Hintergrund zur Abgasmanipulation bei VW Wie das Desaster seinen Lauf nahm
2008 stand VW enorm unter Druck: Die Diesel-Abgaswerte waren mies, die eigene Reinigungstechnik funktionierte nicht. Die Konkurrenz schoss sauber davon - das Dieselgate begann.
Der Anfang vom Ende lässt sich genau datieren. Der 24. April 2008, ein Donnerstag. In der Wiener Hofburg trafen sich diejenigen, die beim Thema Motor etwas zu sagen hatten - beim Wiener Motorensymposium, dem wichtigsten Industrieevent für Motorentwickler aus der ganzen Welt. Volkswagen präsentierte einer staunenden Fachwelt den neuen Wundermotor EA189 - einen 2-Liter-Turbodiesel. Hierzulande schaffte er gerade die Euro5-Norm. Nun sollte er aber die weitaus strengeren US-Vorgaben erfüllen.
Was die Entwickler nicht verrieten: Die Abgasreinigung wurde im Fahrbetrieb mehr oder weniger abgeschaltet. Volkswagen wollte den "Clean Diesel" zum Massenmodell machen, deshalb habe man nachgeholfen, so ein Insider zu NDR und Süddeutscher Zeitung. Die Entwicklung sei "kein Kinderspiel" gewesen, sagte der damals zuständige VW-Abteilungsleiter. "Reine Untertreibung" sagen die, die damals dabei waren.
Toyota überholen war das Ziel
Noch 2005 steckte die VW-Dieseltechnik in einer Sackgasse. Mit aller Gewalt sollte sich dies ändern, auch um den schärfsten Konkurrenten auf dem US-Markt zu überholen: Toyota, der in Deutschland mit dem Spruch warb: "Nichts ist unmöglich". In Wolfsburg durfte nun plötzlich auch nichts mehr unmöglich sein. Das Problem hatten die Ingenieure klar vor Augen: die Stickoxide im Abgas, viel zu viel für die strengen US-Normen.
Zunächst sollte es Technik von Mercedes richten: "Bluetec". Die "sauberste Dieseltechnologie der Welt", wie sie das Stuttgarter Unternehmen nannte. "Ohne Bluetec schaffen wir das in den USA nicht"- diese Parole habe man bei VW damals ausgegeben, sagt ein Insider. Doch VW-Chef Winterkorn begrub die Pläne nach seinem Amtsantritt 2007 schnell: zu teuer und zudem Technik von der Konkurrenz.
Mit Hightech vollgestopft wie ein Raumschiff
Nun wurde die Zeit knapp. Die Markteinführung des US-Jetta musste ein halbes Jahr verschoben werden. Desaströse Zustände hätten in dem Motorenprojekt geherrscht, so ein Insider, ein extremer Druck. Jetzt kamen die Softwareentwickler ins Spiel. Der zu dreckige Diesel wurde zum scheinbar sauberen Superhirn. Doch diese Sauberkeit des neuen Motors sprengte jeden Kostenrahmen: Das Auto war mit Hightech-Geräten vollgestopft wie ein Raumschiff. Und in der Praxis funktionierte es offenbar nicht so wie geplant. Die berüchtigte Schummelsoftware dann zu programmieren, das sei vergleichsweise einfach, so ein Experte.
Als man im April 2008 in Wien den Motor vorstellte, gab es jedenfalls kein Zurück mehr. Die Katastrophe nahm ihren Lauf.