Deutschland mit Nachholbedarf Investitionen in Schiene auf Rekordhoch
Die Bundesregierung hat im vergangenen Jahr pro Kopf so viel in die Schiene investiert wie noch nie. Im europäischen Vergleich hinkt Deutschland aber weiter hinterher, moniert der Interessenverband Allianz pro Schiene.
Die Investitionen des Bundes in die deutsche Schieneninfrastruktur haben ein Rekordhoch erreicht. "Mit 124 Euro pro Einwohner hat die Bundesrepublik im vergangenen Jahr so viel in das Schienennetz investiert wie noch nie", sagte Allianz pro Schiene-Geschäftsführer Dirk Flege heute in Berlin. Das bedeutet ein Plus von rund 41 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. 2020 hatten die Pro-Kopf-Ausgaben für die Schiene noch bei 88 Euro gelegen.
Der Interessenverband zeigte sich dennoch nicht zufrieden: Im europäischen Vergleich hinke Deutschland weiter hinterher. Deutschland habe "immer noch einen Keller-Platz", so Flege. Denn auch andere europäische Staaten hätten die staatlichen Investitionen ins Gleisnetz "deutlich gesteigert". "Immerhin hat Deutschland beim Pro-Kopf-Vergleich 2021 erstmals Italien überholt", sagte Flege mit Verweis auf die Vorjahreszahlen.
Luxemburg gibt deutlich mehr Geld für die Schiene aus
Für das vergangene Jahr hat sich Deutschland im Europa-Vergleich auf Platz neun vorgearbeitet. Spitzenreiter im Jahr 2021 war Luxemburg mit 607 Euro pro Einwohner, gefolgt von der Schweiz mit 413 Euro. Mit Pro-Kopf-Investitionen von 315 Euro landete Norwegen erstmals auf Platz drei. Diese drei Länder geben somit rund 150 bis knapp 400 Prozent mehr für ihre Schieneninfrastruktur aus als Deutschland.
Dabei sind die Eisenbahnnetze in den jeweiligen Ländern nicht immer ohne Weiteres miteinander vergleichbar. In der Schweiz etwa herrschen andere topographische Bedingungen als in Deutschland, die sich auch auf den Preis von Schienenbauprojekten auswirken.
Deutschland kam Sondereffekt zugute
Hinzu kommt: Deutschland profitierte für das vergangene Jahr von einem Sondereffekt, wie Allianz-pro-Schiene herausstreicht. Dieser belief sich auf zwölf Euro pro Kopf und stammt aus der Eigenkapitalerhöhung für die Deutsche Bahn, die der Bund für 2020 beschlossen, aber erst ein Jahr später ausgezahlt hatte. "Nach diesem Sondereffekt ist ein erneutes Zurückfallen Deutschlands bei den Pro-Kopf-Investitionen im Jahr 2022 bereits vorprogrammiert", sagte Flege.
Bundesrepublik auch bei Digitalisierung ein Nachzügler?
"Das Schlimme ist, auch bei der Digitalisierung des Schienennetzes hinkt Deutschland im EU-Vergleich weit hinterher", ergänzte die Geschäftsführerin von SCI Verkehr, Maria Leenen. Die auf Bahn und Logistik spezialisierte Unternehmensberatung hatte in einer aktuellen Studie herausgefunden, dass Deutschland im Gegensatz zu anderen Ländern bis 2030 kaum nennenswerte Maßnahmen plant.
Die Bundesrepublik dürfte daher ihr selbstgestecktes Ziel, bis 2035 die kompletten Bundesschienenwege mit dem European Train Control System (ETCS) auszurüsten, deutlich verfehlen. Die moderne Leit- und Sicherungstechnik soll langfristig die über 20 verschiedenen Zugbeeinflussungssysteme in Europa ablösen.