Neue Hürden beim Ticketverkauf Zittern um die Konzertkarten
Um an eine Konzertkarte für weltweit erfolgreiche Musiker wie Taylor Swift zu kommen, müssen Fans so manche Hürde überwinden - und viele gehen am Ende trotzdem leer aus. Von der Marktmacht der Superstars.
Sie gilt als eine der erfolgreichsten Popsängerinnen der Musikgeschichte: Im kommenden Jahr geht Taylor Swift auf Deutschland-Tour und tritt in Gelsenkirchen, Hamburg und München auf. Aufgrund der "überwältigenden Nachfrage" wurden sogar Zusatzshows geplant, heißt es auf der Website des Ticketverkäufers Eventim. Heute startete der Vorverkauf.
Doch wer sich Tickets für eines der Konzerte im Juli 2024 sichern wollte, hatte es noch einmal deutlich schwerer als üblich. Bereits bis zum 23. Juni mussten sich Fans für den Pre-Sale registrieren. Automatisch teilnehmen durften sie aber trotzdem nicht. Denn einen Zugangscode erhielten nicht alle.
Management kann Vorgaben für Ticketverkauf vorgeben
"Ich habe bislang noch nicht gehört, dass solch ein Verfahren für eigentlich normal verfügbare Tickets umgesetzt wird", sagt Felix Flosbach von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen im Gespräch mit tagesschau.de. Man kenne das System von Fußballspielen, bei denen häufig Mitglieder schon vor dem eigentlichen Vorverkauf Karten erwerben können. Dass sich aber generell jeder bewerben müsse, um überhaupt die Möglichkeit zum Kauf zu bekommen, sei hierzulande seiner Erfahrung nach neu.
Anfang Juli verschickte Eventim E-Mails mit der Information, ob Fans für den Pre-Sale zugelassen werden oder nicht. Nur ein ausgewählter Teil bekam daraufhin in den vergangenen Tagen einen Zugangscode, der für eine maximale Anzahl von vier Tickets pro Stadt gültig ist. Eine Garantie, die Karten dann auch zu bekommen, gab es dennoch nicht. Denn wie immer bei Konzerten gilt das alte Prinzip "wer zuerst kommt, mahlt zuerst", sprich: Nur wer schnell ist, ergattert ein Ticket. Wer sich nicht vorab registriert oder keinen Code erhalten hat, geht ebenfalls leer aus.
Der Vorverkauf für die "Eras"-Tour des US-Superstars läuft über Eventim. Der Konzern stellt nach eigenen Angaben nur die Plattform. Die Entscheidungen zum Vergabesystem der Tickets laufe über den Veranstalter, heißt es vom Konzern. Doch auch diese haben offenbar wenig Handlungsspielraum. Branchenkreisen zufolge ist die Organisation von Ticketverkäufen stets individuell, und nicht immer wird die Expertise der Veranstalter genutzt. Gerade bei großen Künstlern werden die Regeln wegen ihrer Marktmacht häufig vom jeweiligen Management vorgegeben - so wohl auch bei Taylor Swift.
Verbraucherschützer vermutet wirtschaftliche Interessen
"Dieses Prozedere ist für uns ein Novum", teilte auch der Veranstalter für die Shows in Gelsenkirchen und München, FKP Scorpio, mit. Das Management selbst äußerte sich auf tagesschau.de-Anfrage nicht. Warum die zusätzliche Hürde eingebaut wird und wie die Auswahlkriterien aussehen, bleibt also Spekulation.
"Es könnte ein Marketinginstrument sein, um zusätzlichen Hype zu erzeugen und nochmal mehr Leute darauf zu lenken, Tickets zu kaufen", meint Flosbach. So eine Art der Vergabe sei nur bei Stars möglich, bei denen die Nachfrage groß genug ist. Jedoch seien deren Konzerte ohnehin oft ausverkauft. Daher vermutet der Digitalexperte noch einen anderen Grund: "Vielleicht soll die Akzeptanz geschaffen werden, noch höhere Ticketpreise zu nehmen." Wenn ein Fan schon einmal die erste Hürde bewältigt habe und zum auserwählten Kreis gehöre, akzeptiere er womöglich auch höhere Kosten.
