Konsumlaune weiter gedämpft Kommt jetzt das "Angstsparen"?
Geld sparen oder Geld ausgeben? Diese Frage beantworten die Deutschen seit geraumer Zeit mit "Geld sparen" - trotz höherer Löhne und abgebremster Inflation. Woher kommt die Zurückhaltung?
Die Lehrbücher der Volkswirtschaft sind prall gefüllt mit Gleichungen und Zusammenhängen - einer davon: Haben die Verbraucher mehr Geld zur Verfügung, dann können sie sich mehr leisten, und das schiebt den Konsum an. Oder nicht?
"Laut Lehrbuch Volkswirtschaftslehre sollte das so sein", bestätigt Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING Bank. "Wir werden dieses Jahr wieder ein richtig sattes Plus beim Reallohnwachstum bekommen." Doch es gebe eine Einschränkung: "Wir kommen natürlich jetzt aus etlichen Jahren, in denen die Verbraucher auch einen Reallohn- und Kaufkraftverlust erlitten haben. Das heißt, es ist nur wieder eine Kompensation von dem, was in den letzten Jahren verloren wurde."
Im vergangenen Jahr waren die Reallöhne das erste Mal seit dem Jahr 2019 wieder ganz leicht gestiegen. Das hat das Statistische Bundesamt ausgerechnet. Heißt: Die Menschen hatten auch abzüglich der Inflation im Schnitt etwas mehr Geld. In diesem Jahr dürfte das Plus größer ausfallen.
"Der Konsument ist einfach verunsichert"
Aber bis das auch in den Köpfen der Menschen ankommt, dauert es. Brzeski geht davon aus, dass gegenwärtig ein psychologischer Effekt ins Spiel kommt, den der Volkswirt "Angstsparen" nennt. "Von daher gehe ich eher davon aus, dass viele Verbraucher sich sagen werden: 'Lass uns mal wieder den Spar- und Sicherheitspuffer aufbauen, bevor wir das Geld wieder neu ausgeben in Konsum, Dienstleistungen'."
Auch die zuletzt stark gestiegenen Preise spielen eine Rolle, erläutert Jörg Funder. Er ist Professor für Handel an der Hochschule Worms. Die Konsumenten seien weiterhin verunsichert, ob nicht weitere Kostensteigerungen auf sie zukämen.
"Seien das Energiepreise, seien das Kraftstoffpreise, seien das Sanierungsmaßnahmen - der Konsument ist einfach verunsichert", sagt Funder. "Er braucht Stabilität, er braucht Verlässlichkeit. Und das ist das, was sich nur langsam aufbaut und wo auch der deutsche Konsument nach wie vor sehr skeptisch und unsicher ist, was auf ihn zukommt."
Kaufzurückhaltung lähmt die Konjunktur
Diese Entwicklung spiegelt sich auch in den Zahlen wider, die die Konsumforscher der GfK und des Nürnberg Instituts für Marktentscheidungen monatlich vorlegen. Mit Blick auf den April hat sich die Stimmung unter den Verbrauchern nur leicht aufgehellt. Die gesamte Branche leide unter dem mauen Konsumklima, so Handelsexperte Funder. Das zeige sich im Onlinehandel genauso wie im stationären Geschäft: "Wir sehen in Summe eine Kaufzurückhaltung in allem, was nicht den tagtäglichen Bedarf angeht."
Die Zurückhaltung beim Konsum lähmt auch die gesamte deutsche Konjunktur. Der Anteil der privaten Ausgaben macht in Deutschland etwa die Hälfte des Bruttoinlandsproduktes aus. Das ist zwar weitaus weniger als etwa in den USA, doch hängt die deutsche Wirtschaft zu großen Teilen auch von Konsumgütern ab. Viele Ökonomen erwarten, dass die deutsche Wirtschaft im laufenden Jahr gar nicht oder nur sehr wenig wächst.
Bessere Konsumlaune wohl erst im zweiten Halbjahr
Kann der Konsum da bald eine Stütze sein? "Wir haben natürlich noch immer eine hohe Unsicherheit. Wir haben weiterhin noch ordentliche Sparzinsen", gibt ING-Chefvolkswirt Brzeski zu bedenken. "Ich habe ein bisschen Angst, dass wir dieses Jahr mehr 'Angstsparen' sehen werden - und nicht diesen großen Konsumaufschwung, den wir bräuchten, um auch für die Gesamtwirtschaft wieder einen Aufschwung zu bekommen."
Besserung sehen Ökonomen möglicherweise im zweiten Halbjahr. Dabei helfen könnte auch die Europäischen Zentralbank: mit sinkenden Zinsen. Die wiederum könnten Investitionen erschwinglicher machen - und vielleicht damit auch das Portemonnaie der Verbraucher etwas lockern.