Medikamente und Taschentücher liegen auf einem Nachttisch
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Phänomen "Leisure Sickness" Mit dem Urlaub kommt die Krankheit

Stand: 23.07.2023 10:06 Uhr

Endlich Urlaub und dann krank - obwohl man sich so sehr auf ein bisschen Ruhe gefreut hat. "Leisure Sickness" heißt das Phänomen. Was steckt dahinter und wie kann man es vermeiden?

Es ist voll im Terminal 1 am Flughafen Köln-Bonn. Sie wollen endlich in den Urlaub. Auf so manchen hier wartet jedoch nicht die Entspannung, sondern das Krankenbett. Am Mittag geht der Flieger von Ann-Katrin Steinmann nach Malaga. "Ein Freund von mir hatte im Urlaub einen Zusammenbruch und musste sogar ins Krankenhaus", erzählt die Mutter aus Troisdorf. "Der hatte so viel Stress vor seinem Urlaub und hatte gehofft, dass er sich im Urlaub erholen kann."

Sie steht mit ihrer Familie beim Check-In und schiebt sich langsam Richtung Schalter vor. Familie Steinmann will zehn Tage an den Strand der Costa del Sol. "Ich bin selbstständig und hatte viel Stress die letzten Monate und hoffe, dass ich jetzt im Urlaub fit bleibe und mich erhole", sagt Ann-Katrin Steinmann.

Jeder fünfte Mensch betroffen

Kaum beginnt der Urlaub, sind die Beschwerden da. Dass Menschen im Urlaub oder auch am Wochenende krank werden, kommt häufiger vor. Nach einer Befragung im Auftrag der Internationalen Hochschule Bad Honnef-Bonn erwischt es jeden fünften Menschen in Deutschland mit der "Leisure Sickness", der Freizeitkrankheit: krank am freien Wochenende oder eben im Urlaub. Wissenschaftler hatten zu einer Online-Umfrage aufgerufen, an der rund 2000 Menschen teilnahmen.

Die Symptome reichten von Kopfschmerzen über Erkältung wie Husten und Schnupfen bis hin zu allgemeiner Erschöpfung. Eine Sprecherin der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie sagt: "Bei Leisure Sickness handelt es sich überwiegend um ein Stressphänomen." Dieses könne Auswirkungen auf das Immunsystem und andere physiologische Vorgänge haben, sei jedoch hauptsächlich psychosomatisch.

Mehrere Erklärungsansätze

Es gibt mehrere Erklärungsansätze für Leisure Sickness. Viele Fachleute gehen von einem Zusammenhang zwischen Stress und der Antwort des Körpers darauf aus. "Grundlage ist das Wechselspiel von Sympathikus und Parasympathikus im vegetativen Nervensystem. Stress aktiviert den Sympathikus", sagt die Psychologin Andrea Jakob-Pannier. "Die Konzentration wird hochgefahren, der Herzschlag beschleunigt und die Muskeln werden verstärkt mit Sauerstoff versorgt. So bereitet der Körper uns vor, es mit einem Aggressor aufzunehmen oder vor ihm fliehen zu können."

Wenn die Gefahr aus dem Weg ist, übernimmt normalerweise wieder der Parasympathikus. So folgt auf den Stress eine Phase der Entspannung. "Bei anhaltendem Stress steht der Körper aber kontinuierlich unter erhöhtem Einfluss der Hormone Adrenalin und Cortisol. Der verspätete Wechsel zum Parasympathikus kann sich dann durch starke Symptome wie eine geschwächte Immunabwehr, Kopfschmerzen und Schlappheit auswirken", sagt Jakob-Pannier.

Körpersignale werden nicht wahrgenommen

Viele merken erst in den Erholungsphasen, wie sehr sie sich körperlich und geistig angestrengt haben. Menschen mit hektischen und fordernden Berufen würden ihre Körperempfindungen in der Freizeit außerdem viel stärker wahrnehmen als an normalen Arbeitstagen.

Die auf ihren Körper gerichtete Aufmerksamkeit wird in der Hektik des Alltags abgelenkt. Sind Menschen mit anderen Dingen beschäftigt und ihre kognitiven Kapazitäten voll im Job ausgelastet, bemerken sie die Signale ihres Körpers nicht. Sie nehmen die ersten Krankheitszeichen schlicht nicht wahr.

Bewegung, Schlaf und genug Pausen

Um Krankheiten im Urlaub zu vermeiden, raten Experten zu einem geregeltem Leben mit gesunder Ernährung, genügend Bewegung und Schlaf sowie ausreichend Pausen in Arbeitsphasen. Es brauche immer einen Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung, sagt Jakob-Pannier. Krankheitssymptome werden als Resultat einer körperlichen Disbalance gesehen. Am besten ist, es gar nicht erst zu den Ausfallerscheinungen kommen zu lassen.

"In der Regel spürt man, wenn man sich in einer längeren Hochstressphase befindet", sagt Jakob-Pannier. Typische Symptome seien Müdigkeit, Reizbarkeit und gedankliches Nicht-Abschalten-Können. Dann sei es wichtig, rechtzeitig zu reagieren und der Entspannung eine Chance zu geben - damit auch der Urlaub wirklich für Erholung sorgen kann.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 14. März 2023 um 07:07 Uhr.