Projekte in der Nordsee Chancen und Risiken der CO2-Speicherung
Kohlendioxid im Meeresboden speichern - das ist laut Weltklimarat ein wichtiger Baustein, um die Erderwärmung zu mindern. Klaus Wallmann, Experte für marine Geologie, hat untersucht, wie sicher die Technik ist.
tagesschau.de: Carbon Capture and Storage, kurz CCS, ist in Deutschland noch verboten. Inzwischen denkt die Politik aber wieder darüber nach. Warum?
Klaus Wallmann: Es gibt eine ganze Reihe von Studien in Deutschland, die sich mit der Frage auseinandersetzen, wie wir eigentlich klimaneutral werden können bis 2045. Die kommen alle zu dem Schluss, dass wir auch CCS brauchen werden. Der Beitrag wird nicht besonders groß sein - es geht um fünf bis zehn Prozent der Emissionen, die wir anders nicht vermeiden können. Und dafür werden wir wahrscheinlich CCS brauchen.
tagesschau.de: Die Technik klingt kompliziert. Wie kann man CO2 im Meeresboden lagern?
Wallmann: An Industrieanlagen, etwa Zementwerken oder Müllverbrennungsanlagen, fängt man das CO2 am Schornstein auf und trennt es ab. Dann wird es verflüssigt, unter Druck gesetzt und per Pipeline Offshore transportiert. Dort wird es über eine Bohrung etwa zwei Kilometer tief unter den Meeresboden in Sandsteinschichten verpresst.
Klaus Wallmann leitet die Forschungseinheit Marine Geosysteme am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. Er erforscht unter anderem die Auswirkung der CO2-Speicherung auf marine Ökosysteme.
CO2 da hinbringen, wo es herkommt
tagesschau.de: Es gibt Projekte in Norwegen und jetzt auch in Dänemark. Gibt es in der Nordsee unterschiedliche Verfahren?
Wallmann: Die Geologie in der Nordsee ist überall ähnlich. Es geht immer um tiefe Sandsteinschichten unter dem Meer. Das sind dieselben Schichten, aus denen wir auch Öl und Gas gefördert haben. Deswegen ist es als Geowissenschaftler eine naheliegende Idee zu sagen: Wir bringen das CO2 wieder dahin zurück, wo wir es hergeholt haben.
tagesschau.de: Wie muss man sich das vorstellen, wie kommt das Kohlendioxid in bestehende Hohlräume?
Wallmann: Da unten sind keine Kavernen, also große Hohlräume, sondern man verpresst das CO2 in den mikroskopisch kleinen Porenraum zwischen einzelnen Sandkörnern. Das hört sich komisch an, aber weil diese Formationen so riesig sind, kann man da viel CO2 unterbringen.
tagesschau.de: Um welches CO2 geht es - das, was sich bereits in der Atmosphäre befindet oder das, was bei der Förderung fossiler Energien neu freigesetzt wird?
Wallmann: Es geht um beides. Zum einen kann man versuchen, an Industrieanlagen, wo man eben auch mit erneuerbarer Energie oder grünem Wasserstoff nicht weiterkommt, CCS zu machen. Dann haben wir darüber hinaus aber noch viele diffuse Emissionen von Treibhausgasen, etwa in der Landwirtschaft und anderswo, die man auch mit CCS nicht in den Griff bekommt.
Dafür brauchen wir dann negative Emissionen, um das zu kompensieren. Da ist ein Ansatz, zum Beispiel an Biomassekraftwerken CO2 abzuscheiden. Wenn man das dann auch wieder zurück unter die Erde bringt, erzeugt man damit negative Emissionen. Und wir werden beides brauchen, um bis 2045 in Deutschland klimaneutral zu werden.
Große Speicherkapazitäten in der Nordsee
tagesschau.de: Wie viel CO2 kann im Meer eingelagert werden?
