Befürchtete Wirtschaftsflaute Was würde eine Rezession für die US-Wahl bedeuten?
Droht den USA eine Rezession? Eine Wirtschaftsflaute hätte möglicherweise auch politische Auswirkungen, denn sie könnte zu einem zentralen Wahlkampfthema werden.
Kamala Harris oder Donald Trump? Wer macht im November das Rennen und zieht als Nachfolgerin oder Nachfolger von Joe Biden in das Weiße Haus ein? Einen Einfluss auf diese Entscheidung dürfte wohl vor allem die Entwicklung der US-amerikanischen Wirtschaft in der nächsten Zeit haben. Denn die Wirtschaft gilt neben der Flüchtlingsthematik zu den Themen, die die Amerikanerinnen und Amerikaner am meisten beschäftigen.
"Die wirtschaftliche Entwicklung im Wahljahr spielt in den USA traditionell eine große Rolle. Seit dem Wahlkampf von Clinton gegen Bush im Jahr 1992 gilt der Wahlkampf-Slogan 'It’s the economy, stupid' als Ausdruck dieser Bedeutung", sagt Volkswirt Eckhard Janeba von der Universität Mannheim gegenüber tagesschau.de. Bill Clinton hatte den Ausspruch, der so viel bedeutet wie: "Es ist die Wirtschaft, Dummkopf!", geprägt.
Janebas Aussage unterstützt auch Guido Baldi vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW): "Die wirtschaftliche Lage ist in den USA bei Wahlen jeweils vielleicht noch wichtiger als in anderen Ländern." Das betreffe vor allem die Menschen, die noch unsicher seien, wen sie wählen sollen. "Viele Menschen in den USA dürften zwar ihre Wahlentscheidung schon getroffen haben. Aber gerade bei den Unentschlossenen könnte die wirtschaftliche Lage am Schluss eine entscheidende Rolle spielen", so Baldi gegenüber tagesschau.de.
Schwache Konjunkturdaten in den USA
Vor allem eine mögliche Rezession in den USA beschäftigt die Menschen derzeit. Unter Rezession wird ein deutlicher Rückgang der Aktivität über die gesamte Wirtschaft verstanden, der über mehrere Monate andauert. Die Sorgen um eine Rezession wurden durch mehrere Faktoren ausgelöst.
Der bisher robuste Arbeitsmarkt in den USA zeigt Anzeichen von Schwäche. Die Arbeitslosigkeit in den USA ist im Juli auf den höchsten Stand seit mehr als zweieinhalb Jahren gestiegen. Wie das Arbeitsministerium in Washington vergangene Woche mitteilte, wurden unter dem Strich nur 114.000 neue Stellen geschaffen, die Arbeitslosenquote wuchs damit im Vergleich zum Vormonat um 0,2 Prozentpunkte auf 4,3 Prozent. Analysten hatten mit 185.000 neuen Jobs und einer unveränderten Arbeitslosenquote von 4,1 Prozent gerechnet.
Außerdem hat die US-Industrie im Juni überraschend den zweiten Monat in Folge weniger Aufträge erhalten. Die Bestellungen sanken um 3,3 Prozent im Vergleich zum Vormonat. Der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe in den USA sank im Juni ebenfalls auf 46,8 Punkte von 48,5 Zählern. Ökonomen hatten mit einem Anstieg des Barometers auf 48,8 Punkte gerechnet.
Wie wahrscheinlich ist eine US-Rezession?
Die Ökonomen der US-Investmentbank Goldman Sachs haben die Wahrscheinlichkeit für eine Rezession in den USA für die kommenden zwölf Monate auf 25 Prozent angehoben. Bislang waren sie nur von 15 Prozent ausgegangen. Noch pessimistischer zeigen sich die Analysten von JPMorgan, die die Wahrscheinlichkeit einer US-Rezession auf 50 Prozent schätzen. "Eine Rezession in den USA ist durchaus möglich, wenn auch nicht sehr wahrscheinlich", sagt Volkswirt Janeba.
Der US-amerikanische Makroökonom Michael Burda glaubt an einen wirtschaftlichen Abschwung. "Ich halte eine Rezession in den USA für relativ wahrscheinlich, aber erst im Jahr 2025", so Burda gegenüber tagesschau.de. Die Korrektur am Aktienmarkt sei ein zuverlässiger Vorbote der Verlangsamung des BIP-Wachstums, der Arbeitsmarkt ein nachziehender Indikator.
