Debatte über Reform Lindner verteidigt EU-Schuldenregeln
Bei seinem ersten EU-Treffen hat Bundesfinanzminister Lindner die Bedeutung der europäischen Fiskalregeln betont. Sein französischer Kollege Le Maire hingegen bekräftigte die Forderung nach einer Lockerung der Schuldenpolitik.
Die Bundesregierung bremst in der Debatte über eine mögliche Reform der europäischen Schuldenregeln, wie sie vor allem von Frankreich gefordert wird. Finanzminister Christian Lindner betonte beim Treffen der Finanzminister der Eurogruppe in Brüssel die Bedeutung der Fiskalregeln. Diese seien "entscheidend, um die Glaubwürdigkeit der Staaten gegenüber den Kapitalmärkten zu erhalten", sagte der FDP-Politiker. Die EU-Vorgaben leisteten einen wichtigen Beitrag dazu, dass sich die Preise kontrolliert entwickeln könnten.
Lindner sagte, in seinen Augen habe der Stabilitäts- und Wachstumspakt, in dem diese Regeln verankert sind, seine Flexibilität während der Corona-Krise bewiesen. Es sei nun an der Zeit, wieder Haushaltsreserven aufzubauen. "Deswegen bin ich sehr dafür, Staatsschulden zu verringern."
Er erwarte nicht, dass bei den Kriterien der Defizitregeln "grundlegende Veränderungen realistischerweise zu erwarten sind", so der Minister. Sie seien aber auch nicht nötig, "denn es gibt durchaus auch andere Maßnahmen, die man einleiten kann, um fiskalische Stabilität mit der Verbesserung von Investitionsmöglichkeiten zu verbinden".
Frankreich pocht auf Lockerung
Sein französischer Kollege Bruno Le Maire bekräftigte hingegen seine Forderung nach einer Lockerung der Schuldenpolitik. Bereits zuvor hatte er in einem Interview die strengen Vorgaben für die Verschuldung der Mitgliedstaaten als "überholt" bezeichnet. Bei dem Treffen mit seinen Kollegen pochte Le Maire darauf, den Fokus auf das Wachstum zu legen. "Wachstum kommt vor Stabilität", sagte er. "Wir brauchen einen Pakt, wir brauchen gemeinsame Regeln, aber es muss in erster Linie ein Wachstumspakt sein".
Lindner erklärte, man wolle sich die Vorschläge anderer Staaten ansehen. "Die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspaktes haben allerdings auch für die Bürgerinnen und Bürger eine hohe Bekanntheit und eine hohe Verlässlichkeit", so der FDP-Politiker.
Pakt bis Ende des Jahres ausgesetzt
Der Stabilitäts- und Wachstumspakt der EU sieht vor, dass Länder nicht mehr als 60 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung an Schulden aufnehmen. Haushaltsdefizite sollen bei drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gedeckelt werden. Während der Corona-Krise wurde der Pakt ausgesetzt, er soll aber 2023 wieder in Kraft treten. Kritiker vor allem in Südeuropa bemängeln, dass die Schuldenregeln Investitionen etwa beim Klimaschutz im Wege stünden.
Die Schuldenquote der EU liegt der Kommission zufolge inzwischen bei rund 92 Prozent. Es gibt jedoch große Unterschiede: Italien etwa hat Schulden im Umfang von rund 155 Prozent des BIP aufgenommen, die Niederlande von nur rund 57 Prozent. Hoch verschuldete Länder fürchten, dass eine rasche Rückkehr zu den strengen Vorgaben dem Aufschwung schaden könnte.