EU-Behörde Mehr Produktpiraterie in der Pandemie
Gefälschte Kleidung, Elektronik, Kosmetik: Die Produktpiraterie hat laut der EU während der Pandemie zugenommen. Neuerdings machen Fälschungen besonders im medizinischen Bereich Probleme.
Die Pandemie habe einen neuen, gewaltigen Markt geschaffen, sagt Paul Maier, der Direktor der Europäischen Beobachtungsstelle für Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums. Und zwar den Markt für die persönliche Corona-Schutzausrüstung: Masken, Schnelltests, Desinfektionsmittel. "Wir waren in einer Situation, in der die Industrie nicht sofort fähig war, diese Produkte in einem Volumen zu erschaffen, das nötig war für den Markt. Die Fälscher sind unheimlich schnell."
Schon wenige Tage nachdem im vergangenen Frühjahr der Mangel an guten Schutzmasken offensichtlich wurde, gab es massenhaft Angebote aus China. Doch diese auf den ersten Blick tauglichen Produkten erwiesen sich kurz darauf als unbrauchbar, weil sie nicht den europäischen Richtlinien entsprachen. "Diese Leute sind nicht von der Sorte 'leichte Kriminelle', die nicht sehr gefährlich sind. Sind gehören zu den ganz Schlimmen. Das erklärt dann auch, weshalb diese Leute so schnell und so organisiert reagieren konnten", so Maier.
Plagiate im Wert von 120 Milliarden Euro
Zu den häufigsten Fälschungen zählen Artikel aus den Bereichen Elektronik, Kleidung, Spielzeug und Kosmetik. Plagiate haben im vergangenen Jahr knapp sieben Prozent aller Einfuhren in die EU ausgemacht, es geht um Waren im Wert von mehr als 120 Milliarden Euro. Gut Dreiviertel der Fälschungen kamen aus China.
Die Pandemie habe es Produktpiraten auch bei ihren Vertriebswegen leichter gemacht, sagt Maier vom EU-Amt für geistiges Eigentum. Der Online-Handel boomt seit mehr als einem Jahr, weniger Menschen kaufen in Geschäften ein. "Wenn Sie eine Fälschung in der Hand halten, merken Sie normalerweise sofort: 'Das kann doch nicht die Qualität sein, die ich kenne!' Im Internet sehen Sie das nicht, weil die Verkäufer von Fälschungen die echten Fotografien verwenden", erklärt Maier. Abgebildet ist also das Original-Produkt, verschickt wird dann aber ein Plagiat.
Jeder Dritte hatte schon Zweifel an der Echtheit von Produkten
Jeder dritte Verbraucher in Europa hatte laut einer Studie des EU-Amts für geistiges Eigentum beim Online-Shopping schon Zweifel, ob es sich um ein Original oder eine Fälschung handelt. Jeder Zehnte sagt, dass er schon einmal versehentlich ein Plagiat gekauft hat.
Der Fachmann der EU-Behörde empfiehlt Verbrauchern, wenn möglich online nur in "Trusted Shops" einzukaufen. Und zu kontrollieren, dass die Website eine "https"-Adresse hat, die als sicherer gelten als die klassischen "http"-Seiten.
Maier rät auch dazu, Medikamente nur in lizenzierten Internet-Apotheken zu kaufen und keinesfalls auf anderen Seiten. Denn das Netz sei voller gefälschter Arzneimittel. Die Einnahme kann gefährlich sein. "Es ist nichts einfacher nachzuahmen als eine Pille. Die können sie selbst pressen - wichtig ist natürlich, was sich darin befindet. Und das kann kein Verbraucher sehen." Entweder enthielten gefälschte Medikamente gar keinen Wirkstoff, einen falsch dosierten oder sogar giftige Substanzen.
"Kampf ohne Ende"
Den Machern von Plagiaten auf die Schliche zu kommen, sei extrem schwierig, sagt der Experte. "Es ist wahrscheinlich ein Kampf ohne Ende. Aber den muss man führen."
Die EU will entschiedener gegen Produktpiraten vorgehen. Der Ministerrat hat vor wenigen Tagen dem Kampf gegen organisierte Kriminalität in den nächsten Jahren eine Priorität eingeräumt. Vor allem geht es um Internet-Kriminalität, zu der auch Produktfälschungen gehören.