Eisrückgang in der Antarktis Wie der Klimawandel Kaiserpinguine bedroht
Bis Ende des Jahrhunderts könnten 90 Prozent der Kaiserpinguin-Kolonien ausgestorben sein. Schon bei der letzten Brut starben Tausende Küken, da ihnen das Eis unter den Füßen wegschmolz, sagen britische Polarforscher.
Kaiserpinguine sind bei der Brut auf stabiles Festeis angewiesen - Meereis, das mit dem antarktischen Festland im Süden verbunden ist und so Wind und Strömungen standhält. Denn frisch geschlüpfte Kaiserpinguin-Küken sind noch alles andere als hochseetauglich: Ihre grauen Daunen sind nicht wasserfest. Schmilzt ihnen das Eis unter den Füßen weg, bevor sie sich eine dicke Fettschicht und ein wasserfestes Federkleid zugelegt haben, haben sie kaum Chancen zu überleben.
Doch durch den Klimawandel schmilzt das Festeis und damit der sichere Brutplatz der Kaiserpinguine dahin. Die Konsequenz: Ein Massensterben der Jungtiere. Das haben britische Polarforscher vergangenes Jahr beobachtet. Ihre Ergebnisse haben sie vor kurzem in der Fachzeitschrift "Communications Earth & Environment" veröffentlicht. Es ist der erste dokumentierte großflächige Brutausfall, der direkt mit der Meereisschmelze zusammenhängt.
Besonderes Brutverhalten
Kaiserpinguine sind die einzigen Vögel, die im Winter brüten. Denn die Küken brauchen den gesamten Frühling und Sommer, um flügge zu werden - das liegt an der Rekordgröße der Pinguine: Ausgewachsene Tiere werden über einen Meter groß. Für die lange Brut und Aufzucht begeben sie sich in Lebensgefahr.
Zur Brutzeit pilgern die Pinguin-Gruppen kilometerweit in Richtung Südpol - weg vom offenen Meer und ihrer Nahrungsquelle. Sobald die Weibchen die Eier gelegt haben, machen sie sich erschöpft auf den Weg zurück in Richtung Meer, wo sie sich mit frischem Fisch stärken können.
Die Tiere brüten in großen Kolonien. Doch viele dieser Gemeinschaften sind akut bedroht.
Väter brüten Eier aus
Es sind die Pinguin-Männchen, die die Eier dann wochenlang unter ihrem dicken Bauchgefieder auf den Füßen ausbrüten - eine kräftezehrende Zeit des Hungerns und des Ausharrens. Die Pinguin-Väter verlieren dabei gut ein Drittel ihres Körpergewichts. Um weniger Energie zu verlieren, kuscheln sich die Pinguin-Männchen im Winter zu Hunderten aneinander.
Sobald die kleinen Kaiserpinguine nach rund 60 Tagen geschlüpft sind, werden sie von ihren Vätern mit einer milchartigen Flüssigkeit ernährt. Dann kommen auch die Pinguin-Weibchen vom offenen Meer zurück und bringen ihrem Nachwuchs den ersten frischen Fisch.
Das Besondere: Die Paare erkennen sich an den Stimmen wieder und auch das Küken prägt sich die Rufe seiner Eltern ein. Jetzt werden die Rollen getauscht: Das Männchen schiebt das Küken über das Eis, damit es die Mutter unter ihrem Rumpf weiter wärmen kann. Doch das muss schnell gehen: Bereits zwei Minuten in der klirrenden Kälte können für das Küken tödlich sein.
Der Flaum der Babys ist noch nicht wasserabweisend.
Bestand geht drastisch zurück
Dieses lebensgefährliche Unterfangen bestreiten jährlich Dutzende Kaiserpinguin-Kolonien. Immer wieder werden neue Kolonien entdeckt - viele dank Satellitenaufnahmen. Anfang des Jahres stieg die Zahl der bekannten Kolonien auf 66.
Die Satellitendaten zeigen aber auch: Viele Kolonien schrumpfen dramatisch. Eine der größten Kolonien wird seit den 1980er-Jahren beobachtet. Ihr Bestand sank seither von 500.000 Pinguin-Paaren auf nur noch rund 60.000 Paare im Jahr 2018.
In vier von fünf Kolonien starben alle Küken
Vergangenes Jahr haben Forschende des britischen Instituts für Polarforschung fünf Kaiserpinguin-Kolonien aus der Ferne beobachtet, die in der antarktischen Bellingshausensee brüteten. Die Satellitenbilder zeigten: Diese Region war vergangenes Jahr am stärksten von der Meereisschmelze betroffen. Bereits sehr früh im Sommer was das komplette Eis verschwunden - lange bevor die Küken flügge wurden. Die Konsequenz: In vier der fünf Kolonien hat kein einziges Jungtier überlebt. Die Forschenden vermuten, dass das Eis bereits geschmolzen war, bevor die Küken ein wasserdichtes Gefieder ausbilden konnten.
"Küken, die ins Wasser gehen, werden wahrscheinlich ertrinken", sagt Studien-Hauptautor Peter Fretwell. "Und wenn sie es schaffen, wieder herauszukommen, werden sie wahrscheinlich erfrieren. Wenn es ihnen gelingt, auf den Eisschollen zu bleiben, gehen wir davon aus, dass die meisten von ihnen abdriften und verhungern, weil ihre Eltern sie nicht mehr finden."
90 Prozent der Kolonien könnten aussterben
Diese Ergebnisse untermauern die Vorhersage, dass bis zum Ende des Jahrhunderts 90 Prozent der Kolonien aussterben könnten. In der Antarktis sind bereits mehrere Pinguinkolonien komplett verschwunden, weil das Meereis unter ihren Brutstätten überraschend aufgebrochen ist. Die jüngsten Beobachtungen zeigen nun: Dieses Schicksal könnte zukünftig immer mehr Kolonien drohen.
Kaiserpinguine konnten sich zwar in der Vergangenheit an den Verlust des Meereises anpassen, indem sie im Folgejahr zum Brüten an stabilere Orte zogen. Diese Strategie versagt aber, wenn das Meereis in einer ganzen Region betroffen ist - so wie vergangenes Jahr in der Bellingshausensee.
Klimawandel verändert den antarktischen Lebensraum massiv
Zwar können die Beobachtungen aus dem vergangenen Extremjahr nicht direkt auf die Zukunft übertragen werden. Doch die Klimatendenz zeigt: Das antarktische Eis wird vermutlich weiter zurückgehen. Auch im August 2023, als in der Antarktis eisiger Winter herrschte und die Kaiserpinguine wieder brüteten, lag die Ausdehnung des Meereises für diese Zeit des Jahres wieder auf einem Rekordtief. Es bleibt nur zu hoffen, dass auch dieses Jahr wieder zumindest in manchen Kolonien die Küken überleben können, damit die Kaiserpinguine langfristig erhalten bleiben.