Aktion in ganz Europa VW ruft 8,5 Millionen Autos zurück
Millionen Autos in Europa sind vom Abgasskandal betroffen - und sie alle sollen in die Werkstatt. VW will europaweit 8,5 Millionen Fahrzeuge zurückrufen. Auch in Deutschland wurde den Autos vom Kraftfahrt-Bundesamt die Pflichtreparatur verordnet.
Volkswagen zieht aus dem Abgasskandal weitere Konsequenzen. Das Unternehmen will europaweit 8,5 Fahrzeuge zurückrufen, wie der Konzern in Wolfsburg mitteilte. Bisher hatte Volkswagen von etwa acht Millionen betroffenen Fahrzeugen in ganz Europa gesprochen. Auch die in Deutschland betroffenen Autos müssen in die Werkstatt. Hier kam die Entscheidung jedoch nicht direkt von VW - das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) ordnete einen Zwangsrückruf von 2,4 Millionen Fahrzeugen an.
Die von VW vorgeschlagene freiwillige Reparatur lehne die Flensburger Zulassungsbehörde ab. Dieser Bescheid stieß bei VW-Vorstandschef Matthias Müller auf Zustimmung. Er ermögliche ein europäisch angestimmtes Verfahren.
Rückruf soll Anfang 2016 starten
Aus Sicht des KBA ist die von VW in Dieselfahrzeuge eingebaute Software illegal, wie auch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt noch einmal bestätigte. Die Behörde gehe davon aus, dass es sich um eine "unzulässige Abschalteinrichtung handelt". Das Verkehrsministerium werde die nun angeordnete Rückrufaktion überwachen. Eine solche staatliche Kontrolle könne aufgrund der Vielzahl an betroffenen Fahrzeugen nur durch einen Zwangsrückruf gewährleistet werden. Die Aktion sei für jeden Fahrzeughalter verpflichtend. Die betroffenen Halter sollen per Brief benachrichtigt werden. Bis dahin können die Fahrer ihre Autos aber weiterhin nutzen.
Starten soll der Rückruf laut Dobrindt Anfang des kommenden Jahres. Je nach Motortyp könne er sich aber bis zum September hinziehen. Bei 1,6-Liter-Motoren etwa reiche es nicht aus, nur die Software zu erneuern. Hier sei ein größerer Eingriff nötig, im Gegensatz zu Autos mit Zwei-Liter-Motoren, bei denen eine Software-Aktualisierung genüge.
Österreichs Behörden ziehen nach
Auch in Österreich verordnen die Behörden betroffenen VW-Dieselautos einen Pflichtbesuch in der Werkstatt. Die entsprechende Anordnung kam von Verkehrsminister Alois Stöger. Der zeitliche Ablauf werde etwa so sein wie bei der Rückrufaktion in Deutschland. Rund 363.000 Fahrzeuge sind in Österreich von dem Abgasskandal betroffen. Diese Angaben richten sich nach Zahlen des VW-Importeurs Porsche Austria. Der Importeur soll nach Ministeriumsangaben auch dafür zuständig sein, die Fahrzeughalter zu informieren.
VW hatte mit einer Software die Abgaswerte bei Dieselwagen so manipuliert, dass sie bei Tests zu einem niedrigeren Schadstoffausstoß als im Normalbetrieb erzielten. KBA-Chef Ekhard Zinke hatte Vorwürfe, seine Behörde sei in Teilen mitverantwortlich für den Abgas-Skandal, zurückgewiesen. Sie habe von den Manipulationen bei Millionen Dieselwagen nichts wissen können.
Weniger Autos in Deutschland betroffen
Bislang galten 2,8 Millionen Autos in Deutschland als vom Skandal betroffen. Die Zahl basierte auf den Zulassungen für VW-Dieselfahrzeuge. Von diesen Autos seien nach Angaben des Verkehrsministeriums jedoch 400.000 nicht mehr in der Bundesrepublik unterwegs. Darum reduzierte sich die Zahl beim Rückruf auf 2,4 Millionen Fahrzeuge. Weltweit sind die Motoren von rund elf Millionen VW-Fahrzeugen manipuliert worden.
Spar-Aufrufe und Mutmach-Parolen
Noch immer ist nicht abzusehen, welche langfristigen Konsequenzen der Manipulationsskandal für Volkswagen hat. Darum schwor der neue Konzern-Finanzchef Frank Witter die Manager-Riege des Konzerns erneut auf einen harten Sparkurs ein. In Leipzig sprach er vor 400 Top-Managern des Unternehmens. Um den größten finanziellen Risiken vorzubeugen, die auf VW zuzukommen drohen - Rückrufkosten, mögliche Strafzahlungen und die Kosten für juristische Streitigkeiten - müsse ein Finanzpolster angelegt werden.
Der Vorstandsvorsitzende Matthias Müller versuchte, auf der Versammlung auch optimistischere Töne anzuschlagen. Er zeigte sich überzeugt, dass VW die Situation meistern werde und dass es dem Unternehmen nicht nur gelingen werde, zu alter Stärke zurückzufinden, sondern sogar eine neue Stärke entwickeln werde. Der Skandal sei auch eine Chance zur Veränderung.
Nichts verändern will Müller an den langfristigen Unternehmenszielen, die sein Vorgänger Martin Winterkorn bis 2018 festgelegt hat. Die Strategie gibt etwa einen Jahresabsatz von mehr als zehn Millionen Fahrzeugen vor - eine Zielmarke, die VW 2014 bereits erreichen konnte. Müller kündigte an, Winterkorns Strategie bis 2025 nachjustieren zu wollen. "Die Wettbewerber warten nur darauf, dass wir technologisch zurückfallen, weil wir nur noch mit uns selbst beschäftigt sind. Aber diesen Gefallen werden wir ihnen nicht tun", betonte der Vorstandschef.
Parallel zu dem Treffen in Leipzig ging auch ein gemeinsames Schreiben von Müller und VW-Konzernbetriebsratschef Bernd Osterloh an die gesamte Belegschaft des Konzerns raus. Darin sicherten beide abermals eine "rasche und schonungslose Aufklärung" zu und betonten, dass sie auch mit Kritik konstruktiv umgehen wollten, um die Weichen so zu stellen, dass sich ein vergleichbarer Skandal niemals wiederhole.
Motivation per WhatsApp
Ein Mitglied des VW-Aufsichtsrates versucht unterdessen auf seine Art, für positivere Stimmung zu sorgen. Volkswagen-Aufsichtsrat Olaf Lies probiert es über den medialen Weg.
Sein Profilbild im Kurznachrichtendienst WhatsApp zeigt die Aufforderung "Keep calm and love VW" - übersetzt: "Behalte die Ruhe und liebe Volkswagen". Eine Parole, deren Vorbild aus Großbritannien in der Zeit des Zweiten Weltkrieges stammt. Die Engländer riefen die Bevölkerung damals mit den Worten "Keep calm and carry on" ("Behalte die Ruhe und mach' weiter") zum Durchhalten auf.