Ein weiteres Ziel könnte sein, einen zu großen Andrang und damit verbundene technische Probleme zu verhindern. Beim gestrigen Pre-Sale für die "Eras Tour" in Frankreich hatten zeitweise bis zu 700.000 Menschen versucht, Karten zu ergattern. Das sorgte für eine Überlastung der Website des Anbieters Ticketmaster, und der Server brach zusammen. Allerdings wurden auch dort im Vorhinein Codes für die Konzerte in Paris und Lyon verschickt. Später nannte das Unternehmen Probleme mit dem Drittanbieter als Ursache.
Normale Tickets zwischen 100 Euro und 240 Euro
Unabhängig von der Intention des Managements ist der Vergabeprozess Flosbach zufolge für die Verbraucher ein Nachteil: "Sie müssen sich vorgeschaltet registrieren und haben bei Erfolg einen höheren Druck, die Tickets unabhängig von den Preisen dann auch wirklich zu kaufen." Allerdings gebe es ja auch keine Pflicht, an Konzerten seines Lieblingsstars teilzunehmen. Der Kauf von Karten sei weiterhin eine freie Entscheidung.
Ob das System nun häufiger hierzulande eingesetzt wird, ist offen. Aus Branchenkreisen heißt es, es sei erst einmal kein Thema, das immer so zu handhaben. Verbraucherschützer Flosbach ist skeptisch: "Eventim als Event-Dienstleister bietet die Werkzeuge und damit die Möglichkeiten an, so etwas von jetzt an umzusetzen." Veranstalter oder Managements könnten die Vorab-Registrierung also durchaus nutzen.
Bei vielen Konzerten hat sich darüber hinaus nicht nur die Vergabe der Tickets geändert, sondern auch die Höhe der Preise. "Tickets sind in den vergangenen Jahren in vielen Fällen teurer geworden, vor allem durch die Vorgaben der Veranstalter und Künstler, die selbst mit erheblichen Preissteigerungen umgehen müssen", erklärte eine Eventim-Sprecherin jüngst gegenüber der dpa.
Die Preise für die Konzerte von Taylor Swift waren vor dem Vorverkaufsstart nicht bekannt. Mittlerweile dringen über soziale Medien aber erste Informationen an die Öffentlichkeit: So kosten die Steh- und Sitzplätze je nach Bereich zwischen 102,15 Euro und 240,15 Euro. Für das teuerste VIP-Ticket inklusive Premium Standing und früherem Einlass zahlen die Fans 641 Euro.
Dynamische Preisgestaltung erlaubt
In den USA sorgt Ticketmaster derweil mit einem komplett neuen Preissystem für Verärgerung unter Konzertgängern. Dort bestimmt nämlich die Nachfrage die Ticketpreise bei vielen Künstlern - vergleichbar mit dem Prinzip, das Fluglinien und Hotels benutzen. Preise für Eintrittskarten, die normalerweise etwa 100 US-Dollar kosten, können dann durchaus auf 300 US-Dollar steigen, wenn viele Fans beim Verkaufsstart gleichzeitig Tickets bestellen wollen. Auch in Großbritannien ließen Veranstalter von Konzerten etwa von Harry Styles, Coldplay oder der koreanischen Band Blackpink die Preise angepasst an die Nachfrage in die Höhe schießen.
In Deutschland gibt es diese nachfrageorientierte Preisgestaltung zumindest bislang noch nicht. "Beschwerden erhalten wir eher zu den Verbraucherrechten wie Umtausch, Personalisierung oder nicht erstattete Vorverkaufsgebühren", erklärt Flosbach gegenüber tagesschau.de. In diesen Bereichen sehe die Verbraucherzentrale derzeit schlechter werdende Bedingungen und setze sich für Verbesserungen ein.
Bei der reinen Preisgestaltung sei sie hingegen machtlos, dabei gebe es die Freiheit des Vertragsschlusses. Daher kann es auch vorkommen, dass Fans für die gleiche Kategorie teilweise unterschiedlich tief in die Tasche greifen müssen. "Wir sehen, dass Preise nicht für jeden Abruf gleich sind", so Flosbach. Der genaue Algorithmus sei nur den Anbietern bekannt. "Es gibt kein Recht, dass ich den gleichen Preis wie mein Nachbar zahlen muss, der gleichzeitig ein Ticket sucht."
Wer auf ein Konzert gehen möchte, sei dem undurchsichtigen Prozedere ausgeliefert. Einen Tipp gibt der Verbraucherschützer aber: "Man kann mal das Endgerät wie Laptop oder Tablet wechseln und unterschiedliche Netze oder Buchungsorte ausprobieren, um einen günstigeren Preis zu finden."