Diagnose Endometriose Mehr als nur Bauchschmerzen
Endometriose ist eine bislang unheilbare und noch wenig erforschte Krankheit. Allein in Deutschland gibt es jährlich etwa 40.000 Neuerkrankungen - der Bedarf an besseren Diagnose- und Therapiemöglichkeiten ist hoch.
Endometriose zählt zu den häufigsten gynäkologischen Erkrankungen und ist dennoch weitestgehend unerforscht. Noch immer dauert die Diagnose lang, eine Ursache ist unbekannt.
Im gebärfähigen Alter sind schätzungsweise zehn Prozent von Endometriose betroffen. Gebärfähig - das sind alle Menschen mit Gebärmutter, die ihre Periode bekommen: Mädchen und Frauen, aber beispielsweise auch genderqueere und trans Personen. Angaben der Weltgesundheitsorganisation zufolge betrifft Endometriose etwa 190 Millionen Menschen weltweit. Betroffene leiden meistens unter starken Menstruationsschmerzen.
Doch das ist nicht das einzige Symptom. Auch chronische Bauchschmerzen, starke Erschöpfung, Übelkeit und Erbrechen sowie Schmerzen beim Geschlechtsverkehr treten bei der Erkrankung auf. Teilweise ist ein normales Berufs- und Sozialleben kaum möglich. Weil die Liste an möglichen Symptomen lang ist, das Krankheitsbild individuell und die Auswirkungen oft versteckt, gilt die Krankheit als "Chamäleon der Gynäkologie".
Möglicher Grund für Unfruchtbarkeit
Grundsätzlich passiert im Körper Folgendes: Bei einer Endometriose siedeln sich spezielle Schleimhautzellen außerhalb der Gebärmutter an, zum Beispiel in Bauch- oder Beckenraum oder an der Scheidenwand. Doch auch angrenzende Organe wie Darm und Blase können betroffen sein, seltener sogar Zwerchfell oder Lunge. Dort entstehen durch das gebärmutterähnliche Gewebe gutartige Wucherungen.
Diese sogenannten Endometriose-Herde verändern sich wie die Gebärmutterschleimhaut zyklusbedingt. Während des Zyklus baut sich die Gebärmutterschleimhaut auf, damit sich eine befruchtete Eizelle einnisten kann. Nistet sich keine Eizelle ein, wird die Schleimhaut mit der Periode ausgeschieden. An beispielsweise Darm oder Blase ist dies nicht möglich - daher entstehen Verklebungen, Entzündungen und mit Flüssigkeit gefüllte, abgekapselte Hohlräume im Gewebe: Zysten.
Solche Zysten bilden sich mitunter auch an Eierstöcken oder Eileitern - und können die Fruchtbarkeit beeinträchtigen. Schätzungen zufolge könnte bei 40 bis 60 Prozent der Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch Endometriose der Grund sein.
Noch keine Heilung möglich
Es gibt noch keine abschließende Heilung für Endometriose. Nach der Menopause klingen die Beschwerden zwar meist ab, aber dann war der Leidensweg schon sehr lang: Frauen bekommen ihre letzte Regelblutung durchschnittlich im Alter von 51 Jahren. Die Behandlungsmöglichkeiten bieten unterschiedliche Erfolgsaussichten.
Eine hormonelle Behandlung der Krankheit - zum Beispiel mit der Antibabypille oder Gestagenen - kann die Beschwerden lindern. Doch gerade für Menschen mit Kinderwunsch eignet sich eine Behandlung mit Verhütungsmitteln eben nicht als Therapie. Neben einer hormonellen Behandlung kommen auch operative Eingriffe in Frage. Bei einer Bauchspiegelung etwa können die Endometriose-Herde erkannt und minimalinvasiv entfernt werden. Auch die Gebärmutter oder die Eierstöcke und Eileiter können, falls sie betroffen sind, entnommen werden.
Selbst wenn die Beschwerden dadurch gelindert werden oder ganz verschwinden: Es ist nicht ausgeschlossen, dass Endometriose-Herde trotz der Eingriffe nachwachsen. Viele greifen wegen der Schmerzen zu hochdosierten Schmerzmitteln - doch das ist angesichts der Nebenwirkungen keine Lösung von Dauer.
Schmerztagebuch erleichtert Diagnose
Periodenschmerzen, die nur mit schmerz- oder krampflösenden Mitteln auszuhalten sind, sind jedenfalls ein Alarmsignal für Endometriose. Bei dauerhaften Schmerzen sollte man "stutzig werden", wie Juliane Grimm, Sprecherin des Endometriosezentrums an der Uniklinik Freiburg, im Interview mit dem SWR, erklärt.
Da die Forschung zu Endometriose jedoch noch am Anfang steht und es nur wenige Spezialistinnen und Spezialisten auf dem Gebiet gibt, vergehen meist viele Jahre bis zur Diagnose. Grimm erwartet innerhalb der nächsten Jahre eine Verbesserung, das Bewusstsein für die Krankheit sei schon viel größer geworden.
Eine Diagnose per Ultraschall oder Kernspintomografie sei nicht bei allen Endometriose-Arten möglich, erläutert sie. "Deswegen ist da der Goldstandard leider weiterhin die Bauchspiegelung, das heißt: eine Operation", so die Medizinerin. In vielen Fällen werden gefundene Endometriose-Herde dann direkt entfernt.
Ärztinnen und Ärzten kann die Diagnose erleichtert werden, indem Betroffene ein Schmerztagebuch führen. Dafür gibt es beispielsweise eine Vorlage der Deutschen Endometriose-Vereinigung oder Apps, die sogar auf Rezept verordnet werden können.
Mehr Geld für Forschung
Auch ein neuer Speicheltest macht Hoffnung. Vorteil: Er ist risikofrei und nicht-invasiv - aber die Datenlage zur Wirksamkeit ist noch dünn. Außerdem sind die Kosten sehr hoch. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen diese derzeit nicht.
Abgesehen davon wird unter anderem auch an Bluttests und alternativen Therapien geforscht. Und: Die Endometriose-Forschung bekommt mehr Geld. Der Haushaltsausschuss des Bundestags hat im vergangenen Herbst Forschungsmittel in Höhe von fünf Millionen Euro beschlossen - ein wichtiges Zeichen im Kampf gegen diese Krankheit, die viele betrifft und mehr ist, als ein bisschen Bauchschmerzen.