Für Fleisch und Milch Greenpeace fordert höhere Steuern
Wegen der hohen Umwelt- und Klimaschäden durch den Konsum von Fleisch und Milch dringt Greenpeace auf eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. Kritiker fürchten jedoch soziale Folgen und eine Preiswelle.
Die Debatte über Lebensmittelpreise in Deutschland geht weiter. Nachdem Cem Özdemir (Grüne) am Wochenende in einem Interview Ramschpreise für Lebensmittel und Agrarprodukte kritisiert hatte, stellt sich nun auch Greenpeace hinter den neuen Bundeslandwirtschaftsminister. Fleisch und Milchprodukte sollten nach Ansicht der Umweltschutzorganisation mit höheren Steuern belastet werden.
"Die neue Bundesregierung sollte die Mehrwertsteuer für Fleisch und Milchprodukte an den regulären Satz von 19 Prozent anpassen. Im Gegenzug kann sie die Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse absenken oder ganz streichen", sagte Greenpeace-Agrarexperte Matthias Lambrecht der Funke-Mediengruppe. "Damit würden Verbraucherinnen und Verbraucher entlastet und Anreize für umweltfreundlicheren und klimaschonenderen Konsum pflanzlicher Lebensmittel geschaffen."
Schäden von jährlich rund sechs Milliarden Euro
Zuletzt hatte auch der Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller, für eine Steuersenkung für Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte plädiert. Dies sei "ein guter und gesunder Ausgleich" für die zuletzt hohen Preissteigerungen bei Lebensmitteln, der auch den Umstieg auf klimafreundliche Produkte erleichtere.
Zugleich brauchten die landwirtschaftlichen Betriebe eine gezielte Förderung für eine verbesserte Haltung der Tiere, so Greenpeace-Experte Lambrecht weiter. Dafür sollten über eine Steuer oder Abgabe jene Verbraucher aufkommen, die Fleisch- und Milchprodukte konsumierten. "Der Konsum von Fleisch- und Milchprodukten in Deutschland verursacht Umwelt- und Klimaschäden in Höhe von rund sechs Milliarden Euro im Jahr. Die wahren Kosten schlagen sich aber im Preis nicht nieder", erklärte er.
Der Verbrauch tierischer Erzeugnisse werde vielmehr auch noch "mit mehr als fünf Milliarden Euro jährlich gefördert, weil auf diese Produkte nur der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent erhoben wird". Es gehe nicht darum, den Menschen vorzuschreiben, was sie essen sollten, sondern schlicht darum, das Verursacherprinzip durchzusetzen, wenn der Markt dabei versage, sagte Lambrecht.
Wohlfartsverband und Union warnen
Damit unterstützt Greenpeace die Aussagen Özdemirs vom Wochenende. Es dürfe keine Ramschpreise mehr für Lebensmittel geben, hatte der Politiker gefordert. Dabei gebe es drei Ziele: ein sicheres Einkommen für die Bauern, mehr Tierwohl, Klima- und Umweltschutz und gesundes Essen für alle. Auch Özdemir stellte klar, dass Lebensmittel nicht zum "Luxusgut" werden dürfen.
Während der Deutsche Tierschutzbund das Vorhaben unterstützt, äußerten Verbraucherschützer und Opposition Bedenken. Der Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, verlangte, Preissteigerungen müssten mit deutlich höheren Regelsätzen einhergehen. "Man kann Ökologisches und Soziales nicht trennen. Es geht nur ökosozial, sonst verliert man die Unterstützung der Bevölkerung", so Schneider gegenüber der "Welt".
Höhere Auflagen beim Tierwohl würden ohnehin zu höheren Preisen führen. "Bei dieser Spirale, die man dann lostritt, muss man aufpassen, dass die kleinen Bauern nicht hinten runterfallen", ergänzte Schneider. Richtig findet er Özdemirs Forderung nach gesünderen Fertigprodukten. Auch die Union erklärte, man werde genau auf die sozialen Auswirkungen achten, denn "nicht jeder kann sich Bio-Produkte leisten", so der Unions-Vizefraktionsvorsitzende Steffen Bilger. Er sieht eine Gefahr durch möglichen Import günstigerer Lebensmittel aus dem Ausland.
"Hersteller, die nur auf der Preiswelle mitreiten wollen"
Der Handelsriese Rewe sieht sich bereits jetzt mit einer Welle von Preisforderungen aus der Lebensmittelindustrie konfrontiert. "Es gab noch nie so viele Forderungen nach Preiserhöhungen von der Industrie wie in diesem Jahr", sagte Rewe-Chef Lionel Souque der Nachrichtenagentur dpa. Ein Teil der Preiserhöhungen sei berechtigt, räumte der Manager ein. Denn bei vielen Produkten wie Nudeln oder Kaffee seien die Rohwarenpreise zuletzt deutlich gestiegen.
"Doch es gibt auch Hersteller, die nur auf der Preiswelle mitreiten wollen", klagte Souque. Es gebe multinationale Konzerne, die gegenüber ihren Aktionären damit prahlten, wie sie ihre Kosten gesenkt hätten und dennoch versuchten, sich an die Preiswelle anzuhängen. "Wir müssen aufpassen, dass wir diese Unternehmen mit ihren Forderungen nicht durchkommen lassen, denn am Ende zahlt dafür der Kunde", sagte Souque. Deshalb sei es auch wichtig, dass Rewe genug Verhandlungsmacht habe.