Montrealer Protokoll Wie die Welt die Ozonschicht rettet
Die Ozonschicht schützt Menschen, Tiere und Pflanzen vor schädlicher UV-Strahlung, obwohl sie selbst seit Jahrzehnten Patientin ist. Warum ihr Schutz dennoch eine Erfolgsgeschichte ist - und was noch passieren muss.
September 1987: Vertreterinnen und Vertreter von 24 Staaten treffen sich in Montreal, Kanada. Sie wollen eines der drängendsten Umweltprobleme der 1980er-Jahre angehen: die Zerstörung der Ozonschicht durch chemische Stoffe. Am 16. September unterzeichnen sie ein historisches Abkommen, das Montrealer Protokoll. Darin verpflichten sie sich, weniger Ozon-abbauende Stoffe zu produzieren und zu verbrauchen.
"Ein einzigartiges Dokument"
Mehr als 35 Jahre später ist das Montrealer Protokoll das erste Abkommen in der Geschichte der Vereinten Nationen, das von allen Mitgliedsstaaten ratifiziert wurde. "Das ist absolut irre, wenn man sich das überlegt, dass wirklich die gesamte Welt gesagt hat: 'Wir glauben daran. Wir sind davon überzeugt, dass das richtig und wichtig ist, und wir unterschreiben das'", meint Birgit Hassler. Sie und ihre Kollegin Hella Garny forschen am DLR-Institut für Physik der Atmosphäre in Oberpfaffenhofen.
Der Jahrestag des Montrealer Protokolls am 16. September ist mittlerweile der internationale Tag zur Erhaltung der Ozonschicht. Für Hassler ist das Abkommen ein "einzigartiges Dokument". Dementsprechend sei es immer wieder schön, sich daran zu erinnern und sagen zu können, dass die Wirkung des weltweiten Vertrags ganz klar erkennbar sei, so die Wissenschaftlerin.
Das Montrealer Protokoll - eine wissenschaftliche Erfolgsgeschichte? "Das kann man in der Tat durchaus insgesamt sagen", bejaht Garny. Hassler sagt: "Wir haben verstanden, was auf die Ozonschicht einwirkt, die Chemie dahinter, die Physik dahinter, die Dynamik dahinter. Wir wissen, was Einfluss hat, wir haben es verstanden, und wir können auch sagen, wir haben gehandelt, sodass wir die großen Einflussfaktoren dafür rausgenommen haben, also die FCKW."
Das erste Ozonloch und seine Folgen
Hassler spricht von Fluorchlorkohlenwasserstoffen, kurz FCKW. Diese Gase kamen in der Vergangenheit häufig als Kältemittel oder Treibmittel für Spraydosen zum Einsatz. Das Problem: FCKW sind "extrem langlebig", so Hassler. Sie bleiben über Jahrzehnte in der Atmosphäre und führen dort dazu, dass sich die Ozonschicht, die die Erde umgibt und vor der UV-Strahlung der Sonne schützt, abbaut.
Das passierte besonders stark über der Antarktis. Ein britisches Forscherteam entdeckte dort 1985 eine Stelle, an der der Ozongehalt unter 220 Dobson Einheiten lag - 130 Einheiten unter dem Normalwert. Die Schutzschicht war somit umgerechnet weniger als 2,2 Millimeter mächtig, mehr schädigende UV-Strahlung konnte zur Erde gelangen.
Die Nachricht vom Ozonloch am Südpol sorgte für große Aufregung, auch in der wissenschaftlichen Gemeinschaft. Bereits in den 1970er-Jahren habe man gewusst, durch welche chemischen Prozesse Ozon abgebaut werden könne, sagt Hassler. Nach der Entdeckung des Loches sei das auch messbar gewesen, das Problem wissenschaftlich bewiesen.
FCKW-Höchstwerte in den 1990er-Jahren
Entscheidungsträgerinnen und -träger reagierten weltweit: Mit Annahme des Montrealer Protokolls von 1987 verpflichteten sich die unterzeichnenden Staaten zunächst, die Produktion und den Verbrauch von FCKW und Halonen schrittweise zu verringern. In den darauffolgenden Jahren wurden die Schutzmaßnahmen noch verschärft. Weitere Stoffe, die FCKW ersetzen sollten, wurden in das Protokoll aufgenommen.
