Zucker wird aus einer Schüssel ausgeschüttet
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Massiv steigende Preise Der Zucker-Schock

Stand: 06.08.2023 15:11 Uhr

Dass die Lebensmittelpreise derzeit rekordhoch sind, bekommen Verbraucher leidvoll zu spüren. Doch ein Produkt verzeichnet eine besonders massive Preissteigerung: Zucker. Warum?

Zuckerpreise trüben den Sommer, das wird spätestens an der Eisdiele klar. Jochen Jung, der fünf Eisdielen in Südhessen betreibt, hat seinen Kugelpreis von 1,60 Euro auf 1,80 Euro erhöht. Ein Grund sind seine gestiegenen Kosten. Milch, Sahne, Früchte - nun auch noch der Zuckerpreis. Die höheren Kosten bringen Unwucht in seine Kalkulation. "Fast 20 Prozent mehr musste ich allein nur meinem Zwischenhändler an Mehrkosten beim Zucker zahlen", erzählt er, während er den nächsten Zuckersack Richtung Waage schleppt. 2500 Kilo Zucker in der Saison verarbeitet die Eismanufaktur im hessischen Bensheim.

Auch bei Schokoladenhersteller Helmut Gräber läuft es gerade in Sachen Zucker nicht besonders gut. Im Herbst startet er mit der Weihnachtsproduktion: handgefertigte Weihnachtsmänner und Tannenbäume. Statt 850 Euro pro Tonne, wie die Jahre davor, zahlt er in diesem Jahr 1400 Euro. Und jetzt kann er den Preisanstieg seinen Abnehmern noch nicht mal weitergeben. Denn schon im Frühjahr hat er die Preislisten verschickt. "Gerade bei den Handelsketten gibt es durch die Listung keinen Spielraum mehr, Nachbessern geht eben nicht." Dass Kakaobohnen teurer werden, damit hat er gerechnet - aber den Zucker hatte er in diesen Dimensionen nicht auf der Rechnung.  

Die missliche Lage der EU

Bis zum Jahre 2017 regelte eine Zuckermarktverordnung mit festen Mindestpreisen für Rüben und Quoten den Markt. Als die Verordnung wegfiel, fielen auch die Preise. Doch inzwischen sind die Zuckerpreise in Deutschland etwa doppelt so hoch wie auf dem Weltmarkt; auch weil Zuckerrohrproduzenten wie Brasilien oder Thailand ihre Exporte in die EU reduziert haben. Der Grund: lukrativere Geschäft mit Ethanol, das ebenfalls aus Zuckerrohr gewonnen werden kann. So wird Zucker hierzulande knapper und damit eben auch teurer.

"Auch viele andere Faktoren spielen für den Preisanstieg eine Rolle", sagt Günter Tissen vom Zuckerverband, der sowohl die zuckerverarbeitende Industrie als auch die Rübenbauern vertritt. "Da ist zum einen die schlechte Ernte im letzten Jahr durch die Dürreperiode, da sind aber auch die gestiegenen Produktionskosten der Rübenbauern. Wir müssen den Bauern einfach mehr zahlen."

Die Gewinner des Preisanstiegs

Ende September ist es so weit, dann beginnt hierzulande die Zuckerrübenernte. "In diesem Jahr", sagt Matthias Wengenroth, Rübenbauer aus Steeden, "wird die Ernte gut, da wird das Herz jubilieren." Für den Familienbetrieb mit Vater Ellmar Wengenroth macht Rübenanbau wieder Spaß, das war in den vergangenen Jahren nicht immer so. Statt 30 Euro pro Tonne wie 2022, bekommen sie jetzt von ihrem Abnehmer Südzucker 38 Euro pro Tonne bezahlt: ein Plus von 27 Prozent. Aber was sind schon 27 Prozent im Vergleich zum derzeitigen Höhenflug mit gut 70 Prozent?

Immerhin: Endlich haben Wengenroths Rüben wieder einen Wert, und der wird bezahlt. "Wir produzieren regional mit hohen Umweltstandards, und wer das haben will, muss es eben auch bezahlen. Da gibt es eben keinen Zucker für 59 Cent", fügt Wengenroth fast wütend hinzu. Und was die Bauern freut, freut erst recht die Zuckerindustrie. Europas zweitgrößter Produzent Nord- und Südzucker versüßte seine Gewinne im Geschäftsjahr 2022/2023 mit deutlichen Steigerungen.

Schlecht für Naschkatzen

Fast zwei Millionen Tonnen Süßwaren werden in Deutschland pro Jahr gegessen - mit steigender Tendenz. Gefragte Nervennahrung, die immer mehr kostet. Stiegen die Preise 2022 noch um 5,9 Prozent, lag der Preissprung im Juni dieses Jahres bei 19,4 Prozent. Und es könnte weiter nach oben gehen. Verbandssprecher Tissen sieht keine Senkung in naher Zukunft: Die höheren Kosten der Zuckerproduktion müssten an die Hersteller weitergegeben werden, argumentiert der Branchenvertreter.

Und so werden naschfreudige Verbraucher in Zukunft noch mehr für Schokolade, Gummibärchen und Kekse zahlen müssen. Aber nicht nur das: Fast 80 Prozent des in Deutschland erzeugten Zuckers nutzen Lebensmittel -und Getränkeindustrie. Damit ist klar: Günstiger werden zuckerhaltige Lebensmittel und auch Limonaden in Zukunft nicht.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das HR-Fernsehen am 2. August 2023 um 20:15 Uhr in der Sendung "mex. das marktmagazin".