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Strengere Regeln gefordert Klimaanlagen im Auto als Gesundheitsgefahr

Stand: 09.06.2024 14:14 Uhr

Jedes dritte Auto ist im Innenraum belastet - mit Pilzen, Pollen und allen möglichen Partikeln. Der Verein Deutscher Ingenieure fordert strengere Vorgaben bei der Wartung von Klimaanlagen.

Wenn die Sonne den Innenraum des Autos heiß werden ließ, dann öffnete mancher Autofahrer einst eine kleine Frischluftklappe unterhalb der Windschutzscheibe oder ein Ausstellfenster. Der Fahrtwind blies so direkt in den Innenraum - und vielleicht auch kühlend ins Antlitz der Insassen.  

Einfache Technik, aber leider auch nur für einfacheres Komfort-Bewusstsein geeignet. Wer es angenehmer haben wollte und finanziell entsprechend ausgestattet dazu war, der konnte seit den 1960er-Jahren Wagen mit Klimaanlage ordern. Mittlerweile gehören diese zur Basisausstattung vieler Fahrzeuge. Positiver Nebeneffekt: Ein kühler Kopf bewahrt vor Fahrfehlern. Studien belegen ein höheres Unfallrisiko bei höherer Temperatur im Auto.

"Jedes dritte Fahrzeug belastet"

Die körperliche Unversehrtheit leidet laut dem Verein Deutscher Ingenieure (VDI) und dem Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) in vielen Fällen aber auch unter den Klimaanlagen: "Nach unseren Untersuchungen ist jedes dritte Fahrzeug stark bis sehr stark belastet, vor allem mit Mikroorganismen", sagt Andreas Winkens. Er ist Inhaber eines Ingenieurbüros mit Schwerpunkt für Raumluftqualität und Vorsitzender der VDI-Richtliniengremien zur Lufthygiene.  

Eigentlich sollten im Fahrzeug verbaute Innenraumfilter unerwünschte Mitfahrer draußen halten. Doch sind die Filter oft alt, voll oder fehlerhaft eingebaut. Dann finden Pollen, Schimmelpilze oder Feinstaub und Rußpartikel dennoch Eingang ins Fahrzeuginnere. Ein späterer Beleg dafür: Es stinkt! Winkens erklärt: "Die Filter werden mit der Zeit sogar zu Speichern. Wenn die Filter nicht regelmäßig oder unsachgemäß gewechselt werden, habe ich natürlich ein Problem."

Wenige Studien zu Gesundheitsfolgen

Frank Powitz vom Bundesverband Deutscher Pneumologen warnt, dass bei schlecht gewarteten Klimaanlagen sogar die Gefahr einer Lungenerkrankung besteht: die sogenannte "Befeuchterlunge", im Fachjargon "exogen allergischen Alveolitis, kurz EAA".

Diese Erkrankung könne durch sehr viele verschiedene Faktoren entstehen, eben auch durch Einatmen von organischen Partikeln wie Pilze oder Bakterien in kontaminierten Klimaanlagen. "Allerdings gibt es keine differenzierte Datenlage zur EAA durch Autoklimaanlagen", schränkt Powitz ein. 

"Zu lässig an die Sache herangegangen"

Tatsächlich gibt es wenig belastbare Studien zum Thema Gesundheit und Kfz-Klimaanlage. Dennoch klingt es einleuchtend, wenn Ärzte wie Powitz zu regelmäßigem Wechsel des Filters der Lüftungsanlage aufrufen. Er spricht dabei von einer "permanent höheren Pollenlast infolge des Klimawandels und einer erheblichen Zunahme von allergischen Erkrankungen".

Doch viele Autowerkstätten widmen sich der Kfz-Klimaanlagen zwar schnell und billig, einer Qualitätsprüfung hielten die Ergebnisse aber oft nicht stand, berichtet Winkens: "Man ist da bisher ein wenig zu lässig an die Sache herangegangen."  

Zum Einsatz kämen Schäume, Ultraschallvernebler und anderes zum Übertünchen mit Duftstoffen. "Die Methoden stehen allesamt für einen grundsätzlich fehlenden Hygiene-Standard und für die mangelhafte Wartung und Reinigung von Kfz-Klimaanlagen in der gesamten Automobilbranche."

