Bürgerwindparks Mehr Windkraft durch mehr Beteiligung
Die Bundesregierung setzt auf Windenergie, doch vielerorts scheitert der Bau neuer Windräder am Widerstand der Anwohner. Ein Beispiel aus dem Münsterland zeigt: Bürgerbeteiligungen können die Akzeptanz steigern.
Vier Windräder, umgeben von Weizenfeldern, durch die starker Wind weht: Das ist der Bürgerwindpark Erwitte-Völlinghausen im nordrhein-westfälischen Kreis Soest. Seit vergangenem Jahr produzieren sie hier aus Wind Strom. 55 Millionen Kilowattstunden pro Jahr sollen es sein, so die Berechnungen. Ausreichend, um rund 15.000 Haushalte zu versorgen.
Die Idee kam den 26 Gesellschaftern des Bürgerwindparks, als Investoren Land von ihnen pachten wollten - für Windkraftanlagen. Das kam für sie nicht in Frage. "Es ist tief in unserer DNA verwurzelt, selbst auf der eigenen Scholle zu wirtschaften und zu arbeiten. Wir wollten bewusst die Wertschöpfung hier vor Ort lassen und gemeinsam etwas entwickeln", sagt Landwirt Jan-Georg Springorum, einer der drei Geschäftsführer, der rund um die Windanlagen seinen Weizen anbaut.
In Erwitte hat ein Umdenken stattgefunden, sagen die Gesellschafter: "Von 'nicht in meinem Hintergarten' zu 'wir müssen das machen'."
Langer Realisierungszeitraum
Was folgte, war ein zehn Jahre langer Prozess, den die 26 Gesellschafter - fast alle Grundstückseigentümer in dem Plangebiet - gemeinsam regelrecht durchgestanden hätten, berichtet Co-Geschäftsführer Christian Cußmann. Unzählige Gutachten und lange Genehmigungsverfahren hielten sie so manche Nacht wach, 32 Behörden seien über die Jahre involviert gewesen.
"Als die schwarz-gelbe Landesregierung in Nordrhein-Westfalen 2017 die 1000-Meter-Abstandsregel für Windkraftanlage einführte, wäre unser Projekt fast gestorben", sagt Cußmann. Schlussendlich konnten sie doch bauen. Und inzwischen können sich auch Anwohnerinnen und Anwohner aus Erwitte an dem Projekt beteiligen. Eine der vier Windkraftanlagen wurde an eine Genossenschaft verkauft.
Neubau von Windanlagen stockt weiterhin
Würde es nach der Bundesregierung gehen, würden jedes Jahr Hunderte solcher Windparks wie in Erwitte entstehen. Windräder mit einer Gesamtleistung von zehn Gigawatt sollen in Deutschland jedes Jahr neu dazu kommen, so das Ziel. Das "Wind-an-Land-Gesetz", das am 1. Februar 2023 in Kraft getreten ist, soll dabei helfen, indem es Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt.
Doch noch würde man die Effekte des Gesetzes nicht spüren, heißt es vom Bundesverband Windenergie. So wurden im ersten Halbjahr 2023 in Deutschland 331 neue Windanlagen an Land installiert, mit einer Gesamtleistung von 1,56 Gigawatt. Das sei mehr als im Jahr davor, aber immer noch nicht genug, um die vom Bund gesteckten Ziele zu erreichen, sagt Frank Grüneisen, Sprecher des Verbands.
Antragsstau hemmt die Bauvorhaben
Er sieht vielfältige Probleme, angefangen bei der Beschaffung von Flächen über sehr lange Genehmigungsverfahren bis zu langen Wartezeiten bei der Ausschreibung der Projekte. Im Schnitt dauere der Bau einer Windkraftanlage fünf bis sieben Jahre, vom ersten eingereichten Antrag bis zur ersten Kilowattstunde Strom, die produziert wird.
"In letzter Zeit sind außerdem Transportgenehmigungen zunehmend zum Problem geworden. Um die großen Windrad-Bauteile zur Baustelle zu bringen, müssen die Firmen Schwerlasttransporte beantragen bei der Autobahn GmbH. Doch da stauen sich im Moment 15.000 Anträge", sagt Grüneisen.
Umdenken wegen Energiekrise
Vielerorts stoßen Windparkprojekte auch auf Widerstand aus der Bevölkerung. Deshalb setzen sie bei der BBWind, kurz für Bäuerlichen Bürgerwind, aufs Selbermachen. Das Unternehmen, eine Tochter des westfälisch-lippischen Landwirtschaftsverbands, hilft Landwirten dabei, Windkraftwerke auf ihren Grundstücken selbst zu errichten und unter Einbindung der Menschen vor Ort eigenständig zu betreiben. Über 110 Windenergieanlagen sind so innerhalb von elf Jahren entstanden, 6000 Menschen sind daran beteiligt.
Ein Erfolgsprojekt, auch im ostwestfälischen Erwitte. "Die Leute überzeugt das Wir-Gefühl und die Sinnhaftigkeit dahinter", sagt Landwirt und Windpark-Gesellschafter Springorum. Auch gegen ihr Projekt sammelte eine Bürgerinitiative zunächst Unterschriften. Doch der Protest sei längst erloschen. Spätestens mit dem Beginn des Ukraine-Kriegs und der Energiekrise habe ein Umdenken in der Gesellschaft stattgefunden, beobachtet Springorum: "Von 'nicht in meinem Hintergarten' zu 'wir müssen das machen'."