Archäologie Kita-Kind findet Tausende Jahre alten Dolch
Im niedersächsischen Syke hat ein Kita-Kind einen Tausende Jahre alten Steinzeit-Dolch gefunden. Er soll nun im Kreismuseum ausgestellt werden. Es ist nicht der erste archäologische Fund von Laien.
Ungefähr acht Zentimeter lang und drei Zentimeter breit ist die Klinge aus Feuerstein, die im Kreismuseum Syke erstmals der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Für die fünfjährige Levke ist sie "der beste Stein zum In-der-Erde-Rumritzen, den ich je hatte". Mit diesen Worten hatte das Kind ihrem Vater das Fundstück präsentiert, das sie aus der Kita mitgebracht hatte.
Der Vater forschte zusammen mit seiner Frau, einer Geschichtslehrerin, in ihren Lehrbüchern nach. Schnell war klar: Der Stein ist etwas Besonderes. Der Vater schickte eine Mail mit Fotos an das Kreismuseum in Syke - das sofort begeistert war und umgehend das niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege ins Boot holte. "Von den Fotos im Anhang waren wir direkt beeindruckt: Schon der erste Blick zeigte, dass es um ein sehr gut erhaltenes Steinwerkzeug von besonderer Qualität ging", hieß es vom Museum.
Museums-Kuratorin Miethig und die junge Finderin Levke präsentierten den Fund im Kreismuseum Syke.
Fast 5000 Jahre alte Klinge
Der zu Rate gezogene niedersächsische Landesarchäologe Henning Haßmann bestätigt diese Einschätzung: "Offensichtlich handelt es sich bei dem Fundstück um die bis zu 5000 Jahre alte Klinge eines Dolches. Der Schaft aus Holz ist natürlich nicht mehr erhalten." Während die Menschen in Süddeutschland zu dieser Zeit schon Werkzeuge und Waffen aus Metall herstellten, arbeiteten die Menschen in Norddeutschland noch mit Stein. "Dieser Dolch war vermutlich ein Werkzeug, eine Art Taschenmesser. Gelegentlich gaben die Menschen solche Gegenstände damals auch bei Bestattungen mit dem Toten ins Grab", so Haßmann.
"Das ist ein toller Fund für uns", freut sich Nele Miethig vom Kreismuseum in Syke, denn es ist nicht die erste Entdeckung in der Gegend. "Keinen Kilometer entfernt vom Dolch-Fundort wurde 2011 beim Bau der Nordeuropäischen Erdgasleitung der sogenannte Gesseler Goldhort entdeckt." Dieser bronzezeitliche Goldschatz besteht aus 117 Teilen und stammt vermutlich aus der Zeit um etwa 1400 vor Christus. Er gehört zu den größten prähistorischen Hortfunden von Gold in Mitteleuropa.
"Mit jedem weiteren Fund aus diesem Ort können Archäologinnen und Archäologen die Vergangenheit der Region und der Menschen, die dort gelebt haben, besser kennenlernen", sagt Kuratorin Miethig.
Viele Funde von Laien entdeckt
Dass Funde von Laien die Wissenschaft bereichern, kommt immer wieder vor. Die Gletschermumie Ötzi zum Beispiel wurde von Wanderern entdeckt, auch auf den Silberschatz von Schaprode auf Rügen stießen Laien. Kleinere Objekte wie eben solch ein jungsteinzeitlicher Dolch gehören genauso dazu.
"Gerade Kinder entdecken viel", erklärt der Landesarchäologe Haßmann. "Sie spielen im Boden, wühlen, graben, die finden so etwas tatsächlich."
Funde müssen gemeldet werden
Früher habe es noch mehr solcher Zufallsfunde gegeben, viel wurde beim Pflügen der Felder entdeckt. "Durch modernere Methoden wird der Boden heutzutage aber gar nicht mehr so tief umgegraben", so Haßmann. Wichtig ist ihm: Wer etwas findet, müsse es melden. "Zum Beispiel bei der Gemeinde, bei einem Museum oder eben beim Landesamt für Denkmalpflege", zählt Haßmann auf. "Für uns sind das Fundstück und vor allem die Umgebung des Fundes wichtige Teile für ein großes Geschichtspuzzle."
