Wirtschaft im Weltraum Das All der unbegrenzten Möglichkeiten
Hotels und Fabriken im Orbit, Paketversand auf den Mond: Die wirtschaftliche Eroberung des Weltraums ist längst mehr als eine ferne Vision. Das Potenzial ist enorm. Konflikte sind aber programmiert.
Es ist ein radikaler Vorschlag, den Amazon-Gründer Jeff Bezos macht: Die gesamte Schwerindustrie - das, was schmutzig ist oder Kohlenstoff verbrennt, - soll ins All verlagert werden. Die Erde ist dann zum Wohnen da - und allenfalls noch für leichte, saubere Industrie. Bezos meint es ernst. Na klar, in 30, 40, 50 Jahren. Dabei muss man sich klar machen, dass auch die Mondlandung von Apollo 11 gerade 50 Jahre her ist. Jetzt geht es um neue Businessmodelle fürs Weltall.
Auf dem Weg zur interplanetaren Gesellschaft
"Wir glauben daran, dass wir Menschen zu einer interplanetaren Gesellschaft werden", sagt Mehak Sarang, die an der Harvard University in Boston Weltraumökonomie erforscht. "Es ist nicht so, dass die Menschen auf der Erde Teil einer Wirtschaft im Weltraum werden. Die Ökonomie wird eine Weltraumökonomie sein." Im Medialab des MIT, dem Massachusetts Institute of Technology, entwirft sie Forschungsprojekte fürs All.
Das Potenzial zeigt sich in Tests wie dem der Astronautin Serena Aunon-Chancellor. Die Zellkulturen, mit denen sie ein neues Krebsmedikament prüft, gehören Paul und Shou-Ching Jaminet und ihrem Pharmaunternehmen Angiex in Boston. "Wir haben beobachtet, dass Astronauten mehr Herz-Kreislauferkrankungen haben, aber weniger Krebs", sagen sie.
Wahrscheinlich sind für den Unterschied Zellen an der Innenwand unserer Adern verantwortlich, und das neue Medikament soll sie in Krebszellen so angreifen, als wären sie im Weltraum. Die Zellkolonien aber kann man wegen der Schwerkraft nicht auf der Erde züchten.
Wenn die Kosten im All sinken, werden wir in der Schwerelosigkeit viele Medikamente produzieren, sagen die beiden, solche mit Kristallstrukturen, die man auf der Erde nicht herstellen kann.
In den USA startet im Durchschnitt jede Woche eine Rakete, um Satelliten ins All zu bringen.
Kosten für Satellitentransport sinken rasant
Aber die Preise sinken dramatisch. In den vergangenen fünf Jahren seien die Kosten, einen Satelliten ins All zu bringen, um mehr als die Hälfte gefallen, heißt es bei der NASA. 14 Anbieter dafür konkurrieren bereits miteinander. Allein in den USA startet im Durchschnitt jede Woche eine Rakete.
"Das ist das Ziel: unsere Aktivitäten im erdnahen Raum zu kommerzialisieren", sagt der frühere NASA Chef Jim Bridenstine, der von Donald Trump eingesetzt wurde, um die NASA zu modernisieren und die Programme für Mond- und Marsflüge voranzutreiben.
5700 aktive Satelliten im Orbit
Aber wo liegt das Geschäft heute - neben den Dienstleistern für Raketenstarts? Ganz oben auf der Liste sind es Satelliten. Etwa 5700 aktive Satelliten umkreisen derzeit die Erde, die doppelte Zahl hat schon ausgedient und ist Weltraumschrott.
"Die Satellitenindustrie macht etwa 400 Milliarden Dollar Umsatz", sagt Sarang. Satelliten gehören längst zum Alltag. Was aber ist der nächste Sprung im Weltraumbusiness? Sarang ist davon überzeugt, dass vor den Fabriken noch etwas anderes auf den Markt kommt: Hotels. Der größte Schub werde vom Weltraumtourismus ausgehen.
Weltraumtourismus als Zukunftsmarkt
Tatsächlich planen das mehrere Unternehmen, am weitesten ist Axiom aus Houston. Sein Chef Michael Suffradini will im Frühjahr 2022 die erste Reisegruppe für acht Tage auf die ISS bringen. Für den Transport hat er das Crew-Dragon-Raumschiff von SpaceX gechartert. Ticketpreis: 55 Millionen Dollar pro Person.
Mit einer Crew-Dragon-Rakete will das Unternehmen Axiom im Frühjahr 2022 eine Gruppe von Weltraumtouristen zur ISS bringen.
Der Reiseleiter und Kommandant der Crew Dragon ist Michael Lopez-Alegria. Der war schon mehrmals für die NASA im All und ist sich sicher, dass Ausflüge in den erdnahen Raum Routine werden. Aber er denkt weiter: eine kommerzielle Raumstation, zunächst an die ISS angedockt.
Suffradini war einmal der Gesamtmanager der Internationalen Raumstation ISS und weiß daher, was er tut. Es beginnt mit einem Sieben-Betten-Hotel für die Gäste - Touristen, Wissenschaftler, Bauarbeiter -, zu dem eine spektakuläre gläserne Aussichtsplattform gehört. Daran schließen sich Labore und andere Arbeitsräume an, die man auf Zeit mieten kann, dann Fabriken.
Weg bahnen durch Aufbau von Infrastruktur
Es gebe Glasfasern, die 100 Mal leistungsfähiger seien, wenn sie in der Schwerelosigkeit des Orbits produziert würden, sagt Suffradini. Die seien so gut, sagt er, dass man damit sogar Infrarotlicht transportieren könne - sie könnten also hohe Preise vertragen.
