Rückgabe von Benin-Bronzen "Wir heilen damit eine Wunde"
Mit den Benin-Bronzen gibt Deutschland einen Kulturschatz aus Kolonialzeiten frei für die Rückgabe. Das Eigentumsrecht geht an Nigeria über. Beide Länder unterzeichneten eine entsprechende Absichtserklärung.
Sie stehen exemplarisch für die Rückgabe von Kunstgegenständen, deren Status als Raubgut aus der Kolonialzeit dokumentiert ist: die Benin-Bronzen. Etwa 1100 Bronze-Skulpturen, Reliefs und andere Kunstgegenstände aus dem Palast des damaligen Königreichs Benin, das heute zu Nigeria gehört.
Eigentumsrecht geht an Nigeria über
Diese Benin-Bronzen befinden sich in mehreren deutschen Museen. Sie stammen größtenteils aus Plünderungen durch britische Truppen im Jahr 1897 im damaligen Benin. Nun sollen sie in den Besitz Nigerias übergehen. Außenministerin Annalena Baerbock und Kulturstaatsministerin Claudia Roth haben die entsprechende Absichtserklärung mit ihren nigerianischen Kollegen unterzeichnet.
Damit soll das Eigentumsrecht an den Kunstgegenständen an Nigeria übergehen. Zwei der Bronzen aus dem Ethnologischen Museum in Berlin werden die Abgesandten der nigerianischen Regierung bei der Rückreise mitnehmen. Die übrigen bleiben vorerst in Deutschland, jedoch fortan als Leihgaben Nigerias.
Baerbock: Zu lange behalten und nicht zurückgegeben
Baerbock sagte, der Raub der Bronzen sei ein Unrecht gewesen, dass es nun wiedergutzumachen gelte. "Das ist nicht nur ein Tag der Freude, sondern wir heilen damit auch eine Wunde", so die Grünen-Politikerin. "Wir stellen uns - endlich, muss man sagen - unserer Kolonialgeschichte." Das sei keine Geste, sondern das sei ein Stück Gerechtigkeit.
Baerbock sagte weiter, die Benin-Bronzen seien unrechtmäßig genommen worden. Und vor allen Dingen seien sie viel zu lange behalten und nicht zurückgegeben worden. "Wir sorgen für das kulturelle Erbe, die kulturelle Geschichte Afrikas."
Dies sei erst der Anfang einer größeren Rückgabe, so Baerbock bei der Unterzeichnung des Abkommens. Nigerias Kulturminister Lai Mohammed bezeichnete diesen Tag als Beginn einer neuen Ära in der Zusammenarbeit beider Länder.
Roth: Intensive Beschäftigung mit Kolonialgeschichte
Kulturstaatsministerin Claudia Roth zeigte sich ebenfalls erfreut und sagte, der Tag der Rückgabe sei der Beginn einer intensiven Beschäftigung mit der deutschen Kolonialgeschichte. Es gebe einen weißen Fleck in der Auseinandersetzung mit dieser Vergangenheit.
"Mit diesem Tag beginnen wir damit, uns mit Sklaverei, kolonialem Unrecht und Rassismus zu beschäftigen. Und ich glaube, damit ist nicht nur etwas passiert, das wichtig für uns ist, sondern es ist eine ausgestreckte Hand, ein Dankeschön an Nigeria und an Benin, die uns die Hand gegeben haben und die uns vertraut haben, dass mit diesem Tag eine neue Beziehung möglich ist: eine Beziehung, die in die Zukunft reicht", sagte Roth.
Vereinbarung betrifft zunächst fünf Museen
Die Vereinbarung betrifft fünf deutsche Museen: das Ethnologische Museum in Berlin, das Hamburger Museum am Rothenbaum, das Kölner Rautenstrauch-Joest-Musem, die Völkerkundemuseen in Leipzig und Dresden, und das Stuttgarter Lindenmuseum. Die übrigen 15 deutschen Museen mit Benin-Bronzen im Bestand sollen diese nach und nach ebenfalls planmäßig restituieren, also an die ursprünglichen Besitzer zurückgeben.
Laut Vereinbarung dürfen nigerianische Museen künftig selbst entscheiden, welche der Bronzen aus Deutschland verliehen werden und wie sie präsentiert werden. Besucherinnen und Besucher des Berliner Humboldt-Forums werden dies von September an sehen können. Dort sollen 400 der Benin-Bronzen aus der Berliner Sammlung gezeigt werden.
5000 Benin-Bronzen in europäischen Museen
Die insgesamt etwa 5000 Benin-Bronzen, die vor allem in Museen in Europa liegen, stehen beispielhaft für viele andere Kunstwerke, die als Raubgut gelten. Das hat etwas mit ihrem Wert zu tun, mit ihrer Beliebtheit als Ausstellungsobjekte und damit, dass ihr Status als Raubgut unbestritten ist.
Teil des Abkommens ist auch, dass Deutschland finanzielle Hilfe zum Bau eines Museums in Benin-City gibt und bei der Ausbildung des Personals hilft. Das soll dazu beitragen, im Herkunftsland restituierter Kunst eine Museumsinfrastruktur zu schaffen, die bislang noch fehlt.
Restituierung auch ohne physische Rückgabe
Die Rückübertragung von Eigentum, das zeigt das aktuelle Abkommen, kann auch erfolgen, ohne die Gegenstände selbst physisch zurückzugeben. Schon in den vergangenen Monaten haben Universitäten und Museen in Europa und den USA mehrfach Benin-Bronzen zurückgegeben. Darunter ist auch die Rückgabe von 26 Werken aus einem Pariser Museum an das Land Benin. Eine so umfangreiche Restitution wie die jetzige aus Deutschland an Nigeria gab es allerdings bislang noch nicht.
Der gemeinsamen Vereinbarung ging eine öffentliche und parlamentarische Diskussion voraus. Zum Thema Rückübertragungen von Eigentum an Kulturgütern hat auch der Kulturausschuss des deutschen Bundestages mehrfach getagt - einschließlich mehrerer Anhörungen von Expertinnen und Experten deutscher Museen.