Gesundheit So sinnvoll wäre eine Zuckersteuer
In manchen Ländern gibt es sie bereits, in Deutschland wird noch diskutiert: über die Einführung einer Steuer auf zuckerhaltige Getränke. Was sagt die Forschung?
Empfehlungen für mehr soziale Gerechtigkeit, mehr Tierwohl und bessere Gesundheit - und all das auch mit Blick auf die Klimafreundlichkeit: Vor der Arbeit des Bürgerrats "Ernährung im Wandel" hat Michael Laxy großen Respekt. Der Gesundheitsökonom von der Technischen Universität München weiß, wovon er spricht. Denn er war als Faktenchecker an dem Prozess beteiligt. "Es hat beeindruckt, dass in den Diskussionen wirklich wissenschaftliche Fakten und wissenschaftliche Evidenz eine große Rolle gespielt haben", sagt er.
Die Empfehlungen des Bürgerrates hält er deshalb insgesamt für gut und sinnvoll. Gleichzeitig, so Laxy, sollten aber auch andere Maßnahmen nicht aus dem Blickfeld der Politik geraten. Allen voran die Zuckersteuer.
Im Fokus der Debatte: Süße Getränke
Denn darauf, eine Steuer auf süße Getränke zu empfehlen, konnte sich der Bürgerrat nicht einigen. Im Gespräch war eine gestaffelte Abgabe von 21 bis 27 Cent pro Liter, sobald in 100 Milliliter Getränk mehr als fünf Gramm Zucker enthalten sind. Auch eine Steuer für Süßungsmittel war im Entwurf einer Empfehlung enthalten.
Abgelehnt wurde gleichzeitig aber auch ein Gegenentwurf, der der Bundesregierung explizit keine Zuckersteuer empfiehlt. Der Bürgerrat scheint sich bei dem Thema also uneins.
Milliarden könnten gespart werden
Die WHO empfiehlt derweil eine Zuckersteuer. In Ländern wie Großbritannien wurde sie bereits 2018 eingeführt. Was eine Steuer in Deutschland tatsächlich bringen könnte, haben Ökonom Laxy und Kollegen im vergangenen November in einer Studie berechnet, die in der Zeitschrift "PLOS Medicine" erschienen ist. Die gesundheitlichen und ökonomischen Effekte überraschen.
Denn die Studienergebnisse zeigen, dass durch die gestaffelte Besteuerung süßer Getränke rund 240.000 Fälle von Typ-2-Diabetes verhindert würden. Etwa 16 Milliarden an gesellschaftlichen Kosten könnten eingespart werden, davon etwa vier Milliarden direkt innerhalb des Gesundheitssystems. Denn es entstünden weniger Versorgungskosten durch Krankheiten wie Übergewicht, Typ-2-Diabetes oder Herz-Kreislauferkrankungen.
Die restlichen zwölf Milliarden könnten über Folgeeffekte eingespart werden, erklärt Wissenschaftler Laxy: "Dadurch, dass wir weniger Erkrankungen hätten, hätten wir weniger Krankheitsfehltage. Weniger Personen, die möglicherweise vorzeitig in Rente gehen oder möglicherweise sogar bereits im erwerbsfähigen Alter versterben." Würde weniger Zucker verbraucht, könnte also vielen Menschen Leid erspart werden, und auch die Wirtschaft würde profitieren.
Experten befürworten Steuer
Auch andere Forschende halten eine Zuckersteuer in Deutschland für sinnvoll. So hat sich der Gesundheitsökonom Michael Stolpe vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel im November gegenüber dem Science Media Center für eine Besteuerung ausgesprochen: "Die Einführung einer Zuckersteuer ist wirksam und der deutschen Politik zu empfehlen", so Stolpe.
Sarah Forberger vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen meint: "Egal welche Steuer gewählt wird, eine Besteuerung könnte ein Puzzleteil bei der Bekämpfung von Übergewicht sein."
Softdrinks besonders ungesund
Auch wenn er keine direkte Zuckersteuer empfiehlt, hat der Bürgerrat durchaus erkannt, wie Zucker auf die Gesundheit wirkt. Unter dem Titel "Fördern statt Fordern - neuer Steuerkurs für Lebensmittel" hat der Zucker nämlich dann doch noch Einzug in die Empfehlungen gehalten. Der Bürgerrat schreibt: "Wir empfehlen auch eine Neuklassifizierung des Grundnahrungsmittels Zucker. Der Rohstoff Zucker, egal aus welcher Ursprungs- oder Herstellungsform, soll nicht mehr als Grundnahrungsmittel klassifiziert sein und somit die Mehrwertsteuer auf 19 Prozent angepasst werden."
Forschende halten darüber hinaus die Zuckersteuer dennoch für sinnvoll. Zum einen, weil die Menschen in Deutschland einen großen Teil des Zuckers über gesüßte Getränke zu sich nehmen. Diese sind besonders ungesund, denn in Softdrinks und Säften sind weder Fette noch Eiweiße enthalten, erklärt der Diabetologe Matthias Laudes von der Universitätsklinik Schleswig-Holstein in Kiel. "Und das bedeutet, dass der Darm den Zucker sofort ganz schnell aufnehmen kann", so Laudes.
Darüber hinaus wurde die freiwillige Selbstverpflichtung der Hersteller, den Zucker zu reduzieren, bisher kaum umgesetzt. Gerade einmal um zwei Prozent ist der Zuckergehalt in den süßen Getränken zurückgegangen. In anderen Ländern hat die Einführung der Zuckersteuer dazu geführt, dass die Hersteller den Zuckergehalt drastischer reduziert haben. In Großbritannien etwa sank er in süßen Getränken bis 2021 im Schnitt um 29 Prozent.