Gaststätten-Sterben In Großbritanniens Restaurants gehen die Öfen aus
Horrende Preise, zu wenig Personal und Kunden, die sich Essengehen nicht mehr leisten können: Die britische Gastronomie hat sich nach Corona nicht wieder erholt. Restaurants müssen massenweise schließen.
"Herzzerreißend" nennt Tony Rodd die Entscheidung. Anfang Januar musste der Londoner Koch sein Restaurant schließen. Fünf Jahre lang hatte er mit seiner Frau Becky das "Copper and Ink" in Blackheath im Südosten Londons geleitet. Schon seit der Pandemie war es schwieriger geworden, erzählt er. Aber Tony und Becky kämpften.
Erst kurz vor Silvester mussten sie sich eingestehen, dass es nicht mehr weitergehen würde: "Wir haben uns die Zahlen aus dem Dezember angeguckt und dann die Buchungen, die wir für Januar hatten", sagt Tony Rodd. "Und da passte nichts zusammen. Da wussten wir, wir haben keine Wahl mehr."
So wie Tony und Becky geht es Hunderten Restaurantbesitzern im Vereinigten Königreich. Der Jahresanfang ist generell ein schwieriger Monat für die Branche: Es gibt weniger Kundschaft, Mietvorauszahlungen werden fällig, dazu kommt eine saftige Mehrwertsteuerzahlung nach der Weihnachtszeit.
"Die Leute hatten das Geld einfach nicht"
Dieses Jahr sei es allerdings besonders schlimm, sagt Kate Nicholls vom Branchenverband UK Hospitality: "So etwas haben wir seit dem Finanzcrash von 2010 nicht mehr gesehen." Es komme alles zusammen: hohe Energiepreise, durch hohe Inflation gestiegene Lebensmittelkosten und von der Regierung verordnete Lohnsteigerungen. Selbst wenn Restaurants gut besucht seien, könnten sie damit nicht die laufenden Kosten decken.
Und oft sind sie eben nicht gut besucht. Denn die Lebenshaltungskosten-Krise in Großbritannien betrifft nicht nur Restaurantbesitzer, sondern auch die Kundschaft. Tony Rodd hat über Monate schwindende Reservierungen und Besucherzahlen in seinem Restaurant verfolgt. Auf Nachfrage hörte er immer wieder dieselbe Antwort: Essen gehen sei zu teuer. "Es ging nicht um die Qualität des Essens oder des Services. Die Leute hatten das Geld einfach nicht", sagt er.
Pro Tag schließen zehn Gastbetriebe
Seit der Pandemie hat sich das Gastgewerbe in Großbritannien nicht erholt. Laut einer Analyse der Unternehmensberatungsfirma AlixPartners machten im Jahr bis September 2023 im Schnitt mehr als zehn Restaurants, Bars und Pubs pro Tag zu. Die Zahl aller Gastrobetriebe im Vereinigten Königreich ist zum ersten Mal unter 100.000 gefallen.
Besonders betroffen seien kleine, unabhängige Unternehmen, die weniger Geldreserven haben, sagt Paul Wilson von der Federation for Small Businesses: "Viele unserer Mitglieder mussten Kredite aufnehmen, um durch die Pandemie zu kommen. Die bezahlen sie also immer noch ab, zusätzlich zu all den anderen wirtschaftlichen Sorgen."
Das sei in anderen westlichen Ländern anders gewesen, in denen Unternehmen eher Zuschüsse als Kredite bekommen hätten. Außerdem seien kleine Unternehmen stärker betroffen, wenn zum Beispiel ein Koch kündige. In einer kleinen Küche sei das dann ein großer Teil des Teams, der ersetzt werden müsse.
Ruf nach Steuererleichterungen
Die Branchenverbände fordern von der Regierung sofortige Maßnahmen vor allem bei den Steuern. Die Grundsteuer für gewerblich genutzte Immobilien solle nach oben hin begrenzt werden, fordert UK Hospitality - nicht nur, wie bis jetzt, für die kleinsten Unternehmen. Außerdem sei es problematisch, wie hoch die Mehrwertsteuer in Großbritannien sei: 20 Prozent. Laut Kate Nicholls würde eine Reduzierung hier der Branche einen sofortigen Schub verschaffen.
Tony Rodd glaubt nicht, dass sich unter der jetzigen konservativen Regierung etwas verbessern wird. Die Politiker hätten genügend Gelegenheiten gehabt, zum Beispiel die Preiserhöhungen der Energieunternehmen zu regulieren. In seinem Restaurant seien die Energierechnungen von knapp 30.000 Euro auf fast 100.000 Euro angestiegen. "Seit anderthalb Jahren schon schreien und brüllen wir", sagt Tony Rodd. "Aber sie kehren uns den Rücken." Seine Frau Becky und er sind jetzt auf der Suche nach einem neuen Job.