamen die Piwis gesund durch den Sommer, mussten nur selten gespritzt werden. Damit haben sie gezeigt: Sie halten, was ihr Name verspricht. "Die Situation ist für alle, die sich damit auskennen, nicht überraschend. Aber ein Jahr wie dieses macht den Unterscheid eben nochmal deutlicher," sagt dazu Andreas Dilger, Vorsitzender von Piwi-Deutschland, einem Verein zur Förderung der Piwis.

Für Winzer Koch jedenfalls zeigt dieser Sommer überdeutlich: Soll der Weinbau nachhaltiger werden, dann führt an den Piwis kein Weg vorbei: "Wenn die Natur uns doch dies Abwehrkraft schenkt, warum sollten wir dieses Potential dann einfach links liegen lassen?" Auch Hürter von Ecovin sieht den klaren Vorteil der Piwis, gerade im Bio-Weinbau: Denn sie sparen den Betrieben nicht nur Geld und Arbeitszeit, sondern schonen Klima, Umwelt und Boden: "Häufige Traktorfahrten durch den Weinberg auf nassem Boden bedeutet: Man verdichtet den Boden und verbrennt Diesel. Das sind ja alles Sachen, die wir im Ökoweinbau nicht so gerne sehen."

Blick in einen Weinberg

Noch liegt der Anteil der Piwis an der gesamten deutschen Rebfläche laut DWI aktuell bei gerade mal drei Prozent. Sommer wie diese könnten zu einem Umdenken in der Weinbranche führen.

Sommer wie diese könnten den Piwi-Anbau beschleunigen

Trotzdem liegt der Anteil der Piwis an der gesamten deutschen Rebfläche laut DWI aktuell bei gerade mal ca. drei Prozent. Die Frage ist jetzt: Könnte der Sommer 2024 zu einem Umdenken in der Weinbranche führen, weg von Spätburgunder und Riesling, hin zu Monarch und Souvignier Gris?

Vincent Hürter zumindest glaubt, "dass durch die Erfahrung mit diesem Sommer jetzt viele Betriebe vermehrt auf pilzwiderstandsfähige Sorten setzen werden." DWI-Sprecher Ernst Büscher sagt dazu: "Ein Jahr wie dieses könnte der Entwicklung der Piwis einen Schub geben." Den sieht auch Dilger von Piwi-Deutschland: "Auch 2021 war ein schwieriges Jahr, in dem viel Pflanzenschutz nötig war. Auch danach gab es einen Schub für die Piwis." In zehn Jahren könnten die Piwis einen Anteil an der gesamtdeutschen Rebfläche haben, der "irgendwo zwischen fünf und 15 Prozent" liegt, so Dilger.

Das glaubt auch Winzer Koch, er registriert im Kollegenkreis ein wachsendes Interesse an den Piwis. Und er will mit seinen Weinen dafür sorgen, dass sie auch bei den Weintrinkerinnen und -trinkern bekannter werden, und ihnen zeigen, dass es die neuen Sorten auch geschmacklich längst mit den traditionellen Rebsorten aufnehmen können.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete SWR Kultur am Morgen am 22.08.2024 um 8:23 Uhr