Wallmann: Die Speicherkapazitäten in der Nordsee sind sehr, sehr groß. Der größte Teil liegt im norwegischen Sektor der Nordsee. Aber auch im deutschen Sektor gibt es erhebliche Speicherkapazitäten. Etwa zwei bis acht Milliarden Tonnen könnte man dort unterbringen.
Am Ende des Tages werden wir wahrscheinlich beides machen müssen: Einen Teil des CO2 exportieren, zum Beispiel nach Norwegen. Und einen Teil des CO2 im deutschen Sektor der Nordsee in diesen Sandsteinformationen speichern.
Risiko durch alte Bohrlöcher
tagesschau.de: Es gibt auch Kritik an dem Verfahren. Etwa dass CO2 aus dem Meer wieder austreten könnte. Wie gefährlich ist CCS?
Wallmann: Zu den Leckagen haben wir viel geforscht. Wir haben uns die beiden bestehenden Speicher vor Norwegen angeschaut mit Forschungsschiffen aus ganz Europa. Wir haben festgestellt, dass dort kein CO2 entweicht.
Aber wir haben im Umfeld dieser Speicher gefunden, dass besonders an alten Bohrlöchern Erdgas entweicht. Es ist denkbar, dass an diesen alten Bohrlöchern in Zukunft auch CO2 entweichen würde, wenn man in der Nähe CO2 verpresst.
tagesschau.de: Was würde das für die Umwelt bedeuten?
Wallmann: Wir haben uns die ökologischen Konsequenzen an natürlichen CO2-Quellen im Mittelmeer angeschaut. Was wir da sehen, ist eine starke Verarmung der Artenvielfalt am Meeresboden. Das heißt, es gibt einen Schaden, der eintritt, wenn CO2 leckt. Es ist also schon kritisch, da müssen wir genau hinschauen.
Wir haben dann ein Experiment gemacht, wo wir CO2 am Boden der Nordsee freigesetzt haben, um zu gucken, wie groß die Schadensfläche ist. Die ist für die Leckage-Raten, die man erwarten kann, sehr gering. Das Risiko ist also, dass man auf kleinen Flächen, etwa 50 Quadratmeter, Schädigungen im Ökosystem hat, aber eben nur lokal begrenzt auf kleinen Flächen.
CCS nur dann, wenn es keine andere Lösung gibt
tagesschau.de: Halten Sie CCS trotzdem für eine vielversprechende Technik?
Wallmann: Es ist eine Abwägung: Es gibt potenziell Schäden in Ökosystemen. Deswegen denken wir, dass man es nur dann machen sollte, wenn es anders nicht geht. Das ist also nur eine Lösung für die Industrien und eben auch für die negativen Emissionen, wo es keine andere Lösung gibt.
Man muss aber auch genau schauen, wie dicht die Speicher sind. Man muss sie genau überwachen und genau explorieren. Und man braucht auch eine gute Regulierung, um diese Risiken zu minimieren.
Konkrete Pläne für CO2-Export
tagesschau.de: Glauben Sie, dass Deutschland sich für die Technik entscheiden wird?
Wallmann: Es gibt relativ konkrete Pläne in Deutschland, CO2 nach Norwegen zu exportieren. Es ist allerdings so, dass in Norwegen zwar generell eine hohe öffentliche Akzeptanz für CCS da ist, aber wenn man die Norweger fragt, wie sie es finden, wenn wir das deutsche CO2 in Norwegen entsorgen, dann ist die Begeisterung dafür begrenzt.
Ich glaube, wir werden beides machen müssen: Einen Teil exportieren und uns darum kümmern, unseren CO2-Müll selbst zu deponieren. Das wird auch aus öffentlichen Akzeptanzgründen nicht anders gehen. Diese Debatte ist aber offen. Es ist unklar, wie das ausgehen wird. Wahrscheinlich wird der Export zuerst ermöglicht, und dann ist die nächste Frage: Machen wir das auch in der deutschen Nordsee?
Das Gespräch führte Inga Wonnemann, Redakteurin tagesschau. Es wurde für die schriftliche Fassung redigiert und gekürzt.