Skulpturen aus Afrika Material für Benin-Bronzen kam aus Deutschland
Erst kürzlich wurden zahlreiche Benin-Bronzen zurück nach Nigeria gegeben, ihrem Herkunftsland. Die Rohstoffe für die Skulpturen stammen jedoch aus dem Rheinland, wie eine Studie zeigt. Von dort nahmen sie einen abenteuerlichen Weg nach Afrika.
Das Material für viele Benin-Bronzen stammt aus dem Rheinland zwischen Köln und Aachen. Das hat eine Untersuchung von Bleiisotopen in Manillen - Armreifen aus Messing - ergeben. Sie wurden früher oft für die Herstellung der Benin-Bronzen eingeschmolzen. Das ist das Ergebnis einer Studie von Forschern der Technischen Hochschule Georg Agricola in Bochum, die in der Fachzeitschrift "Plos One" erschienen ist.
Handelsvertrag mit Fuggern
Ein Vertrag der deutschen Kaufmannsfamilie Fugger mit dem portugiesischen König aus dem Jahr 1548 über die Lieferung von Manillen macht die Analyseergebnisse plausibel. "Die rheinischen Manillen wurden dann über 6300 Kilometer nach Westafrika transportiert", sagte Studienautor Tobias Skowronek laut Mitteilung des Fachjournals.
Bekannt war bisher, dass die sehr gleichförmigen Bleiisotopen-Verhältnisse in vielen der Benin-Bronzen auf eine einzelne Hauptmaterialquelle hindeuten. Auch die Verwendung von Manillen, die in Westafrika als Zahlungsmittel gebräuchlich waren, für die Kunstwerke aus Metall aus dem Königreich Benin, war geklärt.
Eine Manille, die an einem Teil eines Topfes eines flämischen Händlers befestigt ist. Das Stück wurde vor Getaria in Nordspanien ausgegraben.
Zahlreiche Manillen untersucht
Isotope sind Atome eines Elements, die eine gleiche Anzahl von Protonen und Elektronen haben, sich jedoch in der Anzahl von Neutronen unterscheiden. Nachweisen kann man diese mithilfe eines Massenspektrometers. Für die Untersuchung standen den Wissenschaftlern 67 Manillen aus fünf Schiffwracks zur Verfügung, die auf das 16. bis 19. Jahrhundert datiert wurden. Die Wracks lagen in afrikanischen, europäischen und amerikanischen Gewässern des Atlantiks. Weitere Manillen stammten aus Schweden, Ghana und Sierra Leone.
Skowronek und seine Kollegen untersuchten zum einen Bleiisotopen-Verhältnisse, zum anderen den Anteil von Spurenelementen, wie Antimon, Nickel, Arsen und Eisen. Trotz der Bezeichnung Benin-Bronzen bestehen die meisten der Kunstwerke aus Messing, das vor allem Kupfer und Zink, oft aber auch Blei, Zinn und weitere Elemente enthält.
Die räumliche Zuordnung der Rohstoffe gelang über ein Register: "Wir haben hier am Deutschen Bergbaumuseum eine Datenbank, die etwa 12.000 Bleiisotopenverhältnisse von Lagerstätten aus der ganzen Welt enthält. Sowohl die frühen Manillen als auch die daraus hergestellten Benin-Bronzen weisen erstaunliche Ähnlichkeit mit den Blei-Zinkerz-Lagern im Rheinland auf", so Skowronek gegenüber tagesschau.de.
Grundlage vieler Bronzen
Von den Benin-Bronzen existieren laut dem Materialforscher bereits 700 chemische und etwa 200 Bleiisotopendaten, daher mussten die Skulpturen nicht extra untersucht werden. Da diese Daten aus verschiedenen internationalen Museen stammen, sei es statistisch gesehen sehr wahrscheinlich, dass im Großteil aller Skulpturen Material aus dem Rheinland steckt.
Es gab schon vorher den Verdacht, es könne Material aus Deutschland nach Westafrika gelangt sein. Dass dies über die Manillen geschah, konnte aber laut den Forschern nicht bewiesen werden. "Was mich überrascht hat, war die außerordentliche Homogenität der Bleiisotopendaten der Benin-Bronzen - das deutet darauf hin, dass die Lagerstätten im Rheinland über viele Jahrhunderte für die Messingversorgung Westafrikas ausgebeutet wurden", so Skowronek.
Messing aus dem Rheinland begehrt
Manillen wurden in Europa fast ausschließlich für den Handel mit Afrika hergestellt. Vom 15. Jahrhundert an waren es vor allem Portugiesen, die mit westafrikanischen Völkern Handel betrieben, später kamen anderen Kolonialmächte hinzu. Die teilweise mehrere Kilogramm schweren Armreife wurden vor allem als Währung im Sklavenhandel eingesetzt.
Historischen Quellen zufolge waren afrikanische Händler sehr wählerisch, was die Qualität der Manillen anging. Dass sie Messing aus dem Rheinland bevorzugten, könnte an dem relativ hohen Bleigehalt (bis zu 14 Prozent des Gewichts) gelegen haben. "Blei in Messing führt zu einer leicht fließenden Legierung und verringert die Porosität, wodurch die Legierung besser zum Gießen geeignet ist", schreiben die Studienautoren.
Wichtig, um Fälschungen zu erkennen
Stefan Simon, Direktor des Rathgen-Forschungslabors der Staatlichen Museen zu Berlin, ist sehr angetan von der Studie. Sie sei ein großer Schritt zur Aufklärung der Frage, wie das Rohmaterial nach Benin kam.
Für sein Labor war es vor allem wichtig, anhand der Materialzusammensetzung Fälschungen zu erkennen. Denn nach der sensationellen Entdeckung der Benin-Bronzen 1897 durch die Briten seien immer wieder Nachahmungen auf den Kunstmarkt gelangt. Auch die Altersbestimmung war wichtig.
Lars-Christian Koch, Direktor des Ethnologischen Museums der Staatlichen Museen zu Berlin, geht davon aus, dass die Erkenntnisse aus der Studie die Debatte um die Rückgabe der Benin-Bronzen an Nigeria nicht sehr verändern wird. Schon zuvor gab es von manchen Seiten Kritik an der Rückgabe, unter anderem, weil die Manillen auch im Sklavenhandel eingesetzt wurden.
"Für uns ist wichtig, dass wir neue Forschungsansätze zusammen mit unseren Partnern in Nigeria verfolgen", sagt Koch. Denn auch naturwissenschaftliche Analysen seien zur Interpretation auf ethnologische und andere geisteswissenschaftliche Erkenntnisse sowie auf historische Quellen und Überlieferungen angewiesen.