Gäste sitzen im Kaffeehaus in Wien.
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Altersversorgung Rentner-Paradies Österreich?

Stand: 26.11.2023 09:58 Uhr

Sahra Wagenknecht und auch die Linke sprechen sich für ein Rentensystem nach dem Vorbild Österreichs aus. Dort gehen die Menschen früher in Rente und bekommen mehr Geld. Wie funktioniert das? Und ist das Modell übertragbar?

Im Pensionistenklub Vivaldigasse wird Kaffee und Kuchen serviert. Es ist einer von rund 300 Treffpunkten in Wien für Rentnerinnen und Rentner, die in Österreich Pensionisten genannt werden. Der Klub liegt im Herzen einer großen Plattenbausiedlung im Bezirk Favoriten, einem Arbeiterbezirk. Die meisten der Rentnerinnen und Rentner, die hierherkommen, haben ein langes Erwerbsleben hinter sich.

Fast alle zahlen in die Rentenkasse ein

"Gelernt hab ich Verkäuferin", sagt eine Rentnerin. "Dann hab' ich als Kindergartenassistentin, als Helferin gearbeitet. Und dann war ich im Büro." Ein Mann erzählt: "Ich war in der Gastronomie. Zum Schluss Partyservice. War eigentlich eine relativ schwere Arbeit. Wir waren immer unterwegs." Eine weitere Pensionistin berichtet, sie sei 35 Jahre selbstständig gewesen - eine andere, sie habe seit dem Alter von 15 Jahren gearbeitet, bis sie 56 gewesen sei. "Und dementsprechend ist die Pension."

Wer ein so langes Erwerbsleben hinter sich hat, kann in Österreich mit einer guten staatlichen Rente rechnen. Die Bezüge sind wesentlich höher als in Deutschland. Oft wird das darauf zurückgeführt, dass in Österreich fast alle Erwerbstätigen in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen - auch die staatlichen. Vor rund 20 Jahren wurde das durch eine große Rentenreform wirksam.

80 Prozent des Lebenseinkommens

Zwei Motive seien für die Reform ausschlaggebend gewesen, erklärt die Rentenexpertin Christine Mayrhuber vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung Wien. Das Ziel sei dabei gewesen, "die altersbedingten Aufwendungen zu dämpfen" und gleichzeitig "einen Gleichklang herzustellen zwischen den unterschiedlichen Beschäftigungsgruppen".

Das Beamtentum wurde fast gänzlich abgeschafft, um die Gleichbehandlung zwischen staatlichen und anderen Angestellten zu ermöglichen. Auch Selbstständige sind in Österreich verpflichtet einzuzahlen. Am Ende sollen Rentnerinnen und Rentner nach 45 Beitragsjahren 80 Prozent ihres durchschnittlichen Lebenseinkommens erhalten.

Höhere Sozialbeiträge, mehr Steuerzuschuss

Das kostet - die Erwerbstätigen und den Staat, so Holger Bonin, Leiter des Instituts für Höhere Studien. "Die Ausgaben, zunächst einmal die Sozialbeiträge, sind vier Prozentpunkte höher als in Deutschland. Und auch der Steuerzuschuss, der aus dem Bundeshaushalt kommt, ist ungefähr fünf Prozentpunkte höher als in Deutschland", sagt der Experte. "Also es kostet, ist aber auch logisch: Wenn man höhere Pensionsniveaus haben möchte, muss man auch mehr bezahlen."

Der deutsche Ökonom hat in Österreich eine heftige Debatte losgetreten mit dem Vorschlag, das Rentenalter auf 67 anzuheben. Momentan gehen Österreicher mit 65 in Rente, Österreicherinnen mit 60 Jahren. Das Eintrittsalter für Frauen wird aktuell schrittweise auf 65 angehoben. Auch das ein Grund für die hohen Kosten.

Schlechter gestellt sind Menschen, die nicht durchgängig in die Rentenkasse einzahlen. Erst nach 15 Beitragsjahren hat man Anspruch auf die gesetzliche Rente, in Deutschland sind es fünf Jahre. Und: es gibt kaum betriebliche Renten oder private Vorsorge.

Gesetzliche Rente einziges Alterseinkommen

"Deutschland hat ja seit längerer Zeit die Weichenstellung, dass die zweite oder dritte Säule gefördert werden sollte", so Ökonomin Mayrhuber. "Diese Weichenstellung gab es in Österreich in der Form nicht. Die erste Säule ist die tragende Säule in der österreichischen Alterssicherung."

Die gesetzliche Rente ist also höher - dafür aber meistens auch das einzige Einkommen im Alter. Und noch einen wichtigen Unterschied gibt es zwischen den Ländern: Deutschland altert etwas schneller als Österreich.

Übergang könnte eine Generation dauern

Institutsleiter Bonin hält es auch aus solchen demografischen Gründen nicht für möglich, das österreichische System einfach eins zu eins auf Deutschland zu übertragen. "Dem wird man nicht entkommen, indem man sagt, wir übernehmen das österreichische System, erhöhen das Rentenniveau ganz massiv, senken das Renteneintrittsalter. Das alleine zu finanzieren, indem man zusätzliche Versichertengruppen mit reinbringt, das wird nicht gelingen."

Wollte man die gesetzliche Rente dennoch nach österreichischem Vorbild reformieren, so Bonin, würde das eine Erwerbstätigen-Generation dauern. 40 Jahre also.

Silke Hahne, ARD Wien, tagesschau, 21.11.2023 19:00 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 22. November 2023 um 05:21 Uhr.