TikTok-Trend "Cash Stuffing" Das Comeback des Sparstrumpfs
Bargeld ist im Trend: Auf TikTok verteilen Influencer Scheine in Umschlägen für verschiedene Zwecke. Mit dem "Cash Stuffing" wollen junge Menschen ihre Finanzen in den Griff bekommen.
"Cash Stuffing" bedeutet übersetzt "Bargeld stopfen". Genau das tut Regina Feist aus Homberg als "Budget_Gina" regelmäßig in ihren TikTok-Videos. Die 30-jährige Nordhessin hat jedes Mal etliche Banknoten vor sich liegen. Die stopft sie in diverse Umschläge aus Klarsichtfolie. Besser gesagt, verteilt sie die Scheine so routiniert wie eine Bankerin. Die Umschläge tragen dabei Aufschriften wie "Wohnung", "Freizeit", "Geschenke" und "Kind". Beim Einkaufen bedient sich die Influencerin entsprechend, das Wechselgeld wandert wieder zurück.
Die Umschläge stecken in einem liebevoll gestalteten Budget-Planer. Es ist eine Art modernes Haushaltsbuch, in das Feist alle Einnahmen und Ausgaben einträgt. Am Ende eines jeden Monats macht sie Kassensturz. "Anschließend überlege ich mir immer wieder neu, wie ich mein Budget für den nächsten Monat auf die Umschläge verteile und welche Kategorien ich brauche", erklärt die Influencerin. Den Großteil ihres Geldes hat sie dabei weiter auf ihrem Konto und zahlt damit etwa die Gas- und Stromrechnung und ihre Versicherungen.
Spartipps - ein einträgliches Geschäft
Ganz wichtig ist der Umschlag "Ungeplantes". An den geht Feist, wenn ihre Finanzplanung einmal nicht aufgehen sollte. Aber tatsächlich konnte sie im Gegenteil im vergangenen halben Jahr einiges Geld beiseite legen - insgesamt 5000 Euro. "Ich habe wirklich die Übersicht über alles und weiß, wo ich das Geld ausgegeben habe", sagt Regina Feist. "Dann kann ich alle meine Ausgaben besser reflektieren und es das nächste Mal besser machen." Die junge Mutter spart auch ganz gezielt, etwa für den Urlaub und die Taufe ihres Sohnes im Sommer.
Feist arbeitet im Öffentlichen Dienst. Sie selbst wurde auf die Sparmethode aufmerksam, als sie nach der Geburt ihres Kindes in Elternzeit ging. "Da habe ich gemerkt, das Geld wird knapper, alles wird teurer." Nun spart sie nicht nur, sondern verdient mit ihren Spartipps noch Geld, indem sie ihren Followern das zum Sparen nötige Zubehör auf ihrer Webseite zum Kauf anbietet. So ist das "Cash Stuffing" für viele vor allem weibliche Influencerinnen mittlerweile ein einträgliches Geschäft.
Für Sparzinsen muss das Geld zur Bank
Katharina Lawrence von der Verbraucherzentrale Hessen findet es gut, wenn Jugendliche ihre Finanzen wortwörtlich im Griff haben wollen und dabei das Bargeld für sich neu entdecken. Denn eine Karte halte man schnell irgendwo hin, Münzen und Scheine gebe man nicht so schnell weg. "Sie haben dann mehr Hemmungen, das erzeugt einen regelrechten Schmerz", so Lawrence.
Neu ist die Sparmethode in ihren Augen allerdings keineswegs, schließlich hätten schon Generationen Sparstrümpfe, Spardosen, Sparschweine und tatsächlich auch Umschläge fürs Sparen genutzt. Das viele Bargeld zuhause könne aber Diebe anlocken, warnt die Verbraucherschützerin. Und Verbraucher sehen dafür keine Zinsen. "Dafür muss ich das Ersparte erst wieder zur Bank tragen", sagt Lawrence.
Wie aus der Zeit gefallen?
Denselben Zweck könnten klassische Haushaltsbücher oder Apps zur Finanzplanung erfüllen, so die Expertin. Allerdings gebe es bei den Apps teilweise Probleme beim Datenschutz. Diesbezüglich unbedenklich und dazu noch kostenfrei ist laut Lawrence die App, die die Verbraucherzentrale selbst herausgegeben hat. Damit könnten insbesondere Kinder und Jugendliche ihr Taschengeld verwalten.
In einer Zeit, in der in Deutschland die ersten Restaurants, Hotels und Geschäfte gar kein Bargeld mehr akzeptieren, wirkt "Cash Stuffing" wie ein Gegentrend. Bargeld erfährt dadurch eine ganz neue Wertschätzung, nachdem es in den vergangenen Jahren an Bedeutung verloren hat. Nach Angaben der Europäischen Zentralbank wurde 2022 an der Ladenkasse bereits bei jedem dritten Mal die Karte gezückt. 2019 sei dagegen noch jede vierte Zahlung eine Kartenzahlung gewesen. Auch der Online-Handel wird laut EZB immer wichtiger. Da werde ohnehin bargeldlos bezahlt.
Haben Jugendliche wirklich den Überblick?
Trotz des Hypes ums "Cash Stuffing" verzichten Jugendliche und junge Erwachsene in Deutschland im Alltag weitgehend aufs Bargeld. Das zeigt eine Umfrage unter mehr als 1000 Teilnehmern im Alter von bis zu 25 Jahren, deren Ergebnisse die Wiesbadener Wirtschaftsauskunftei Schufa vergangenes Jahr veröffentlicht hat. Demnach zahlt die große Mehrheit der Befragten lieber bargeldlos, mit der Karte oder dem Smartphone.
Ob mit Bargeld oder ohne, sparen wollen sie aber alle, meint Ole Schröder, Mitglied im Schufa-Vorstand. "Fast alle Befragten gaben an, dass ihnen ein finanzielles Polster wichtig ist, um auf Notfälle vorbereitet zu sein." Die meisten hätten dazu nach eigenen Aussagen einen guten Überblick über ihre Einnahmen und Ausgaben, selbst wenn sie ihre Bankgeschäfte online abwickelten, so Schröder.
Allerdings räumten 40 Prozent der Befragten ein, dass sie gerade im Rahmen von Online-Einkäufen schon mindestens einmal zu zahlen vergessen hätten. Teilweise hätten sie deshalb sogar eine Mahnung erhalten. Offenbar klaffen Wahrnehmung und Wirklichkeit teilweise auseinander. Umso mehr nützt es, sich einen echten Überblick zu verschaffen - egal, ob mit einem Haushaltsbuch, mit Apps oder mit Umschlägen voll Bargeld.