Das veröffentlichte Handout-Bild zeigt die Position des neu entdeckten Doppelsterns D9.

Astronomie Doppelstern im Zentrum der Milchstraße entdeckt

Stand: 08.01.2025 02:06 Uhr

Sternenpaare sind an und für sich nichts Besonderes. Jetzt aber hat ein Forschungsteam erstmals einen Doppelstern aufgespürt, der das Schwarze Loch auf einer engen Umlaufbahn umkreist.

Die Entdeckung ist Zufall und Glücksfall zugleich: In der unmittelbaren Umgebung des großen Schwarzen Lochs im Zentrum der Milchstraße haben Forschende aus Deutschland und Tschechien einen Doppelstern entdeckt.

Solche Sternenpaare sind für sich genommen nichts Besonderes - die meisten Sterne sind keine Einzelgänger, sondern bilden Paare oder sogar Mehrfachsysteme. Doch das jetzt aufgespürte Himmelsobjekt D9 ist der bislang einzige Doppelstern, der das supermassereiche Schwarze Loch auf einer engen Umlaufbahn umkreist, wie die Wissenschaftler im Fachblatt Nature Communications betonen. "Schwarze Löcher sind nicht so zerstörerisch, wie wir dachten", erläutert Florian Peißker von der Universität Köln, der maßgeblich an der Entdeckung beteiligt war.

Bereits in den 1990er-Jahren entdeckten Astronomen im Mittelpunkt unserer Galaxie, der Milchstraße, ein Schwarzes Loch mit der viermillionenfachen Masse unserer Sonne. Gingen die Himmelsforscher zunächst davon aus, in der Umgebung des Schwarzen Lochs könnten aufgrund der starken Schwerkraft keine Sterne entstehen, so mussten sie sich inzwischen korrigieren: Sogar im engsten Umkreis von weniger als einem Lichtjahr ziehen viele Sterne ihre rasante Bahn.

Sterne versuchen, dem Schwarzen Loch zu entkommen

Die Sterne erreichen teilweise Geschwindigkeiten von mehreren Tausend Kilometern pro Sekunde, nur so können sie der starken Anziehungskraft des Schwarzen Lochs entkommen. Bei derart extremen Verhältnissen wunderte es die Forscher nicht, dass es in dieser Region nur einzelne Sterne, aber keine Doppelsterne zu geben schien. Doch auch hier müssen die Astronomen durch die Entdeckung von D9 nun ihre Ansichten revidieren.

Peißker und seine Kollegen stießen durch Zufall auf den Doppelstern. Das Team zielte bei seinen Beobachtungen auf sogenannte G-Objekte, die gemeinsam mit den Sternen um das Schwarze Loch kreisen. Sie verhalten sich dabei zwar wie die Sterne, sehen aber aus wie kleine Wolken aus Gas und Staub.

Daten aus 15 Jahren flossen ein

Bei Beobachtungen dieser rätselhaften Himmelskörper stolperte Peißker auf seltsame, regelmäßige Schwankungen der Geschwindigkeit des Sterns D9. "Ich dachte zunächst, dass ich bei meiner Auswertung einen Fehler gemacht hatte", sagt der Forscher. Doch das Muster erstreckte sich über alle in einem Zeitraum von 15 Jahren gesammelte Daten. Damit gab es nur eine mögliche Erklärung: Es muss sich nicht um einen Stern, sondern um zwei Sterne handeln, die sich gegenseitig umkreisen und deshalb die beobachteten Änderungen der Geschwindigkeit verursachen.

Die Beobachtungen des Teams zeigen, dass es sich um zwei Sterne mit der 2,8- und 0,7-fachen Masse der Sonne handelt, die sich mit einer Umlaufzeit von 372 Tagen etwa im anderthalbfachen Abstand Erde-Sonne umkreisen. Diesem astronomisch gesehen geringen Abstand verdankt das System seine Stabilität - wäre er wesentlich größer, so würde die Anziehungskraft des Schwarzen Lochs das Sternenpaar auseinanderreißen.

Der Doppelstern ist etwa 2,7 Millionen Jahre alt

Dauerhaft stabil ist D9 gleichwohl nicht. Die Nähe des Schwarzen Lochs stört die Umlaufbahn und führt dazu, dass sich die beiden Sterne einander annähern und schließlich miteinander verschmelzen. Deshalb ist die Entdeckung zusätzlich ein Glücksfall für die Astronomen: Der Doppelstern ist etwa 2,7 Millionen Jahre alt - schon in etwa einer Million Jahren dürfte er durch die Verschmelzung wieder verschwunden sein. "Astronomisch gesehen haben wir also nur ein kurzes Zeitfenster, um einen solchen Doppelstern zu beobachten", erklärt Emma Bordier von der Universität Köln, "und das ist uns gelungen!"

Die Entdeckung von D9, obwohl ungeplant, könnte das Team um Peißker und Bordier aber auch ihrem eigentlich Ziel, der Enträtselung der geheimnisvollen G-Objekte, näher bringen. Die Forscher vermuten, es könne sich bei diesen um eine Kombination aus Doppelsternen, die noch nicht verschmolzen sind, und den Überresten bereits verschmolzener Sterne handeln.

Weitere Forschung ist nötig

Bleibt die Frage, wie die Sterne überhaupt so nah an dem großen Schwarzen Loch im galaktischen Zentrum entstehen konnten. Mit neuen Instrumenten an der Europäischen Südsternwarte ESO in Chile hoffen die Wissenschaftler, diese Frage schon bald beantworten zu können. Und nach der Entdeckung des Doppelsterns hält Peißker sogar die Existenz von Planeten in dieser extremen Region für möglich: "Der Nachweis von Planeten im galaktischen Zentrum scheint nur eine Frage der Zeit zu sein."

Quelle: dpa/fwt