Biodiversitätsziel Wie streng sind Naturschutzgebiete geschützt?
Deutschland will bis 2030 mindestens 30 Prozent der Land- und Meeresflächen unter Naturschutz stellen. Formal ist das Ziel bereits erfüllt - allerdings gibt es sehr unterschiedliche Definitionen.
Für Tiere und Pflanzen gibt es in Deutschland eine große Bandbreite an verschiedenen Schutzgebieten: Naturparks, Vogelschutzgebiete, Biosphärenreservate, Nationalparks. Alle haben unterschiedliche Ziele. So kann die Kategorie "Naturdenkmäler" im Einzelfall auch bedeuten, dass nur einzelne Bäume geschützt werden, und "Naturparks" darf man sogar landwirtschaftlich nutzen.
Das auf der Weltnaturkonferenz im vergangenen Dezember festgelegte Ziel, 30 Prozent der Erdoberfläche zu schützen, wird in Deutschland schon jetzt erreicht, wie das Bundesumweltministerium (BMUV) auf Nachfrage schreibt. Das gilt allerdings nur, wenn man die Schutzgebiete aller Kategorien zusammenrechnet.
Mehr Qualität in den Schutzgebieten
Insgesamt stehen so fast 40 Prozent der Landfläche in Deutschland unter Schutz und sogar 45 Prozent der Meeresfläche. Umweltschützer allerdings kritisieren, dass momentan in vielen Schutzgebieten die Lebensräume von Tieren und Pflanzen zerschnitten werden, wodurch es schwerer für sie wird, zu überleben.
Das betrifft auch neue Bauvorhaben, zum Beispiel, wenn sie dem Ausbau des Nahverkehrs dienen. Dann nämlich wird mit Klimaschutz argumentiert, der dem Naturschutz lokal betrachtet entgegenstehe.
Gebiete besser miteinander vernetzen
Auch das Bundesumweltministerium will sich zukünftig dafür einsetzen, dass die geschützten Flächen besser miteinander vernetzt werden. "Wir werden bei der Umsetzung der Beschlüsse der Weltnaturkonferenz bei uns in Deutschland einen klaren Schwerpunkt auf die qualitative Fortentwicklung unserer bestehenden Schutzgebiete legen", sagt eine Sprecherin. Dies solle durch ein besseres Management geschehen, das noch stärker auf gute Erhaltungszustände und die Resilienz der Ökosysteme abziele.
Das fordern auch Fachleute wie Magnus Wessel vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND e.V.). Besonders Gebote und Regeln müssten in den Gebieten besser durchgesetzt werden. Denn obwohl es auf dem Papier so aussieht, als habe Naturschutz einen hohen Stellenwert, leidet die Artenvielfalt in Deutschland trotzdem. Das zeigen verschiedene Studien der vergangenen Jahre etwa zum Insektensterben und zur geringen genetischen Vielfalt bei Rotwild.
Nur sieben Prozent streng geschützt
Wirklich streng geschützt sind in Deutschland nämlich nur zwei Kategorien an Schutzgebieten. Streng geschützt bedeutet konkret, dass der Naturschutz über den Bedürfnissen des Menschen steht. Das gilt in Nationalparks, deren Flächenanteil bei nur 0,6 Prozent liegt, und in Naturschutzgebieten. Sie machen laut Bundesamt für Naturschutz 6,3 Prozent der Fläche in Deutschland aus.
Dort ist die landwirtschaftliche Nutzung untersagt, Spaziergänger dürfen kein Feuer machen und müssen auf den ausgezeichneten Wegen bleiben. Die anderweitige Nutzung dieser Gebiete ist nur dann erlaubt, wenn sie dem Schutzziel nicht entgegensteht. Deshalb ist Bauen dort weitestgehend untersagt. Generell soll hier nicht in die Natur eingegriffen werden, um den Lebensraum der darin wildlebenden Pflanzen- und Tierarten zu gewährleisten.
Gebiete mit geringerem Schutzstatus
Diese Absicherung hat aber zum Beispiel in Biosphärenreservaten, die ebenfalls als Schutzgebiete deklariert sind, einen viel geringeren Stellenwert. Sie sind als Modellregionen für das Zusammenleben von Mensch und Natur gedacht. So wird in Regionen wie der "Flusslandschaft Elbe", der Rhön und dem "Pfälzerwald-Nordvogesen" Tourismus und nachhaltiges Wirtschaften gefördert. Und Gebiete, die als Landschaftsschutzgebiete ausgezeichnet sind, dürfen zwar nicht neu bebaut werden, aber Landwirte dürfen dort häufig sogar konventionell düngen.
Internationale Unterschiede
Man müsse in Deutschland allerdings im Blick behalten, dass es ein sehr dicht besiedeltes Industrieland sei, sagt der Leiter des Projektes "Neues Hamburger Naturkundemuseums" am Leibniz-Institut, Matthias Glaubrecht. Dadurch sei es schwierig, große Flächen streng zu schützen.
Doch auch er fordert, dass Deutschland die Artenvielfalt in den bereits geschützten Bereichen wirklich gewährleistet. Glaubrecht sieht Deutschland auch international in der Verantwortung. Staaten des Globalen Nordens sollten Gelder in Nationen des Globalen Südens geben: "In diesen Ländern ist die Biodiversität sehr viel größer und auch noch erhalten. Wir müssen helfen, dass das in Zukunft auch so bleibt."