Vor der Parlamentswahl Wie stark ist Spaniens Wirtschaft wirklich?
Spanien steht vor der Neuwahl am Sonntag wirtschaftlich nicht schlecht da. Die Inflation lag zuletzt bei 1,6 Prozent und es gibt so viele sozialversicherungspflichtige Jobs wie nie zuvor. Woran liegt das - und wie nachhaltig ist es?
Pedro Sánchez im Wahlkampf: "Wir regieren besser", behauptet der Ministerpräsident, "auch in der Wirtschaftspolitik." Die spanische Regierung denke an die Mehrheit der Menschen, nicht an eine Elite.
Tatsächlich hat es die Regierung geschafft, die Inflation gewaltig zu drücken, auf unter zwei Prozent. "Wir haben effizient auf die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine reagiert", sagt Wirtschaftsministerin Nadia Calviño. "Wir haben in Europa die Energiepreisbremse durchgesetzt, wir haben die Inflation mit sieben Maßnahmenpaketen abgefedert und den Preisanstieg gesenkt."
Die Regierung hat zum Beispiel die Mehrwertsteuer für Grundnahrungsmittel auf null Prozent gesenkt, also ausgesetzt. Und Arbeitsministerin Yolanda Diaz feiert Erfolge auf dem Arbeitsmarkt: "Die Jugendarbeitslosigkeit ist so niedrig wie nie zuvor - und auch die Arbeitslosenquote von Frauen ist die niedrigste seit Jahren. Das ist sehr gut, denke ich."
2,3 Prozent Wachstum für 2023 vorhergesagt
Das hört sich nach schönen Erfolgen an. Wahr ist aber auch: Die Jugendarbeitslosigkeit ist nach wie vor die höchste in der EU, sie liegt bei gut 28 Prozent - und bei den Frauen sieht es nicht besser aus, im Gegenteil: Knapp 30 Prozent finden keinen Job.
Dabei brummt die Wirtschaft. Nach der Coronakrise ist zum Beispiel die Tourismusbranche voll durchgestartet, in diesem Jahr könnte es einen neuen Gästerekord geben. Die spanische Zentralbank rechnet insgesamt mit einem Wachstum von 2,3 Prozent in diesem Jahr.
Doch der Tourismusbranche fehlen trotz hoher Arbeitslosigkeit Servicekräfte. Das Problem: schlechte Bezahlung, heftige Arbeitszeiten, teures Wohnen in den Touristen-Hotspots.
Regierung macht Mietern Versprechen
Die Preise für Wohnen sind auch allgemein ein Thema, besonders aber für Berufseinsteiger mit geringem Einkommen. Immer noch lebt knapp die Hälfte der unter 30-Jährigen deshalb bei den Eltern. Im Wahlkampf versprechen alle Parteien Hilfen. Die Regierung hat schon in der Vergangenheit mit einem Mietpreisdeckel eingegriffen.
Ministerpräsident Sánchez verspricht darüber hinaus: "Wir verlängern bis Ende des Jahres die Höchstgrenze von zwei Prozent und frieren die Mieten für bis Mitte des Jahres endende Verträge ein."
Hilfsfonds stützen spanische Wirtschaft
Das alles machen auch Gelder aus den Corona-Wiederaufbaufonds der Europäischen Union möglich, zum Beispiel aus dem Next Generation Fonds. Die knapp 80 Milliarden Euro daraus tragen rund sechs Prozent zur Wirtschaftsleistung bei. Die Regierung hat aber auch eine Übergewinnsteuer für Energieunternehmen durchgesetzt, mit der Teile der Hilfspakete für die Bevölkerung finanziert werden.
Trotzdem: Die Staatsverschuldung ist im Jahresvergleich um knapp sechs Prozent gestiegen, die Quote liegt bei 110 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, rund 20 Prozentpunkte über dem Mittel in der Eurozone. Kein Problem, sagt Wirtschaftsministerin Calviño: "Wir zahlen für unsere Staatsanleihen genauso wenig Zins wie Deutschland".
Beweis für das Vertrauen in die Wirtschaftspolitik Spaniens, sagt Calviño.
Zwei fragile Sektoren als Stütze
Allerdings ist die weiterhin stark auf den Tourismus und die Landwirtschaft ausgerichtet; zwei Sektoren, die schon lange auf tönernen Füßen stehen und im Zuge des Klimawandels mit neuen Problemen kämpfen: Gluthitze in Touristenorten, Wassertemperaturen von 30 Grad vor Mallorca und sogar im Baskenland - Experten rechnen damit, dass kurzfristig zehn Prozent der Touristen auf andere Ziele ausweichen könnten.
In der Landwirtschaft wird die Dauerdürre mit inzwischen notorischem Wassermangel eine Gefahr. Und die Jugendarbeitslosigkeit hat in den vergangenen Jahrzehnten keine Regierung in den Griff bekommen.
Wenn es zum Regierungswechsel käme, stünde also auch der konservative Kandidat fürs Ministerpräsidentenamt, Alberto Nuñez Feijoo, vor großen Aufgaben. Detaillierte inhaltliche Konzepte hat er bisher aber nicht präsentiert. Seine Antwort im Wahlkampf ist eher schlicht: "Wir sind nicht perfekt, aber wir sind unendlich besser als die Regierung, die wir haben!"