Wohnen in Großstädten Viele Mieter an der Belastungsgrenze
Die hohen Mietpreise in vielen Großstädten bringen viele Mieter an den Rand finanzieller Probleme. Knappes Einkommen und knappe Wohnungen bilden eine ungute Mischung, wie eine aktuelle Studie zeigt.
Bei der Miete müssen viele Haushalte in Großstädten so viel Geld aufbringen, dass sie dabei oberhalb der Marke von 30 Prozent des Haushaltseinkommens liegen. Das ist ein Ergebnis einer von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung veröffentlichten Untersuchung. Demnach liegen 49,2 Prozent der rund 8,4 Millionen Haushalte, die in Deutschlands Großstädten zur Miete wohnen, oberhalb dieser Schwelle.
Gut ein Viertel der Haushalte müsse mindestens 40 Prozent des Einkommens für Warmmiete und Nebenkosten aufwenden. Knapp zwölf Prozent der Großstadthaushalte benötigten sogar mehr als die Hälfte ihres Einkommens für die Miete, also Warmmiete und Nebenkosten.
Bremen an der Spitze
"Bei Sozialwissenschaftlern wie bei Immobilienexperten gilt eine Mietbelastungsquote oberhalb von 30 Prozent des Haushaltseinkommens insbesondere bei Haushalten mit niedrigerem Einkommen als problematisch, weil dann nur noch relativ wenig Geld zur sonstigen Lebensführung bleibt", heißt es dazu in der Studie der Stiftung. Auch viele Vermieter zögen hier eine Grenze, weil sie zweifelten, dass Mieter sich mit weniger Einkommen ihre Wohnung dauerhaft leisten können.
In Köln liegt beispielsweise der Anteil der Haushalte, die mit einer Mietbelastungsquote von mehr als 30 Prozent leben müssen bei 46,4 Prozent. In Berlin sind es 43,8 Prozent. In Bremen ist der Anteil mit 47,5 Prozent am größten. Für die Studie wertete ein Forschungsteam um den Stadtsoziologen Andrej Holm von der Berliner Humboldt-Universität die jüngsten verfügbaren Daten des Mikrozensus von 2018 aus.
Ärmere Haushalte leider mehr
Insgesamt sei die finanzielle Belastung der Mieter in den vergangenen Jahren laut Studie zwar zurückgegangen, weil auch bei Bewohnern der Großstädte die Einkommen im Mittel stärker gestiegen seien als die Wohnkosten. Die mittlere Belastungsquote von Mieterhaushalten sank demnach 2018 von 31,2 Prozent der Einkommen im Jahr 2001 auf 29,6 Prozent.
Vor allem für viele ärmere Haushalte habe sich die Situation kaum entspannt, für sie sei die Miete weiter ein besonders großes finanzielles Problem. Die Autoren sehen eine weitere "Polarisierung" der Wohnungssituation. Auch im zeitlichen Vergleich von 2006 bis 2018 zeige sich, "dass sich die sozialen Ungleichheiten im Bereich des Wohnens verschärft und hohe Mietkostenbelastungen verfestigt haben".
Überbelastungsquote leicht gesunken
Das Statistische Bundesamt hatte ebenfalls die Belastung der Haushalte mit den Wohnkosten analysiert. Nach seinen Daten lebten im Jahr 2019 knapp 14 Prozent der Bevölkerung, mithin rund 11,4 Millionen Personen, in Haushalten, die von hohen Wohnkosten finanziell überlastet waren.
Eine Überbelastung bei Wohnkosten sieht die Behörde, wenn ein Haushalt mehr als 40 Prozent des verfügbaren Einkommens für das Wohnen ausgibt. Das gilt unabhängig davon, ob die Betroffenen zur Miete oder in den eigenen vier Wänden leben und etwa einen Kredit abzahlen. Laut Destatis ist die Überbelastungsquote seit 2014 leicht gesunken.
Es fehlen Wohnungen
Die Böckler-Studie kommt zum Ergebnis, dass die Wohnungsnot in Großstädten trotz verstärkter Bautätigkeit "allenfalls geringfügig gelindert" worden sei. Vor allem kleine und günstige Wohnungen fehlten, und das Angebot sei über die Jahre noch deutlich knapper geworden. Bundesweit gebe es ein Versorgungsdefizit von über 1,5 Millionen Wohnungen, die selbst bei einer hypothetisch angenommenen optimalen Verteilung des Wohnraums in den Großstädten fehlten, erklärte Holm.
Mehr Wohnungen fordert auch der Deutsche Mieterbund. Er verlangte vor einigen Tagen von der nächsten Bundesregierung hohe Investitionen in Sozialwohnungen und einen bundesweiten, sechsjährigen Mietenstopp. Der Bund müsse für eine "bitter nötige Verschnaufpause für alle Mieterinnen und Mieter" sorgen, bis mehr neue Wohnungen gebaut seien.
Mindestens 30 Prozent der Mietwohnungen müssten laut Mieterbund in öffentlicher oder genossenschaftlicher Verwaltung sein, um die Preisspirale zu bremsen. Derzeit fürchte jeder zweite Mieterhaushalt in den Großstädten, die Wohnung nicht mehr bezahlen zu können, hatte der Verbandspräsident, Lukas Siebenkotten, festgestellt.
Mehr Einkommen würde helfen
Studienautor Holm plädiert für einen mehrgleisigen Ansatz: Neben Instrumenten zum Schutz der bestehenden Mietpreise solle unter anderem der soziale und gemeinnützige Wohnungsbau "mit möglichst dauerhaften Mietbindungen erheblich gestärkt werden", riet er.
Ein weiterer entscheidender Schlüssel zu einer sozialen Wohnversorgung sei jedoch die Einkommenssituation der Mieterinnen und Mieter. Ohne wirksame Maßnahmen zur Auflösung des weit verbreiteten Niedriglohnsektors sei eine soziale Wohnversorgung in den Großstädten nicht zu gewährleisten, so Holm.