Schimmelpilz Aspergillsu fumigatus

Candida Auris und andere Invasive Pilzinfektionen breiten sich weltweit aus

Stand: 25.11.2024 18:06 Uhr

Weltweit sind Pilzinfektionen besonders für Menschen mit schweren Vorerkrankungen gefährlich, vor allem auf Intensivstationen. Auch in Deutschland kam es zu Ausbrüchen.

Von Jörg Wolf und Leila Boucheligua, SWR

Jedes Jahr sterben weltweit 2,5 Millionen Menschen durch eine Pilzinfektion. Fachleuten bereitet die rasche Ausbreitung sogenannter invasiver Pilzarten große Sorgen. Die WHO hat bereits 2022 mit einer Liste der gefährlichsten Erreger versucht, Medizinverbände und Gesundheitspolitik weltweit zu alarmieren, allerdings mit geringem Erfolg. Das Thema wird bislang trotz der hohen Todeszahlen kaum wahrgenommen.

Die Wissenschaftsjournalistin Lena Ganschow ist in einer ARD Wissen-Doku der Gefahr durch invasive Pilze auf den Grund gegangen. Die Ergebnisse ihrer Recherchen sind beunruhigend.

Was sind invasive Pilze?

Invasive Pilze heißen "invasiv", weil sie in Organismen eindringen und dort Körpergewebe besiedeln. So können beispielsweise die Sporen des gefährlichen Schimmelpilzes Aspergillus fumigatus über offene Wunden oder die Atemwege in unseren Körper gelangen. Dort breiten sie sich im schlimmsten Fall über die Blutbahnen aus und schädigen Gefäße und Organe.

Das betroffene Gewebe löst sich nach und nach auf, die Durchblutung in diesen Bereichen wird unterbrochen. So können in der Folge auch keine Medikamente die befallenen Körperregionen mehr erreichen und der Pilz breitet sich noch weiter aus.

Werden die Erreger nicht schnell genug erkannt, kann es zu lebensgefährlichen Blutstrominfektionen kommen, und Organe wie Magen, Darm, Nieren, Leber oder das Herz können befallen werden. Wenn die Ausbreitung nicht operativ oder durch Medikamente gestoppt wird, erreichen sie letztlich auch Hirnhäute und Gehirn und sorgen dort für irreparable Schäden.

Nur wenige Medikamente wirken

Invasive Pilzinfektionen sind sehr hartnäckig und die Therapie kann Monate, manchmal Jahre dauern. Erschwerend kommt hinzu, dass es nur sehr wenige Medikamente gegen Pilzinfektionen gibt und die wichtigste Wirkstoffgruppe der Azole immer häufiger nicht mehr wirkt, weil die Erreger Resistenzen gegen sie entwickelt haben.

Weil invasive Pilzinfektionen in Deutschland verglichen mit bakteriellen Infekten noch relativ selten sind, werden sie häufig zunächst mit bakteriellen Infekten verwechselt und falsch behandelt. Oft geht so wertvolle Zeit verloren und der Pilz kann sich festsetzen und ausbreiten.

Wer ist besonders gefährdet?

Bisher sind in erster Linie Menschen mit einem reduzierten Immunsystem von Pilzinfektionen betroffen. Besonders gefährdet sind Krebspatientinnen und -patienten oder Menschen nach einer Organtransplantation, deren Immunsystem künstlich durch Kortison reduziert wird. Ebenfalls gefährdet sind HIV-Patienten aber auch Diabetiker mit einem schlecht eingestellten Blutzuckerspiegel.

Candida auris breitet sich rasant aus

Einer der gefährlichsten invasiven Pilze ist Candida auris. Er ist bereits gegen die meisten Medikamente resistent. Über die Hälfte aller Erkrankten stirbt an der Infektion. Der Pilz ist auch deshalb so gefährlich, weil er durch Kontakt übertragen wird, was für Pilze ungewöhnlich ist.

Erstmals entdeckt wurde Candida auris 2009 in Japan und kurz darauf bereits auf mehreren Kontinenten. Stark betroffen sind neben Indien, Südafrika und Venezuela vor allem die USA. Für das Jahr 2022 wurden dort mehr als 2.000 Infizierte gemeldet.

Ausbreitung invasiver Pilzinfektionen.

Pilzinfektionen mit Candida auris verbreiten sich weltweit. Einzelfälle bis gehäuftes Auftreten (hellrote Flächen). Größere Ausbrüche in Kliniken (dunkelrote Flächen).