Rezession hätte negative Folgen für Demokraten
Die wirtschaftlichen Entwicklungen generell haben große Folgen für den US-Wahlkampf. "Eine Rezession würde die Wahlkampfaussichten der Demokraten als Partei des Präsidenten negativ beeinflussen und es würde die Wirtschaftspolitik weiter politisieren", sagt Volkswirt Janeba.
Trump versuche bereits, alle negativen Entwicklungen den Demokraten unter Präsident Biden anzulasten, darunter hohe Zinsen und Inflation. Dabei könnten diese nicht direkt von der Regierung bestimmt werden. "Eine Rezession würde hier noch direkter der Regierung angelastet werden - und damit Harris schaden und Trump nützen."
Die Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, Kamala Harris, und ihr Vize Tim Walz.
Das glaubt auch Wirtschaftsexperte Baldi: "Es ist damit zu rechnen, dass eine Rezession oder auch die sowieso erwartete Abschwächung des Wirtschaftswachstums der Partei angekreidet wird, die an der Macht ist". Eine Rezession würde ihm zufolge somit Kamala Harris mehr schaden als Donald Trump. "Interessanterweise wird die wirtschaftliche Lage in Umfragen ohnehin schon von republikanischen Wählern schlechter eingeschätzt als von demokratischen Wähler", so Baldi.
"Herausforderer mit vielen Versprechen"
Nach den Einbrüchen infolge der Corona-Pandemie im Jahr 2020 und des Angriffs Russlands auf die Ukraine zwei Jahre später entwickelte sich die US-Wirtschaft unter Biden trotz massiver Leitzinserhöhungen recht stabil. Während das BIP-Wachstum in Deutschland 2023 ein Minus von 0,3 Prozent verzeichnete, stand in den Vereinigten Staaten unter dem Strich eine Steigerung von 2,5 Prozent. Im zweiten Quartal 2024 wuchs das Bruttoinlandsprodukt auf das Jahr hochgerechnet um 2,8 Prozent - doppelt so schnell wie in den ersten drei Monaten.
Darüber hinaus ließ auch der Preisdruck nach. Im Juni legten die US-Verbraucherpreise nur noch um 3,0 Prozent zum Vorjahresmonat zu. Zum Vergleich: Vor zwei Jahren lag die Inflationsrate noch bei 9,1 Prozent.
US-Wirtschaftsexperte Baldi beobachtet, dass Joe Biden für die wirtschaftliche Erholung nach der Pandemie "erstaunlich wenig Zuspruch" erhält. Hingegen werde ihm vor allem die hohe Inflation der Jahre 2022 und 2023 angelastet. "Das färbt auch auf Kamala Harris ab. Donald Trump kann sich auf der anderen Seite als Herausforderer ohne Regierungsverantwortung mit vielen Versprechen profilieren."
Der Präsidentschaftskandidat der Republikaner, Donald Trump (rechts), und sein Vize J. D. Vance.
Zinssenkung der Fed von Bedeutung
US-Ökonom Burda glaubt, dass Trump die wirtschaftliche Entwicklung für sich nutzen wird: "Trump wird versuchen, dies auszuschlachten, aber der Arbeitsmarkt ist sehr gut aufgestellt und wird erst nächstes Jahr ein Problem sein." Trump werde versuchen, die Talfahrt an den Börsen zu nutzen und zu sagen, "dass die 'Linken Demokraten' die Investoren verscheuchen würden". Das liege allerdings an den Zinserhöhungen und "der fehlenden Bereitschaft der Fed" diese zurückzunehmen - und nicht an der Regierung.
Damit spricht Burda einen wichtigen Faktor an: Die künftigen Entscheidungen der Zentralbank Federal Reserve (Fed) dürften ebenfalls Auswirkungen auf den Wahlkampf haben. Es wird erwartet, dass die Fed die Zinsen im September senken wird. "Senkt sie die Zinsen stark, könnte das als Wahlhilfe für Harris interpretiert werden, tut sie es nicht oder nur in 'normalem' Umfang, könnte das als Unterstützung von Trump gewertet werden", analysiert Volkswirkt Janeba.