Raumfahrt Testflug der Kerzenwachs-Rakete
Die Rakete SR75 des deutschen Unternehmens HyImpulse ist besonders: Zum ersten Mal kam Paraffin, der Hauptbestandteil von Kerzenwachs, als Treibstoff zum Einsatz - mit Erfolg.
Es war wohl der erste rein privat finanzierte Raketenstart aus Deutschland: Entwickelt wurde die Paraffin-getriebene Rakete vom privaten Unternehmen HyImpulse. Es hat seinen Sitz in Neuenstadt am Kocher, in der Nähe von Heilbronn (Baden-Württemberg). 65 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens haben den Paraffin-Sauerstoff-Hybridantrieb bis zur Startreife entwickelt.
Testflug der Paraffin-Rakete noch nicht bis ins All
Gestartet wurde die Rakete allerdings am anderen Ende der Welt: Vom australischen Raketentestgelände Koonibba aus ließ HyImpulse am Freitagmorgen europäischer Zeit seine Rakete in die Höhe steigen. Geplant war eine maximale Höhe von 60 Kilometern. Laut Angaben des Unternehmens wird es einige Tage dauern, bis die Rakete geborgen ist und die Daten ausgewertet sind. Erst dann kann gesagt werden, ob die geplante Höhe von 60 Kilometern erreicht wurde. Die Grenze zum Weltall bei 100 Kilometern soll erst bei späteren Flügen überschritten werden. Der Start der Rakete war wetterbedingt mehrfach verschoben worden.
So funktioniert der Antrieb mit Kerzenwachs
Im Raketenkörper sitzt ein Block aus festem Paraffin. Dieser ist von vielen Bohrungen durchzogen. Durch diese Bohrungen wird flüssiger Sauerstoff geleitet. Die beiden Stoffe reagieren miteinander. Das entstehende heiße Gas treibt die Rakete an.
Kerzenwachs-Rakete hat auch Nachteile
Der feste Treibstoffblock brennt allerdings nie ganz gleichmäßig ab. Das kann dazu führen, dass die Rakete im Flug zu vibrieren beginnt, was sie beschädigen und sogar zerstören kann. Auch das sehr schnelle Abschalten und Wiederzünden einer Hybridrakete im Flug ist nicht so einfach - diese Fähigkeit wird aber benötigt, wenn es darum geht, genau definierte Geschwindigkeiten zu erreichen, um Raumfahrzeuge auf ebenso genau definierte Bahnen schießen zu können.
Rakete mit Kerzenwachs-Antrieb kann nicht explodieren
Die Vorteile der Kerzenwachs-Technologie sind die geringen Kosten. Außerdem ist die Explosionsgefahr der Rakete bei Null. Sie konnte in den vergangenen Wochen in beladenem Zustand völlig gefahrlos von Neuenstadt bei Heilbronn per Schiff nach Australien gebracht werden. Dort hatte das Unternehmen eine Woche Startzeit auf einem Raketentestgelände gebucht.
Nachfolgemodell der Rakete soll Satelliten ins All bringen
Nach dem gelungenen Erstflug können nun Flüge auch ins Weltall oberhalb von 100 Kilometer stattfinden. In eine Umlaufbahn um die Erde einschwenken kann die Rakete aber nicht - erst ein Nachfolgemodell soll die dafür notwendige Geschwindigkeit erreichen und dann auch bis zu 600 Kilogramm schwere Satelliten ins All bringen. Ein erster Start ist für Ende 2025 geplant.
Kerzenwachs-Antrieb der Rakete hat Potenzial
Für seine Flüge ins All will HyImpulse schon Aufträge im Wert von mehr als 100 Millionen Euro in den Büchern stehen haben. Russland fällt derzeit wegen der Sanktionen als Auftragnehmer für Satellitentransporte aus. Und die neue Europaraketen Ariane 6 und VEGA-C gehen mit jahrelanger Verzögerung an den Start.
Deshalb rechnen sich kommerzielle Raketenbauer aus Deutschland durchaus Chancen aus, dem amerikanischen Branchenprimus SpaceX etwas vom großen Kuchen wegschnappen zu können. Neben HyImpulse sind das die Firmen Isar Aerospace in München und die Rocket Factory in Augsburg, die ihre Rocket One auch nahezu startbereit hat.
Während die Kosten für den Transport von Satelliten ins All mit konventionellen Kleinraketen rund 12.000 bis 25.000 Euro pro Kilo Nutzlast betragen, liegen die Kosten in der ersten Ausbaustufe der Rakete bei HyImpulse voraussichtlich bei rund 6.500 Euro pro Kilo - und HyImpulse rechnet langfristig mit einer weiteren Kostenreduktion.
Die ist auch notwendig, wenn HyImpulse die sich abzeichnende nächste Revolution beim Satellitentransport überstehen will. Das Raumschiff "Starship" von SpaceX wird mit einem einzigen Start mehrere Hundert Satelliten ins All tragen können und peilt Kosten von nur noch mehreren Hundert Dollar pro Kilogramm an.