Tiefseebodenbergbau Folgen noch nicht abzusehen
Bis zum Sommer muss die Internationale Meeresbodenbehörde über den kommerziellen Tiefseebergbau entscheiden. Dabei ist noch relativ unbekannt, was der Bergbau für die Ökosysteme dort bedeutet.
Dicht an dicht liegen in manchen Meeresgebieten die Objekte der Begierde am Meeresboden: Manganknollen, die neben dem namensgebenden Mangan und Eisen auch viel Kupfer, Nickel und Kobalt enthalten. Es handelt sich um Metalle, die an Land nicht sehr häufig zu finden, allerdings von hohem wirtschaftlichem Interesse sind. Zum Beispiel werden sie für Batterien in Elektroautos und in Solar- und Windkraftanlagen genutzt. Sie spielen eine entscheidende Rolle bei der Energiewende.
Meeresboden mit vielen Manganknollen. Sie enthalten neben Mangan auch Eisen, Kupfer, Nickel und Kobalt und somit wichtige Rohstoffe.
Wie ein Panzer am Meeresboden
Einige Unternehmen und Regierungen testen daher bereits Prototypen, die diese Manganknollen zukünftig aufsammeln könnten. Ein solches Gerät hat beispielsweise auch die belgische Firma Global Sea Mineral Resources entwickelt. Es ist knapp 20 Tonnen schwer, fährt auf Ketten und erzeugt mit einem Wasserstrahl einen Unterdruck, mit dem die Manganknollen in das Gerät gesaugt werden.
"Das ist größer als ein 'Leopard 2'-Panzer", sagt Matthias Haeckel. Er ist Biogeochemiker am GEOMAR-Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel und leitet ein europäisches Projekt zu den Folgen des Tiefseebodenbergbaus. "Die oberen Zentimeter des Meeresbodens werden mit dem Gerät komplett abgetragen - und später an anderer Stelle wieder ins Meer entlassen."
Diese Methode, die auch von anderen Firmen genutzt wird, sorge für deutliche Spuren am Meeresboden, erklärt die Meeresbiologin Sabine Gollner vom Royal Netherlands Institute for Sea Research in Texel: "Da sieht man nach dem Abbau quasi einen umgepflügten Acker", sagt sie. Die Spuren aus den ersten Versuchen in den 1970er- und 1980er-Jahren seien noch immer zu sehen. Rein optisch habe sich seitdem kaum etwas an der Struktur des Bodens verändert.
Folgen für Mikroorganismen und Tiere
Mit dem Meeresboden verschwinden so auch alle Tiere und Mikroorganismen, die in dem Sand am Tiefseeboden leben, in den Geräten. Gemeinsam mit den Manganknollen werden auch alle Korallen, Schwämme und Anemonen, die auf der harten Oberfläche der Knollen siedeln, eingesaugt. Dazu gehören auch Arten, die nur auf den Manganknollen der Tiefsee zu finden sind, beispielsweise ein Schwamm, auf dem der Gespensteroktopus seine Eier ablegt.
Schwamm auf einer Manganknolle.
Die Methode, mit der die Knollen eingesammelt werden, könnte demnach sehr langfristige Schäden im Ökosystem verursachen, so Matthias Haeckel. Denn in der Tiefsee wachsen viele Tiere sehr langsam. Zum einen, weil nur sehr wenig Nahrung in die Tiefe kommt, wo in der Dunkelheit keine Pflanzen wachsen können. Zum anderen, weil der Stoffwechsel vieler Tiere in der Kälte nur sehr langsam abläuft.
"Durch Modelle kann man versuchen zu rechnen, wie lange das Ökosystem braucht, um sich wieder zu erholen - und dann sind wir schon eher bei vielen Jahrhunderten bis Jahrtausenden als bei Jahren oder Jahrzehnten", sagt der Biogeochemiker.
Der Gespensteroktopus, der seine Eier im Schwamm auf Manganknollen ablegt.
Künstliche Knollen sollen Aufschluss geben
Wie lange genau es dauern könnte, bis sich wieder größere Tiere ansiedeln, nachdem so ein Gerät über den Meeresboden gefahren ist und die Manganknollen eingesammelt hat, und ob die Anemonen, Schwämme und Korallen auch auf anderen harten Oberflächen als Manganknollen wachsen könnten, möchte Sabine Gollner nun erforschen.