Obwohl die Maßnahmen bereits Jahre zuvor begonnen hatten, erreichte die FCKW-Konzentration in den höheren Schichten der Atmosphäre laut Hassler Mitte bis Ende der 1990er-Jahre ihren Höhepunkt: "Das hat von der Unterzeichnung des Montrealer Protokolls bis dahin gedauert, bis die FCKW in die Stratosphäre, also in die höheren Atmosphären-Schichten, gelangt sind und verteilt wurden."
Ozonschicht erholt sich langsam
Einen Rückgang der Werte habe man dort ungefähr ab dem Jahr 2000 festgestellt, erklärt Garny. Die natürlichen Abbau-Prozesse dauerten aber: "Deswegen ist diese Erholung der Ozonschicht relativ langsam." Bis zum Jahr 2066 könnte es laut einem Anfang 2023 veröffentlichten Bericht der Weltorganisation für Meteorologie und des Umweltprogrammes der Vereinten Nationen dauern, bis sich die Ozonschicht vollständig erholt hat.
Hassler und Garny sind Mit-Autorinnen des Berichts. Die Zahlen stammen aus Modellsimulationen, so Hassler. Sie geben an, bis wann die Ozonschicht wieder den Zustand von 1980 erreicht haben könnte. Es gebe bei der Modellierung Unsicherheiten, statistisch sehe man aber, dass sich die Ozonschicht an vielen Stellen erhole.
Pauschale Aussagen seien wegen natürlicher Schwankungen in der Atmosphäre, die den Ozonabbau beeinflussten und mit Temperaturschwankungen auf der Erde vergleichbar wären, nicht möglich, ergänzt Garny. Es gebe immer noch Jahre mit großen Ozonlöchern.
Für Hassler ist eine der positiven Nachrichten aus dem Bericht, "dass man in den letzten vier Jahren noch mehr Beweise gefunden hat, dass das Montrealer Protokoll tatsächlich funktioniert hat".
Umstieg auf "natürliche Stoffe" als nächster Schritt?
Auch Katja Becken vom Umweltbundesamt beurteilt den Ausstieg aus Stoffen wie FCKW und ihren klimaschädlichen Nachfolgern als "eine wirklich positive Entwicklung auf internationaler Ebene". Gase, die die Ozonschicht abbauen, seien seit Inkrafttreten des Abkommens fast vollständig aus der Produktion und dem Verbrauch herausgenommen worden.
Weiteren Handlungsbedarf sieht Becken unter anderem beim Umstieg auf Stoffe, die nicht chemisch, sondern natürlich seien, zum Beispiel Kohlenstoffdioxid: "Wir haben so viele Schritte gemacht und landen jetzt teilweise wieder bei halogenierten Stoffen, die zwar nicht schädlich sind für die Ozonschicht und auch nicht mehr so für das Klima, kein hohes Treibhaus-Potenzial haben, aber deren Abbauprodukte große Probleme verursachen."
Als Politik hinke man immer hinterher, um international abgesegnete Lösungen zu finden. "Wir müssen ja alle an einen Tisch bringen und das dauert", so Becken.
"Immer weiter überprüfen und hinschauen"
Was passieren kann, wenn das gelingt, zeigt das Abkommen zum Schutz der Ozonschicht. "Es ist immer wieder schön zu sagen: 'Das Montrealer Protokoll wurde von allen unterzeichnet und es hilft tatsächlich'", findet Hassler.
Aber: Es sei essenziell, die Lage weiterhin zu beobachten, betont Garny: "Es ist, denke ich, eine wichtige Aussage, dass - obwohl das Problem gelöst scheint - man trotzdem immer weiter überprüfen und hinschauen muss, ob dann auch das passiert, was man erwartet. Sowohl von politischer Seite als auch von wissenschaftlicher Seite."