LNG, Wasserstoff, Pipelines Belgiens Beitrag zur Energiesicherheit
Als Transitland für Energielieferungen aus aller Welt spielt Belgien gerade eine Schlüsselrolle. Mit seinen Häfen ist das Land maßgeblich daran beteiligt, Öl und Gas über Europa zu verteilen.
Die Sicherheitsvorkehrungen sind enorm: Hohe Mauern schotten das Gelände ab, Besucher müssen sich registrieren, Fotos oder Filmaufnahmen sind verboten. Kein Wunder: Die Hafenanlage im belgischen Zeebrügge spielt schließlich für die Gasversorgung in Europa eine Schlüsselrolle.
Das Unternehmen Fluxys betreibt hier Pipelines, Speicher und - aktuell besonders gefragt - eine große Entladestation für Tanker mit Flüssiggas aus aller Welt, etwa aus Katar oder den USA. "Wir sind hier an einer wichtigen Kreuzung für den internationalen Gas-Transport", sagt Fluxys-Sprecher Laurent Remy. "Wir sind an die Gasfelder in Norwegen angeschlossen, an die britischen Märkte, an Frankreich und dank unseres LNG-Terminals an 20 verschiedene Flüssiggasproduzenten. Das heißt: Wer unsere Leitungssysteme nutzt, hat Zugang zu einem großen Angebot, wenn es um die Gasversorgung geht."
Viermal Belgiens Verbrauchs fließt nach Deutschland
Deutschland gehört zu den Hauptabnehmern. Im vergangenen Jahr wurde rund ein Fünftel des deutschen Gasbedarfs über Lieferungen aus Zeebrügge gedeckt. Inzwischen dürfte es deutlich mehr sein, denn seit dem russischen Überfall auf die Ukraine ist die Nachfrage kräftig gestiegen. "Unsere Kunden liefern eine gewaltige Menge Gas nach Deutschland und in die Niederlande, von da wird es ebenfalls Richtung Deutschland weitergeleitet", so Remy. "Um das mal anschaulich zu beschreiben: Alleine in den letzten drei Monaten ist über unsere Systeme viermal so viel Gas nach Deutschland geflossen wie in Belgien verbraucht wird."
Auch in der Zukunft will Fluxys als Infrastrukturanbieter eine Rolle spielen - zum Beispiel mit einer Anlage, die Biogas verflüssigen kann. Außerdem soll CO2 aus europäischen Industrie-Standorten in unterirdische Speicher vor der norwegischen Küste geleitet werden. Und: Über die Pipelines und Terminals soll demnächst nicht mehr umweltschädliches Gas, sondern sauberer Wasserstoff fließen, falls das technisch möglich sein sollte. "Wasserstoff ist etwas völlig anderes als Erdgas. Aber wir prüfen gerade, ob wir die bestehenden Leitungen weiter nutzen können", so Fluxys-Sprecher Remy. "Wenn nicht, dann sind wir natürlich bereit, neue Pipelines zu bauen, um Wasserstoff zu transportieren."
Großes Interesse der deutschen Politik
Hundert Kilometer weiter Richtung Osten werden ebenfalls Weichen für eine grünere, saubere Energieversorgung gestellt. Der Hafen von Antwerpen, einer der größten der Welt, will zum zentralen Drehkreuz für den Import von grünem Wasserstoff werden und auch selber in die Produktion einsteigen, mit Strom aus Windparks in der Nordsee. Die weltweit erste Wasserstoff-Tankstelle für Schiffe, Lastwagen und Busse ist bereits in Betrieb.
"Es ist diese Geschichte vom Huhn und dem Ei", sagt Wim Dillen, Entwicklungschef der Hafengesellschaft Antwerpen/Brügge. "Die Reedereien und Speditionen sagen immer: 'Wir können ja nicht auf Wasserstoff umsteigen, weil es keine Tankstellen gibt'. Wir zeigen hier, dass es geht und wollen die Leute dazu bringen, ihre Haltung zu überdenken. Wir sorgen dafür, dass Treibstoffe getankt werden können, die sehr viel grüner sind und kein CO2 erzeugen."
Wasserstoff, Flüssiggas-Terminals, Pipelines: Belgien ist das Transitland für Energielieferungen nach Westeuropa - und für Deutschland in der aktuellen Krise besonders wichtig. Anfang der Woche hat sich die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer in Seebrügge, Antwerpen und Brüssel umgehört; ihre Kollegen aus NRW und Thüringen waren auch schon da. Und als nächster will Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer kommen. Die deutsche Politik scheint also gerade sehr an guten Kontakten zum kleinen Nachbarland interessiert zu sein.