Dafür macht sie Versuche mit künstlichen Manganknollen aus Keramik. Noch ist unbekannt, wie lange es dauert, bis die Tiere zur vollen Größe heranwachsen. "Sind zum Beispiel die Anemonen, Korallen, Schwämme fünf Jahre alt, 50 oder 500 Jahre? Das wissen wir im Moment noch nicht", sagt sie.
Künstliche und echte, gereinigte Manganknollen liegen in Rahmen auf dem Meeresboden.
Seit 2019 liegen Rahmen mit den künstlichen und gereinigten echten Knollen nun schon in 4.500 m Tiefe im Pazifischen Ozean. Was genau auf den Knollen bisher wächst, untersuchen Sabine Gollner und ihr Team derzeit im Labor. Mit bloßem Auge ließen sich aber nach zwei Jahren Wachstum kaum Tiere erkennen, berichtet sie.
Dreißig lange Jahre soll das Experiment insgesamt laufen. Ob die Zeit ausreicht, damit sich überhaupt wieder Tiere wie Schwämme und Korallen auf den Knollen ansiedeln, werden erst die nächsten Jahre zeigen.
Unbekannte Ökologie
Und auch sonst ist noch nicht viel über die Ökologie der Tiefsee bekannt. Um politische Entscheidungen über wirtschaftliche Projekte treffen zu können, die in die Natur eingreifen, sind im Normalfall sogenannte Ökosystemmodelle notwendig. Darin wird das gesamte Ökosystem betrachtet und die Folgen von Eingriffen simuliert.
"Das ist etwas, was es für die Tiefsee momentan noch nicht gibt, weil wir die Gesamtzusammenhänge des Ökosystems so noch nicht verstanden haben", sagt Matthias Haeckel vom GEOMAR. Noch nicht einmal die wichtigsten Arten dieses Systems hätten Forschende bisher identifizieren können. "Unter Umständen ist die Artenvielfalt an sich am Tiefseeboden ein entscheidender Faktor", meint Haeckel.
Manganknollen gelten zusammen mit<strong> </strong>den Kobaltkrusten als die wichtigsten Quellen von Metallen und anderen mineralischen Rohstoffen im Meer.
Entscheidung bis zum Sommer
Derweil sind bei der Internationalen Meeresbodenbehörde in Jamaika die Verhandlungen um die Verteilung des Meeresbodens schon in vollem Gange. Sie ist verantwortlich dafür, zu entscheiden, ob und wie die Knollen und auch andere metallreiche Gesteine, wie erloschene Schwarze Raucher und Eisen-Mangan-Krusten an untermeerischen Gebirgen in internationalen Gewässern kommerziell abgebaut werden dürfen. Bisher hat die Behörde nur Lizenzen vergeben, mit denen ein möglicher Abbau erforscht werden, noch nicht aber vollzogen werden darf.
Die Zeit drängt, denn der Inselstaat Nauru möchte mit dem Abbau beginnen. Er habe im Sommer 2021 einen Antrag bei der Behörde eingereicht und damit eine sogenannte Zweijahresfrist ausgelöst, erklärt der Rechtswissenschaftler Alexander Proelß von der Universität Hamburg. "Das heißt, dass bis zum Sommer dieses Jahres eigentlich die Regulierungen über die Ausbeutung feststehen müssen." Sollte es bis dahin keine Einigung geben, gilt das Recht, das bis dahin ausgehandelt wurde - mit unbekannten Folgen für die Tiere der Tiefsee.
Deutschland mit vorsorglicher Pause
Am 7. März wird bei der Internationalen Meeresbodenbehörde weiterverhandelt. Weil die Folgen des Abbaus für die Tiefsee noch weitgehend unbekannt sind, hat die deutsche Bundesregierung im vergangenen November beschlossen, keine Vorhaben für Tiefseebergbau in internationalen Gewässern mehr zu unterstützen. Bis mehr über die Tiefsee bekannt ist, setzt es seine Beteiligung aus.