Nobelpreis für Click-Chemie Moleküle nach dem Lego-Prinzip
Medikamente, Kunststoffe oder andere komplexe Moleküle - lange war ihre Herstellung aufwendig und teuer. Die Click-Chemie hat viele dieser Prozesse radikal vereinfacht - mit einem geschickten Trick.
Jeden Tag werden auf der Welt Millionen von Medikamenten benötigt. Doch für ihre Herstellung, sowie für die von vielen anderen alltäglichen Materialien, werden häufig sehr komplexe Moleküle gebraucht. Diese herzustellen ist oft schwierig, etwa weil der Prozess energieaufwändig und teuer ist oder dabei unerwünschte Nebenprodukte entstehen. Carolyn Bertozzi und K. Barry Sharpless aus den USA sowie der Däne Morten Meldal entwickelten Mechanismen, die diesen Prozess vereinfachen: Die Click-Chemie. Damit ist es möglich, Moleküle aus kleineren Einheiten schnell und zielgerichtet zusammenzubauen, ähnlich wie die Natur das macht.
Moleküle zusammenfügen wie Legosteine
Sharpless und Meldal machten dabei vor rund 20 Jahren unabhängig voneinander eine ähnliche Entdeckung. Sie funktioniert ähnlich wie bei Legosteinen, die aneinander geklickt werden: Man nimmt zwei Moleküle und versieht sie jeweils mit einer sogenannten funktionellen Gruppe, die in dem Fall die Legosteine sind.
Meldal fand weiter heraus, dass das Click-Verfahren wesentlich effizienter ist, wenn man einen bestimmten Stoff hinzufügt, in diesem Fall Kupfer. Die Moleküle reagieren schneller miteinander, es macht "klick" und eine Verbindung entsteht. Mittlerweile gibt es viele weitere Methoden, solch eine Click-Verbindung herzustellen.
Nutzung in lebenden Organismen
Die Biochemikerin Bertozzi entwickelte die Technologie so weiter, dass sie auch in lebenden Zellen eingesetzt werden kann. Konkret fand sie eine Möglichkeit, Click-Verbindungen auch ohne Kupfer in lebenden Organismen durchzuführen - denn Kupfer ist für menschliche Zellen gefährlich. Das Verfahren nennt sich "bioorthogonale Reaktion". Es ist eine chemische Reaktion, die innerhalb von lebenden Systemen ablaufen kann, ohne dabei andere Prozesse zu stören.
Diese Methode wird jetzt schon weltweit eingesetzt, um Zellen zu erforschen und biologische Prozesse zu verfolgen. Außerdem konnten Forschende die Zielgenauigkeit von Krebsmedikamenten verbessern, die in klinischen Versuchen getestet wurden. "Das Gebiet der Click-Chemie befindet sich noch in den Anfängen", sagte Bertozzi in einer Telefonkonferenz nach der Ankündigung des Nobelpreises und fügte hinzu, dass "viele neue Reaktionen entdeckt und erfunden werden müssen".
Die Anwendungsgebiete sind vielfältig
Die Verfahren der Click-Chemie werden etwa in der Pharmazeutik eingesetzt, wie der Chemiker Thomas Brück von der TU München im Gespräch mit tagesschau24 erklärt. Ein konkreter Anwendungsbereich ist die Suche nach neuen Antibiotika. "Wir können potenzielle neue Stoffe mit einem leuchtenden Molekül markieren und können dann verfolgen, wo sie in der Zelle agieren. Man kann dann beispielsweise sagen, dieses Molekül bindet an dieses Protein oder diesen Inhaltsstoff innerhalb der Zelle. Und so kann man dann gezielt dieses Molekül weiterentwickeln, hin zu einem neuen Wirkstoff, der uns hilft, bakterielle Krankheiten zu besiegen."
Umgekehrt sei es aber auch möglich, zu beobachten, wo Bakterien die menschlichen Zellen angreifen. "Krankheitserreger binden oft an spezielle Zuckermoleküle an der Zelloberfläche. Durch einen Marker dort können wir in Echtzeit Krankheitsverläufe verfolgen und identifizieren, wo genau die Erreger binden und wie sie das tun. Und das gibt uns Aufschlüsse, wie wir neue pharmazeutische Wirkstoffe designen können."
Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, die Click-Methode einzusetzen. Zum Beispiel auch bei der Entwicklung von neuartigen Materialien. Hier kann schon vorab bestimmt werden, welche Eigenschaften der neue Werkstoff haben soll.
"Licht auf die chemische Biologie"
Sharpless ist mit dieser Auszeichnung etwas Außergewöhnliches gelungen: Für ihn ist es bereits der zweite Nobelpreis. 2001 wurde er bereits für seine Arbeiten an Oxidationsreaktionen mit dem begehrten Wissenspreis geehrt. Das haben vor ihm nur wenige geschafft, unter anderem die Physikerin und Chemikerin Marie Curie.
Für Bertozzi ist es der erste Nobelpreis - was man ihren Reaktionen auch anmerkte. "Ich bin absolut fassungslos. Ich sitze hier und kann kaum atmen", sagte sie nach der Bekanntgabe. "Ich bin mir immer noch nicht ganz sicher, ob es echt ist, aber es wird von Minute zu Minute realer." Während sie nach eigener Aussage noch keine Zeit gehabt habe, über die Verwendung des Preisgeldes nachzudenken, betonte sie aber bereits: Dass der Preis "ein Licht auf die chemische Biologie wirft, ist eine wunderbare Sache".