Alain Aspect, John F. Clauser und Anton Zeilinger

Nobelpreis für Quantenforscher Die Physik des Unvorstellbaren

Stand: 04.10.2022 16:40 Uhr

Quantenforschung gehört zu den kompliziertesten Disziplinen der Physik - doch sie ist hochaktuell. Denn sie bildet die Grundlage künftiger Technologien, wie Quantencomputer oder Künstlicher Intelligenz.

Von Nina Kunze und Ralf Kölbel, SWR-Wissenschaftsredaktion

Ihre Experimente hätten den Grundstein für eine "neue Ära der Quantentechnologie" gelegt - so begründete die Schwedische Akademie der Wissenschaften ihre Entscheidung, den Franzosen Alain Aspect, den US-Amerikaner John Clauser und den Österreicher Anton Zeilinger mit dem Physik-Nobelpreis zu ehren. Wohl kaum ein anderes Gebiet der Physik ist so komplex und sprengt so sehr die Dimensionen unserer Vorstellungskraft. Worum geht es also?

Drei Quantenforscher erhalten Nobelpreis für Physik - Gespräch mit Helmut Dosch, Direktor Forschungszentrum DESY

tagesschau24 12:00

Quantenphysik versucht, das Unerklärbare zu erklären

Die Quantenforschung ist der Bereich der Physik, der sich mit dem Verhalten und der Wechselwirkung kleinster Teilchen befasst. Vor mehr als 100 Jahren fingen Physiker an, die Regeln zu entschlüsseln, nach denen diese Quantenwelt funktioniert. Seitdem haben sie allerlei Phänomene gefunden, die dem gesunden Menschenverstand widersprechen: beispielsweise, dass Teilchen auch Welleneigenschaften haben können, und dass ihr Zustand immer unscharf ist und vom Zeitpunkt und der Art der Beobachtung abhängt.

Die drei Preisträger haben ein Phänomen erforscht, das selbst Albert Einstein als "spukhafte Fernwirkung" bezeichnete. Sogenannte verschränkte Teilchen verhalten sich wie eine Einheit - selbst wenn sie tausende Kilometer voneinander getrennt sind. Wird der Zustand des einen Teilchens verändert, ändert sich automatisch auch der Zustand des anderen Teilchens. So kann sogar Teleportation zustande kommen - ein Phänomen, das dem Beamen in Science-Fiction-Filmen nahekommt.

Theorie des Beamens

Genau diese Teleportation hat der Österreicher Zeilinger untersucht. Seine Forschung brachte ihm daher in Anlehnung an das legendäre "Beamen" in der Science-Fiction-Serie Star Trek den Spitznamen "Mr. Beam" ein. 1997 gelang Zeilinger erstmals die Übertragung eines Zustands von einem Lichtteilchen auf ein anderes durch Verschränkung - und damit zum ersten Mal die Teleportation.

Clauser und Aspect dagegen beschäftigten sich damit, die Theorie der verschränkten Teilchen zu beweisen. Dafür setzten sie die theoretischen Überlegungen der Quantenphysik in praktische Experimente um: So konstruierte der Amerikaner eine Apparatur, die zwei verschränkte Photonen gleichzeitig ausgesendet habe, teilte die Akademie mit. Dann habe er mit einem Filter die Photonen geprüft und festgestellt, dass diese mit Vorhersagen der Quantenmechanik übereinstimmte.

Grundlagen für Quantencomputer

Heute sind diese Erkenntnisse der Quantenphysik die Grundlage für künftige Technologien. Dazu zählen der Bau von extrem leistungsfähigen Quantencomputern, die sichere Übermittlung von Nachrichten durch Quantenverschlüsselung oder die Entwicklung künstlicher Intelligenz.

"Macht was euch interessiert"

In der Pressekonferenz des Nobelpreis-Komitees sagte Zeilinger: "Ich bin immer noch irgendwie geschockt" - es handle sich aber definitiv um einen "positiven Schock". Eine Sache sei ihm anlässlich der Auszeichnung besonders wichtig, betonte er: Der Preis solle ein Ansporn für junge Menschen sein. Die Auszeichnung für ihn sei nur mit der Hilfe der zahlreichen jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler möglich gewesen, mit denen er über die Jahre zusammengearbeitet habe. Sein Rat: "Macht was euch interessiert, und macht euch nicht zu viele Gedanken um die möglichen Anwendungen."