Schimmel in Petrischalen

Wenn die Klimaanlage die Gesundheit gefährdet - in vielen Anlagen finden sich verschiedenste Schimmelsporen.

Neuer Standard für die Kfz-Branche

Ein neuer Standard für die Reinigung von Klimaanlagen soll nun für Abhilfe sorgen. VDI und der ZDK haben nun eine entsprechende Richtlinie vorgestellt. Sie sieht unter anderem mehr Schulungen vor, in Kfz-Werkstätten soll für das Thema sensibilisiert werden. Vorgesehen ist auch eine jährliche Reinigung der Klimaanlage, die gründlicher ausfallen soll als bisher.  

"In Gebäuden ist das überhaupt kein Thema, da werden die Filter jährlich gewechselt", gibt Winkens zu Bedenken. "Im engen Raum Auto hingegen sehen manche Hersteller einen Wechsel erst nach drei, vier Jahren vor." Zu spät, findet Winkens: "Das ergibt überhaupt keinen Sinn. Wenn Sie sehen, was da drinsteckt, wird Ihnen schlecht."  

Winkens empfiehlt einen Filterwechsel jedes halbe Jahr, zu Beginn und zum Ende der Pollensaison, also vor dem Winter. Andernfalls würden Autobesitzer Mikroorganismen in der heizenden Lüftungsanlage durch den Winter spazieren fahren.

Vorsicht bei "Hilf dir selbst"-Lösungen

Einen Filterwechsel können bei manchen Fahrzeugen auch wenig versierte Autobesitzer vielleicht noch selbst erfolgreich vornehmen. Anders sieht es allerdings bei der Reinigung des Kernstücks der Klimaanlage aus, dem Verdampfer. Da er meist tief im Inneren des Autos verbaut ist, kann meist nur geschultes Personal seinen Bewohnern zu Leibe rücken. 

Zwischen den engen Lamellen des Verdampfers herrscht ein feuchtes Milieu - viel Nährboden für Schimmelpilze, Keime und Bakterien. Sie werden von hier aus ungefiltert in die Belüftungsschläuche des Fahrzeugs gepustet - selbst wenn die Kühlfunktion nicht aktiv ist. "Der Verdampfer ist für die Reduktion von Keimen, Allergenen und aller Arten von Biowachstum das zentrale Bauteil. Ist er belastet, ist es auch die Luft", erklärt Winkens. Nur die spezielle Behandlung in der Werkstatt könne helfen.

Desinfektionssprays kontraproduktiv

Von Desinfektionssprays in Klickdosen, die in "Hilf dir selbst"-Internetvideos angepriesenen werden, hält ZDK-Vizepräsident Detlef Grün wenig: "Wir haben sie in unserer Werkstatt früher selbst benutzt. Aber nach den Tests sehe ich ihren Wert anders." Meist sind es Spraydosen, die im Auto bei eingeschalteter Klimaanlage aktiviert werden. Der Nutzer verlässt das Auto und die Klimaanlage soll das im Innenraum verteilte Spray einsaugen und die Anlage damit reinigen.

"Wenn Oberflächen mikrobiologisch verschmutzt sind, löst sich der Schmutz nicht, weil irgendein Gas vorbeigeflogen kommt. Wir duschen uns ja auch nicht mit Sprays", schüttelt Winkens den Kopf und macht auf einen Nebeneffekt aufmerksam: "Das Gas bleibt lange im Innenraum, der Fahrzeugnutzer atmet so jede Menge von den konzentrierten, schädigenden Stoffen ein." 

Letztendlich sollte sich die Kundschaft nicht von günstigen Begriffen wie "Klimaservice" oder "Klimacheck" blenden lassen, wünscht sich Winkens. Stattdessen sollten Kunden gezielt nach der neuen "VDI/ZDK-Richtlinie 6032" fragen, um eine Reinigung des gesamten Klimasystems zu erhalten. Die sei zwar nicht für 15 Euro zu haben, aber verhindere so manches Unbehagen: In Innenraumluftfiltern fanden Mechaniker schon verweste Mäuse.