Medizinpreis für Mikrobiologen So kommunizieren Bakterien mit unserem Körper
Der Immunologe Dennis Kasper erforscht, wie Bakterien mit dem menschlichen Körper kommunizieren. Für seine Arbeit wird er jetzt mit dem renommierten Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis geehrt.
Der menschliche Körper ist nicht einfach EIN Organismus. Bereits während der Geburt beginnt die Besiedelung: Billionen von Bakterien und anderen Keimen verbreiten sich auf der Haut, im Darm, auf den Schleimhäuten - am Ende bestehen wir aus mehr "Mitbewohnern" als eigenen Zellen.
Das ist ein großer Vorteil: Viele der Mikroorganismen sind sehr nützlich. Wir brauchen sie zum Beispiel, um ein gesundes Immunsystem aufzubauen.
Bacteroides fragilis - ein nützliches Bakterium
Das Forschungsobjekt von Dennis Kasper an der Harvard Medical School ist eines dieser wichtigen, hilfreichen Bakterien in unserem Darm: Bacteroides fragilis. Dieser Mikoorganismus hilft unserem Immunsystem, im Gleichgewicht zu bleiben: im richtigen Moment anzugreifen, aber nicht zu stark zu reagieren. Wie das genau funktioniert, konnte Kasper zeigen. Er entschlüsselte, wie sich das Bakterium vor dem Zugriff des Immunsystems verstecken kann und mit welchen Substanzen es dazu beiträgt, dessen Balance zu halten.
"Dem Preisträger ist es als Erstem gelungen, Kommunikationskanäle in dem Superorganismus aufzudecken, den der Mensch und sein Mikrobiom bilden", erklärt der Vorsitzende des Stiftungsrates, Thomas Boehm.
Er forscht an der Harvard Medical School in Massachusetts: der Mikrobiologe und Immunologe Dennis Kasper
Grundlegende Erkenntnisse für mögliche Therapien
Das bemerkenswerte dabei: Kasper zeigte nicht nur einen statistischen Zusammenhang, sondern entschlüsselte die einzelnen Bausteine, die hierbei eine Rolle spielen. Er konnte belegen, dass sie die Ursache für die veränderte Reaktion des Immunsystems waren.
Vor Kasper wurden vor allem die Eigenschaften von schädlichen Bakterien erforscht. Doch durch seine grundlegenden Erkenntnisse beim nützlichen Bacteroides fragilis eröffnete sich ein neues Forschungsfeld, dass bei der Behandlung von schweren Erkrankungen relevant werden könnte, so der Stiftungsrat des Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstädter-Preises.
Einfluss direkt nach der Geburt
Beispielsweise konnte Kasper zeigen, dass Bacteroides fragilis kurz nach der Geburt im Darm des Neugeborenen Stoffe abgibt. Diese verhindern, dass vermehrt sogenannte Killer-T-Zellen produziert werden. Diese Killer-T-Zellen können eine Rolle spielen, wenn das Immunsystem den eigenen Körper angreift. In Mausversuchen konnte Kasper zeigen: Neugeborene Tiere mit dem Killer-T-Zell-Hemmer von Bacteroides fragilis im Darm hatten später weniger Autoimmunerkrankungen.
Durch Kaspers Forschung verstehen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler heute also besser, wie Bakterien unser Immunsystem beeinflussen und welche Substanzen sie dafür verwenden. Dieses Wissen könnte wiederum genutzt werden, um nach Therapien für Erkrankungen zu suchen, bei denen das Immunsystem aus der Balance geraten ist - beispielsweise Multiple Sklerose oder Colitis Ulcerosa. Für diese grundlegenden Erkenntnisse erhält Kasper am 14. März 2024 in Frankfurt den Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis. Er ist mit 120.000 Euro dotiert.