Durch genetische Untersuchungen ist bekannt, dass der Pilz bereits tausende Jahre alt ist. Warum er erst so spät bemerkt und zu einer Gefahr für uns wurde, ist bislang ungeklärt.

Auch Krankenhäuser in Europa verzeichnen Ausbrüche

Neben England und Griechenland gab es vor allem in mehreren Krankenhäusern der Region Valencia in Spanien größere Candida-auris-Ausbrüche. Als der Pilz dort 2016 eingeschleppt wurde, war kaum etwas über ihn bekannt. Auch die technischen Geräte zur Diagnostik lieferten anfangs falsche Ergebnisse.

Ungewöhnlich war die Hartnäckigkeit, mit der er auf Oberflächen überlebte. Alle gängigen Desinfektionsmittel versagten und der Keim konnte sich in den betroffenen Intensivstationen ausbreiten. Vor allem Blutdruckmanschetten stellten sich als häufige Infektionsquellen heraus. Immer mehr Intensivpatientinnen und -patienten infizierten sich, und mehr als die Hälfte von ihnen verstarb mit oder durch Candida auris.

Erst zwei Jahre nach dem Ausbruch konnte die Ausbreitung gestoppt werden. Forschende aus dem In- und Ausland fanden geeignete Wirkstoffe und Desinfektionsmethoden gegen Candida auris. Das komplette Hygieneprotokoll der Intensivstationen wurde erneuert.

Entscheidend für den Erfolg waren aber auch die regelmäßigen Abstrichproben von Patientinnen sowie Patienten und allen Oberflächen auf den Stationen, um neue Infektionsherde sofort zu erkennen. Alle diese Maßnahmen gehören auch heute noch zu Routine der Klinik in Valencia, denn Candida auris kann dort nicht mehr restlos eliminiert werden.

Fälle von Infektionen mit Candida auris in Deutschland

Auch in deutschen Unikliniken gab es bereits einige kleinere Candida-auris-Ausbrüche. Oliver Kurzai von der nationalen Meldestelle für Infektionen mit Candida auris hat einen Überblick über die aktuelle Gefahrenlage in Deutschland.

"Im vergangenen Jahr hatten wir etwa 80 Fälle mit Candida auris in Deutschland. Deswegen sprechen wir als nationales Referenzzentrum gezielt die diagnostischen Labors an. Die müssen der Klinik mitteilen: Achtung, ihr habt hier einen Erreger, der ist neu, der ist gefährlich. Ihr müsst Maßnahmen einleiten.“

Die genannte Zahl enthält allerdings nur die Erkrankten, die gemeldet werden müssen. Einfache Erregernachweise oder Verdachtsfälle sind darin nicht enthalten, da es eine generelle Meldepflicht, wie sie sich Kurzai wünscht, bislang nicht gibt. Wie weit Candida auris in Deutschland tatsächlich verbreitet ist, bleibt deshalb unklar.

Invasive Pilze bedrohen unsere Ernährungssicherheit

Invasiv nennt man die Pilze auch deshalb, weil sie sich weltweit ausbreiten und in neue Lebensräume eindringen. Das betrifft nicht nur die Arten, die unsere Gesundheit bedrohen. Global verlieren die Landwirtschaft aktuell zwischen 10 und 20 Prozent ihrer Ernten durch invasive Pilze. Betroffen sind alle wichtigen pflanzlichen Grundnahrungsmittel wie Weizen, Gerste, Roggen, Reis, Soja, aber auch Kartoffeln oder Bananen.

Pilze im Getreide.

Invasive Pilze vernichten jedes Jahr 10-20 Prozent unserer Ernten.

Eine Situation, die bei weiterhin schnell wachsender Weltbevölkerung die Ernährungssicherheit empfindlich gefährdet. Die Klimaerwärmung verschärft die Lage zusätzlich, da sich Pilzarten, die bislang nur in südlichen Regionen beobachtet wurden, mittlerweile auch weiter nördlich ausbreiten.

Wie in der Medizin versagen allerdings auch in der Landwirtschaft immer häufiger die Gegenmittel, weil die Pilzerreger bereits resistent sind. Besonders große Monokulturen laden invasive Pilze förmlich ein, ungebremst komplette Felder zu befallen.

Alternative Anbaumethoden wie Mischkulturen könnten hier eine Lösung sein, wie man in Dänemark bereits zeigen konnte. Gleichzeitig wurde dadurch auch der Einsatz von Spritzmitteln reduziert, der ein starker Treiber für die Ausbildung von neuen Resistenzen ist.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtet das Erste in der Sendung "ARD Wissen: Invasive Pilze" am 25.November um 23:20 Uhr.