Es gehe gar nicht darum, heute zu sagen, was man im All tun wolle, und dann die Infrastruktur dafür zu bauen, drängt Bezos. Umgekehrt müsse es sein. "Die Aufgabe meiner Generation ist es, die Infrastruktur zu bauen. Wir bauen eine Straße ins Weltall. Und dann werden wahnsinnige Dinge passieren."
Schaut mich an, sagt Bezos dann immer. Amazon konnte ich erfinden, weil es eine Infrastruktur dafür gab. Die amerikanische Post, die meine Pakete transportiert hat. Aber das war billig. Waren aus dem All zu holen, ist es nicht.
Montage in der Schwerelosigkeit
"Es gibt hier in den USA ein Unternehmen, das heißt 'Made in Space'. Die arbeiten an 3D-Druckern fürs All, die dort richtig große Konstruktionen drucken können", sagt Forscherin Sarang. Das ist auch die Vorstellung des nächsten Schrittes: Vieles von dem, was heute auf der Erde für den Einsatz im All gebaut wird, wird man zukünftig im All zusammen setzen. Geflogen würden nur Materialien und einzelne Komponenten.
Den ökonomischen Lebensraum um einige Hundert Kilometer nach oben zu verlagern, wäre der erste Schritt. Der darauf folgende Schritt ist längst in der Planung. Ein zweiter solcher Wirtschaftsraum: der Mond.
Noch in diesem Jahr ist ein kommerzieller Transportflug zum Mond geplant.
Ambitionierte Pläne für den Mond
Seit 50 Jahren waren keine Menschen mehr auf unserem Trabanten, wohl aber mehrere Landefahrzeuge und Roboter. Zuletzt hat ein unbemanntes chinesisches Raumschiff Mondgestein zurück zur Erde gebracht. Die amerikanischen Ziele sind ambitionierter: "2024 gehen wir auf den Mond, um dort zu bleiben", sagte 2019 der damalige NASA-Chef Bridenstine. "2009 haben wir zum ersten Mal nachgewiesen, dass es Hunderte Millionen Tonnen Wassereis am Südpol des Mondes gibt."
Aus Wasser aber kann man Wasserstoff und damit Raketentreibstoff gewinnen. Und nicht zuletzt, glaubt man, dass es große Mengen wertvoller Metalle und die für die Elektronikindustrie so wichtigen "Seltenen Erden" auf dem Mond gibt.
Mehrere große und kleine Unternehmen sehen lohnende Geschäfte auf dem Mond. Astrobotics zum Beispiel ist eine Firma mit 100 Mitarbeitenden, das im Herbst 2021 ein unbemanntes Raumschiff auf dem Mond landen will.
"Die Transportgüter unserer Kunden sind eine ganz und gar kommerzielle Ladung. Wir haben 16 Kundenaufträge aus der ganzen Welt. Etwa ein Dutzend gehört der NASA, die anderen nicht", sagt Astrobotics-Chef John Thornton. "Wir verstehen uns als Logistikunternehmen für den Mond." 2023 geht ein Flug an den Südpol des Mondes, der Platz für Güter ist schon gut gebucht.
Mit DHL zum Mond
Verbunden hat sich Astrobotics mit der Deutsche-Post-Tochter DHL, dem größten Logistikkonzern der Welt. Natürlich seien einfach buchbare Lieferungen auf den Mond keine kurzfristige Perspektive, aber wenn es los gehe, wolle man vorbereitet sein. Bei der geplanten Landung im Herbst sind immerhin 120 kleine DHL Päckchen, meist mit persönlichen Gegenständen gefüllt, an Bord.
Wir kommen in Frieden, zum Wohle der Menschheit, hatte Neil Armstrong 1969 bei der ersten Mondlandung gesagt. Der grundlegende internationale Weltraumvertrag stammt aus dem Jahr 1967 und geht von friedlichem Nebeneinander und Forschung aus. An kommerzielle Raumfahrt hatte da noch niemand gedacht. Aber da liegen die kommenden Konflikte.
Streit über Standards und Regeln absehbar
Für die USA unterschrieb Präsident Barack Obama 2015 ein Gesetz, das jedem Amerikaner das Recht gibt, Ressourcen im All zu generieren. Das hat international zu Irritationen geführt.
Schließlich geht es um die gleichen Fragen wie auf der Erde: Wollen wir die Bodenschätze des Mondes einfach abbauen oder sparsamer damit umgehen als auf der Erde? Wie schützen wir den Raum in der Nähe unseres Planeten? Wir brauchen auf jeden Fall Umweltschutzgesetze für den Weltraum, sagt Thomas Zurbuchen, der wissenschaftliche Direktor der NASA. "Genauso, wie wir Naturschutzgebiete auf der Erde haben, die wir vor jeder Industrie schützen wollen, ist es unglaublich wichtig, dass wir das auch im Raum tun."
Vor 70 Jahren war das Rennen um das Weltall eines zwischen Nationen und politischen Systemen. Es ging um Ehre und Dominanz. Der heutige Weltraum-Enthusiasmus hat eine andere Basis. Jetzt geht es um eine neue Dimension der Globalisierung, darum, unseren Wirtschaftsraum ins All auszudehnen. Das ist dann keine "andere Welt" mehr, wie man so gern sagt. Das wird Teil unserer Welt, die vor allem auch ein großer Marktplatz ist.