Auch mit ehrenamtlichen Sondengängern arbeitet die Wissenschaft zusammen. Dabei ist es wichtig, dass diese in einem Qualifizierungskurs eine Lizenz erwerben und ihre Funde den Landesämtern für Denkmalpflege melden. "Diese Menschen haben ein umfangreiches Wissen und eine Freude daran, einen sinnvollen und wichtigen Beitrag zur Erforschung der Kulturlandschaft zu leisten", sagt zum Beispiel Thomas Terberger, Ur- und Frühgeschichtler an der Universität Göttingen.
Die Klinge ist knapp zehn Zentimeter lang. Offenbar gehörte auch ein Griff aus Holz dazu, der jedoch nicht erhalten ist.
Spektakuläre Funde nicht nur in Ägypten
Die wissenschaftlichen Methoden kann das allein aber nicht ersetzen. "Vor dem Beginn von Forschungsgrabungen setzen wir zunächst auf geophysikalische Methoden wie Geomagnetik, Geoelektrik und Georadar", erklärt Hans-Jörg Karlsen von der Universität Rostock. Zudem sei die Erstellung von 3D-Modellen mittlerweile gängige Praxis. "Auch Satellitendaten können eine Rolle spielen, vor allem, wenn es um größere archäologische Befunde geht." Ein Oberflächenmodell der Landschaft durch Lasermessung aus Flugzeugen sei aber noch wichtiger.
Es gebe immer noch viel zu entdecken, sagt der Ur- und Frühgeschichtler Karlsen: "Es ist das Faszinierende an der Archäologie, dass jeden Tag eine neue Überraschung warten kann - und dies nicht nur in Ägypten oder Griechenland, auch in Deutschland stoßen wir konstant auf neue Fundstellen."
Fund gehört meist zur Hälfte dem Finder
Jeden Fund, der von Laien an sie herangetragen wird, kartieren die Landesämter für Denkmalpflege ganz genau. "Wenn dann in der Gegend ein Bauprojekt ansteht, wissen wir, dass wir dort vorher ganz genau schauen müssen", sagt Landesarchäologe Haßmann. Im Falle des Dolches würden sie jetzt nicht den Spielplatz umgraben. "Diese Fundstelle stört ja niemanden, da passiert nichts."
Was aber geschieht mit dem Fund, wenn er kartiert ist? "In Niedersachsen - und so ist es auch in den meisten anderen Bundesländern - gehört ein solcher Fund zur Hälfte dem Finder und zur Hälfte dem Grundstückseigentümer", erklärt Haßmann. Sind es Funde von herausragender wissenschaftlicher Bedeutung, dann gehen sie in der Regel in Staatseigentum über.
In Niedersachsen bekommt der Finder dafür einen Finderlohn. "Wer einen Fund behalten darf, der trägt aber auch eine Verantwortung", erklärt Haßmann. Schließlich müsse er dafür Sorge tragen, dass das Artefakt nicht zerstört werde oder verloren gehe.
Der Dolch wird nun für einige Wochen im Museum zu sehen sein. Er bleibt jedoch im Besitz der Familie.
Dolch für einige Wochen im Museum ausgestellt
Die fünfjährige Levke aus Syke jedenfalls ist unheimlich stolz, dass sie einen echten Schatz gefunden hat, für den sich viele interessieren. Er bleibt prinzipiell im Besitz der Familie, soll aber zunächst bis zum 21. Mai im Kreismuseum Syke ausgestellt werden. "Wenn wir Glück haben, überlässt die kleine Finderin ihn uns danach als Dauerleihgabe", sagt Miethig vom Kreismuseum.