World Economic Forum Das Ende der Globalisierung?
Die Folgen des Kriegs in Europa erschweren laut Weltrisikobericht den Kampf gegen den Klimawandel - der derzeit das größten Risiko für die globale Wirtschaft ist. Gemeinsame Strategien für die langfristigen Probleme seien nötig.
Die Aussichten sind düster wie nie. In seinem neuen Bericht über globale Risiken sagt das Weltwirtschaftsforum (WEF) ein "unsicheres und turbulentes Jahrzehnt" voraus: Eine "neue Ära" nach Jahrzehnten des Wachstums und Fortschritts - auf die Globalisierung folgten nun Deglobalisierung und Rückschritt, so die Prognose des WEF basierend auf einer Umfrage unter rund 1200 Expertinnen und Führungspersönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik.
"Jahrzehnt der ökologischen und sozialen Krisen"
Der Krieg in Europa, internationale Spannungen und die Corona-Pandemie haben laut Weltrisikobericht zu einer ganzen Reihe schwerwiegender Probleme geführt, die eng miteinander zusammenhängen. Dazu gehören unter anderem Versorgungsengpässe bei Lebensmitteln und Energie, explodierende Preise und steigende Schulden.
Aber die Bekämpfung dieser akuten Probleme dürfe nicht dazu führen, dass mittel- und langfristige Probleme aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwinden, warnt der Bericht. In den kommenden zehn Jahren gehe vom Klimawandel und seinen Folgen die größte Bedrohung für die Menschheit aus. Politik und Wirtschaft müssten deshalb schnellstmöglich auch gemeinsame Strategien für diese Probleme erabeiten und Krisen aus verschiedenen Perspektiven betrachten.
"Das nächste Jahrzehnt wird von ökologischen und sozialen Krisen gekennzeichnet sein", schreiben die Experten in ihrer Risikoanalyse, die das Weltwirtschaftsforum einmal im Jahr kurz vor seiner Tagung in Davos veröffentlicht. Der Bericht ist auch Grundlage für die Debatten des Weltwirtschaftsforum, das kommenden Montag in Davos beginnt.
Kostendruck führt zu sozialer Spaltung
Die große Mehrheit der befragten Entscheidungsträger erwartet in den kommenden Jahren stetige Veränderungen mit gleichzeitigen Schocks, 13 Prozent rechnen sogar mit anhaltenden Krisen.
In den kommenden zwei Jahren sei vor allem der steigende Kostendruck eine Gefahr, der auch dazu führen könnte, dass sich die Weltgemeinschaft weiter auseinanderbewegt. Die hohe Inflation, eine weltweite Rezession und sinkende Investitionen - vor allem in Ländern des globalen Südens - könnten die Globalisierung stoppen. Und: "Viele Länder mit niedrigem Einkommen sind mit mehreren Krisen konfrontiert: Schulden, Klimawandel und Ernährungssicherheit."
Arme Länder am stärksten betroffen
Eine herausgehobene Rolle spielt in den kommenden Jahren der Klimawandel, der das größte Risiko mit sich bringe und gleichzeitig die Krise sei, "auf die wir am wenigsten vorbereitet sind". Die Risikoanalysten prangern das Versagen der Politik in Sachen Klimaschutz an und fordern, dass schnell Maßnahmen getroffen werden, um das Klima zu schützen:
Ohne signifikante politische Veränderungen oder Investitionen wird das Zusammenspiel zwischen den Auswirkungen des Klimawandels, dem Verlust der biologischen Vielfalt, der Ernährungssicherheit und dem Verbrauch natürlicher Ressourcen den Zusammenbruch von Ökosystemen beschleunigen, die Nahrungsmittelversorgung und die Lebensgrundlagen in klimagefährdeten Volkswirtschaften bedrohen, die Auswirkungen von Naturkatastrophen verstärken und weitere Fortschritte beim Klimaschutz begrenzen.
Leidtragende seien vor allem die Ärmsten der Welt. "Die Folgewirkungen werden am stärksten von den schwächsten Teilen der Gesellschaft und bereits fragilen Staaten zu spüren sein und zu steigender Armut, Hunger, gewalttätigen Protesten, politischer Instabilität und sogar zum Zusammenbruch von Staaten beitragen", heißt es in dem Bericht.
Handelskriege als neue Normalität
Der Weltrisikobericht kommt zu dem Ergebnis, dass Handelskriege künftig zur Norm werden könnten, "mit zunehmenden Zusammenstößen zwischen globalen Mächten und staatlichen Eingriffen in die Märkte in den nächsten zwei Jahren". Eine Rolle dabei spiele auch die rasante Entwicklung technologischer Neuerungen: Dass Gesellschaften immer stärker auf technische Vernetzung setzen, mache sie angreifbar - gerade im Hinblick auf kritische Infrastukturen.
Der Bericht warnt eindringlich vor dem Risiko gleichzeitig auftretender Krisen, die sich gegenseitig verstärken. Noch gebe es ein "Zeitfenster, um eine sicherere Zukunft durch eine wirksame Vorbereitung zu gestalten". Gegen Ende des Jahrzehnts aber könnten Politik und Wirtschaft den ökologischen Gefahren nicht mehr ausweichen, warnt der Bericht. Klimawandel, Artensterben, der Kollaps von Ökosystemen drohen - die Menschheit bewege sich auf einen "Kipppunkt" zu.