Chinesische Fabrik im Bau Gigantische Batteriepläne in Ungarn
9000 Arbeitsplätze sollen in Ungarns zweitgrößter Stadt Debrecen entstehen. Der chinesische Konzern CATL baut dort eine E-Auto-Batteriefabrik. Anwohner befürchten eine Umweltkatastrophe.
Unzählige Bagger und Kräne bearbeiten ein gigantisches Kiesfeld, weiter als das Auge reicht. In der ungarischen Tiefebene direkt bei Debrecen, Ungarns zweitgrößter Stadt, entsteht auf einer Fläche von 300 Fußballfeldern eine neue Batteriefabrik des chinesischen Herstellers CATL. Die gigantische Fabrik ist die größte ausländische Investition in Ungarn aller Zeiten.
Der chinesische Konzern CATL gehört zu den weltgrößten Herstellern von Akkus für Elektroautos. Unter anderem Mercedes-Benz bezieht Batteriezellen von dem asiatischen Unternehmen. Ende 2022 hatte CATL bereits in seiner ersten europäischen Fabrik im thüringischen Erfurt die Produktion begonnen. Dieses Werk ist aber erheblich kleiner als der geplante Standort in Ungarn. Während in Erfurt eine Produktionskapazität von zunächst 14 Gigawattstunden vorgesehen ist, sollen es in Debrecen bis zu 100 Gigawattstunden werden.
Laut Außenminister Szijjarto stehe sein Land bei der Batteriefertigung derzeit weltweit auf Rang vier. Wenn dann alle neuen Werke laufen würden, könne man sogar auf Platz zwei aufrücken. Ein ehrgeiziges Ziel, mit dem die lokale Bevölkerung alles andere als einverstanden ist.
"Abhängig von Russland und China"
Laut einer Umfrage sind zwei Drittel der Menschen in Debrecen gegen den Bau der neuen Fabrik. Seit einigen Monaten hat sich Widerstand formiert. Mit dabei ist auch die 40-Jährige Ingenieurin Eva Kozma, deren Dorf nur rund zwei Kilometer von der Baustelle entfernt liegt.
Eva Kozma wohnt unweit der Baustelle für die neue Batteriefabrik.
Sie sorgt sich nicht nur, dass das neue Werk die Umwelt belasten könnte, sondern warnt auch vor dem enormen Energieverbrauch: "Diese Fabrik wird ein schrecklicher Energiefresser sein. Im Winter mussten meine Kinder bei 18 Grad in der Schule sitzen, weil wir Energie sparen mussten. Wir werden immer abhängig von ausländischer Energie sein. Dann sind wir nicht mehr nur von Russland abhängig, sondern auch von China."
Finanzielle Anreize für chinesische Investoren
Experten wie Tamás Matura, der für einen Thinktank Chinas Einfluss in Ungarn analysiert, sprechen von einem Schneeballeffekt. Chinesische Investoren hätten seit zwanzig Jahren Tradition im Land. Die ungarische Regierung rolle ihnen förmlich den roten Teppich aus.
Den Deal mit CATL soll Premierminister Viktor Orban mit finanziellen Anreizen in Höhe von 800 Millionen Euro an Land gezogen haben. Das Gelände ist bereits an die Chinesen verkauft. Die hätten im Gegenzug in Ungarn Zugang zum EU-Binnenmarkt und keine politischen Schwierigkeiten, so Matura.
Hoher Wasserverbauch in Dürreregion
Das Problem bei einer Batteriefabrik dieser Größenordnung sei allerdings die Tatsache, dass man enorm viel Wasser, Energie und Arbeitskräfte benötige - Ungarn habe nichts davon. Das 10-Millionen-Einwohner-Land stützt einen Teil seiner Energieversorgung immer noch auf lange Lieferverträge für Erdgas mit Russland. Die neue Fabrik würde somit nicht nur die Abhängigkeit von China, sondern auch die von Russland erhöhen.
Das zweite Problem neben dem enormen Energieverbrauch ist das Wasser. Im vergangenen Sommer herrschte in der Gegend um Debrecen eine historische Dürre. Seen trockneten aus, Fische verendeten, Ernten verdorrten. Dass nun genau hier ein derart wasserintensiver Industriezweig entstehen soll, verstehen die Anwohnerinnen und Anwohner nicht. Landwirte fürchten um ihre Saat und warnen vor einer Katastrophe, sollten ihre Brunnen austrocknen. CATL und die lokalen Behörden versuchen, die Ängste zu zerstreuen. Der chinesische Investor lässt wissen, der Wasserbedarf solle vor allem durch Abwasser gedeckt werden.
Fabrik braucht Fachkräfte aus dem Ausland
In der Mittagshitze ziehen Eva und ihre Mitstreiterinnen durch das Dorf Mikepercs, verteilen Flyer an Passanten, wollen möglichst viele Bürger überzeugen, sich ihrem Protest anzuschließen. Die älteste von ihnen, eine forsche Dame mit blondem Kurzhaarschnitt, trägt ein übergroßes weißes Shirt, bedruckt mit einer Akkufabrik, daneben ein Totenkopf. Sie alle haben Angst um ihre Heimat, haben die Sorge, dass giftige Stoffe in den Boden oder die Luft gelangen könnten.
Auf der Baustelle der geplanten Batteriefabrik in Debrecen stehen die Maschinen.
Laszlo Papp, Bürgermeister der Stadt Debrecen und Mitglied in Orbans Regierungspartei Fidesz, widerspricht. Er sieht das Werk als wichtigen Baustein hin zur E-Mobilität und verspricht, dass auch die chinesischen Investoren sauber produzieren müssen: "Ungarn und Debrecen sind nicht die Müllkippe Europas. Hier gelten die gleichen Umweltschutzstandards wie in anderen Gebieten der Europäischen Union", sagt der Bürgermeister. Und fügt hinzu: "Wir setzen diese konsequent und sehr strikt um und erwarten von unseren Investoren, dass sie diese Kriterien und Umweltschutzstandards auch einhalten, und wir werden sie dazu zwingen."
Allerdings räumt er ein, dass der Bedarf von 9000 Arbeitskräften nicht mit ungarischen Arbeitern allein gedeckt werden könne. Auch in Ungarn fehlen Fachkräfte. Für ausländische Arbeitskräfte ist das Land allerdings, auch durch Orbans migrationsfeindliche Rhetorik, wenig attraktiv.