Das Werk der Blattläuse Was klebt denn da?
Die Hinterlassenschaften von Blattläusen nerven jedes Jahr im Sommer. Dann klebt es unter den Bäumen, und das stört die Besitzer von Fahrzeugen, die dort geparkt haben. Andere Lebewesen freuen sich über den Honigtau.
Wer im Sommer sein Fahrrad, Motorrad oder Auto unter Lindenbäumen parkt, muss damit rechnen, dass es klebt, wenn man das Gefährt wieder abholt. Ein Ärgernis für den Menschen. Alltag für die kleinen Tiere, die dafür verantwortlich sind.
Urheber sind Blattläuse, die auf den Bäumen leben. Sie überwintern auf der Linde und vermehren sich im Frühjahr mit zunehmender Temperatur. "Eine Larve ist nach fünf bis sieben Tagen erwachsen und fängt an, sich selbst zu reproduzieren", erklärt Blattlausexperte Thomas Thieme.
Hunderttausende Blattläuse auf einem Baum
Für die Fortpflanzung werde übrigens nicht unbedingt ein Männchen gebraucht, sie geschehe auch über Jungfernzeugung. "Blattläuse sind so in der Lage, gewaltige Mengen an Nachwuchs zu produzieren. Britische Forscher haben in East Anglia auf einem Baum schon mehrere hunderttausend Blattläuse gezählt."
In Deutschland gibt es 800 verschiedene Blattlausarten.
Weltweit gibt es mehr als 5.000 Blattlausarten, in Deutschland sind es rund 800; auf den Linden leben aber im Prinzip nur zwei Arten. Die eine lebt an der Stammbasis in Blattpseudogallen, die durch die extreme Verdrehung der Triebe entstehen. Sie heißt Patchiella reaumuri und verlässt die Linde aber in der zweiten Generation nach der Überwinterung in Richtung anderer Gewächse. Die den Honigtau in großen Mengen produzierenden "Klebtiere" aber gehören zur Art Eucallipterus tiliae (umgangssprachlich Lindenblattlaus). Sie besiedeln in der Regel die Unterseiten der Blätter.
Geflügelte Blattläuse verarbeiten Nahrung anders
Dort leben sie und ernähren sich vom Siebröhrensaft. "Eigentlich saugen die Blattläuse nicht, sondern sie trinken", sagt Biologe Thieme. Der Siebröhrensaft der Linde steht unter hohem atmosphärischem Druck. Um die Siebröhren zu erreichen, müssen die Blattläuse das Gewebe der Blätter mit ihren Stechborsten intracellulär durchdringen. Sobald sie die Siebröhren mit den Stechborsten angestochen haben, fließt der Saft von selbst in den Magen der Blattläuse.
"Was die Läuse dann aufnehmen, ist eine Speichersubstanz der Pflanze. Darin ist viel Zucker und wenige stickstoffhaltige Verbindungen wie Aminosäuren", sagt Thieme. Die Blattläuse nehmen deshalb viel Saft auf und scheiden den als Kot aus. Es gibt aber auch Unterschiede, je nachdem, ob sich die Blattläuse zu Geflügelten oder Ungeflügelten entwickeln. Die Geflügelten haben andere Ansprüche an ihre Nahrung, weil sie viel Energie im Körper speichern müssen, um überhaupt fliegen zu können. Hierfür nehmen sie viel Zucker auf, der als Fett die Energieversorgung während des Fluges sichert. Das Fliegen ist notwendig, um bei hoher Besiedlungsdichte, Verschlechterung der Futterqualität ihrer Wirtspflanzen oder im Rahmen eines jahreszeitlich bedingten Wirtswechsels eine neue Wirtspflanze zu finden.
Geflügelte Blattläuse benötigen mehr Energie, weil die Flugmuskulatur versorgt werden muss.
Blattläuse ohne Flügel sind für Reproduktion zuständig
Die Hauptaufgabe der ungeflügelten Blattläuse besteht dagegen darin, Nachwuchs zu produzieren. "Die sind mehr daran interessiert, Proteine aufzunehmen, um Ressourcen für die Bildung des Nachwuchses zu haben", so Blattlausexperte Thieme. An der Linde sei es dann so, dass der Saft, den sie nicht verbrauchen, als sogenannter Honigtau ausgeschieden wird. Der trocknet und bleibt als klebrige Schicht übrig.
Für ein Auto ist diese Schicht eigentlich nicht gefährlich. Man könne sie sehr leicht mit warmem Wasser abwaschen, so Thieme. Zum Problem könnte es werden, wenn die Zuckerschicht so lange auf dem Auto bleibt, dass sich sogenannte Rußtaupilze ansiedeln. Dann wiederum verfärbt sich das Ganze schwarz, und die Pilze können die Lackoberfläche beschädigen.
Bienen dient der Honigtau als Nahrung
Die Pilze seien aber nicht die einzigen, die profitieren. Auch Ameisen und Bienen dient der Honigtau als Nahrung, was Imkern die Möglichkeit gibt, den sogenannten Waldtrachthonig zu produzieren. Letztendlich sei das nichts anderes als der Kot von Blattläusen, sagt Experte Thomas Thieme. "Und das wird dann als Waldtrachthonig verkauft, weil viele Leute nicht begeistert sind, wenn auf dem Glas Blattlauskacke steht."
Blattläuse im Einsatz für den Umweltschutz
Thieme bricht aber auch eine Lanze für die Blattläuse, denn ihre Lebensweise hat auch andere Effekte. "Blattläuse werden immer nur als Schreckgespenster gesehen und der Honigtau als lästige Erscheinung." Forschende in der Schweiz haben festgestellt, dass mit zunehmender Belastung der Bäume durch Umweltverschmutzung die Blattläuse gefördert werden.
Die gestresste Pflanze erhöhe den Gehalt an stickstoffhaltigen Verbindungen im Siebröhrensaft, so Thieme. An solchen Bäumen gibt es dann größere Blattlauskolonien. "Wenn diese Blattläuse in Bereichen aktiv sind, in denen sehr viele Schadstoffe in der Luft sind, dann haben wir eine extreme Beschichtung mit klebrigen Substanzen." Der klebrige Honigtau eigne sich wiederum sehr gut, um Schwermetalle aus der Luft zu binden.
"Das heißt, die Tiere tragen mit ihrem Kot dazu bei, dass die Schwermetalle, die vom Straßenverkehr emittiert werden, nicht so weit in Besiedlungsgebiete, in Wohnbereiche reingehen." Diesen Gedanken, so Blattlausexperte Thieme, sollte man aufgreifen und weiter untersuchen.